ein rasches Anwärmen, so daß binnen 40 Minuten nach dem Aufheizen der Dampf in den Kesseln bereits seine normale Spannung erreicht hat.
Sehen wir uns ein solches Treiben in einem See-Arsenale etwas näher an. ... Schon in frühester Morgenstunde beginnen sich die Räume zu beleben. Zunächst schwärmt ein Menschenstrom durch die Thore der Werkstätten, Boote schwimmen aus, geschäftig wie flüchtige Wasserinsecten; schon kräuseln ab und zu kleine Rauchlinien empor und pfeilschnell schießen leichte Dampfbarkassen durch die silbern aufschäumende Fluth. Ein schriller Pfiff folgt dem andern; bald vernimmt man dumpfes Summen, wie aus einem riesigen Bienenkorbe, dem nach und nach ein schwaches, in der Folge ein intensives Getöse folgt. Die rußigen Essen be- ginnen zu flammen und wo pechschwarze Rauchwolken aufwirbeln, pocht mächtiger Hammerschlag. Bald rasselt es an allen Ecken und Enden, das Meer schäumt auf und buntes Gewimmel drängt sich von Deck zu Deck, von Gebäude zu Gebäude. Das monotone Geklapper der Kalfaterer und Zimmerleute mischt sich in das dumpfe Gerassel aus der Schiffsschmiede und den dröhnenden Hammerschlägen von den Stapelplätzen. ... Ueberall Leben und Bewegung! Tausende Hände regen sich und sie bemeistern den gewaltigen Titanen Dampf, den dienstbaren Geist der modernen Cyklopen. Er setzt die schweren Riesenhämmer in Bewegung, daß die Erde weit im Umkreise erzittert; ungeheure Geschütze versetzt er spielend vom Land in die Thürme und Casematten, oder er zieht die Panzerkolosse selbst mittelst gewaltiger Maschinen ans Land. Hier schneidet er mehrere Centimeter dicke Eisen- bleche, als wären sie Pappdeckel, dort wieder treibt er mehrere Centimeter tiefe Niet- löcher in Stahlplatten, leicht und geräuschlos, wie eine Näherin ihre Leinwand durchsticht.
Und dennoch ist der Eindruck, den diese großartige Thätigkeit auf den Be- schauer aus der Ferne ausübt, nur ein bescheidener, gegenüber den Einzelbildern, die sich an dem Auge in raschem, betäubendem Wechsel vorüberdrängen, wenn man die einzelnen Arbeitsstätten besucht. Wir stehen nun an den Quais und haben jene Kolosse, welche beim Anblicke aus der Ferne nicht gar so gewaltig impo- nirten, unmittelbar vor uns. An armdicken Tauen oder Drahtseilen oder schweren Ankerketten liegen sie am Ufer vertäut. Schwarze oder graue Eisenthürme steigen aus der salzigen Fluth. Sie gelten als Stoß- und Kugelfest und der Stolz des Seemanns nennt sie die "Unverwundbaren". Die Medaille hat aber ihre Kehr- seite. Wir schreiten durch einen dunklen Thorgang und weiterhin auf einen freien Platz, wo Panzerplatten der Reihe nach aufgestellt sind: sprechende Zeugen der verheerenden Wirkung moderner Riesengeschütze. Die Projectile stecken tief in den stählernen Platten und manche derselben sind auf der Rückseite geborsten. Bei den dünneren Platten ist alles zerfetzt, zersplittert, und aus den unheimlichen Breschen ragen die Projectile noch ein Stück heraus.
Wir finden die Unholde, welche solche Zerstörungen anrichten, in einem ge- räumigen Gebäude, wo sie, mächtigen dunklen Schlangen gleich, auf provisorischen Bettungen liegen, zu Häupten mächtige Laufkrähne, mittelst welchen die Geschütz-
Zweiter Abſchnitt.
ein raſches Anwärmen, ſo daß binnen 40 Minuten nach dem Aufheizen der Dampf in den Keſſeln bereits ſeine normale Spannung erreicht hat.
Sehen wir uns ein ſolches Treiben in einem See-Arſenale etwas näher an. ... Schon in früheſter Morgenſtunde beginnen ſich die Räume zu beleben. Zunächſt ſchwärmt ein Menſchenſtrom durch die Thore der Werkſtätten, Boote ſchwimmen aus, geſchäftig wie flüchtige Waſſerinſecten; ſchon kräuſeln ab und zu kleine Rauchlinien empor und pfeilſchnell ſchießen leichte Dampfbarkaſſen durch die ſilbern aufſchäumende Fluth. Ein ſchriller Pfiff folgt dem andern; bald vernimmt man dumpfes Summen, wie aus einem rieſigen Bienenkorbe, dem nach und nach ein ſchwaches, in der Folge ein intenſives Getöſe folgt. Die rußigen Eſſen be- ginnen zu flammen und wo pechſchwarze Rauchwolken aufwirbeln, pocht mächtiger Hammerſchlag. Bald raſſelt es an allen Ecken und Enden, das Meer ſchäumt auf und buntes Gewimmel drängt ſich von Deck zu Deck, von Gebäude zu Gebäude. Das monotone Geklapper der Kalfaterer und Zimmerleute miſcht ſich in das dumpfe Geraſſel aus der Schiffsſchmiede und den dröhnenden Hammerſchlägen von den Stapelplätzen. ... Ueberall Leben und Bewegung! Tauſende Hände regen ſich und ſie bemeiſtern den gewaltigen Titanen Dampf, den dienſtbaren Geiſt der modernen Cyklopen. Er ſetzt die ſchweren Rieſenhämmer in Bewegung, daß die Erde weit im Umkreiſe erzittert; ungeheure Geſchütze verſetzt er ſpielend vom Land in die Thürme und Caſematten, oder er zieht die Panzerkoloſſe ſelbſt mittelſt gewaltiger Maſchinen ans Land. Hier ſchneidet er mehrere Centimeter dicke Eiſen- bleche, als wären ſie Pappdeckel, dort wieder treibt er mehrere Centimeter tiefe Niet- löcher in Stahlplatten, leicht und geräuſchlos, wie eine Näherin ihre Leinwand durchſticht.
Und dennoch iſt der Eindruck, den dieſe großartige Thätigkeit auf den Be- ſchauer aus der Ferne ausübt, nur ein beſcheidener, gegenüber den Einzelbildern, die ſich an dem Auge in raſchem, betäubendem Wechſel vorüberdrängen, wenn man die einzelnen Arbeitsſtätten beſucht. Wir ſtehen nun an den Quais und haben jene Koloſſe, welche beim Anblicke aus der Ferne nicht gar ſo gewaltig impo- nirten, unmittelbar vor uns. An armdicken Tauen oder Drahtſeilen oder ſchweren Ankerketten liegen ſie am Ufer vertäut. Schwarze oder graue Eiſenthürme ſteigen aus der ſalzigen Fluth. Sie gelten als Stoß- und Kugelfeſt und der Stolz des Seemanns nennt ſie die »Unverwundbaren«. Die Medaille hat aber ihre Kehr- ſeite. Wir ſchreiten durch einen dunklen Thorgang und weiterhin auf einen freien Platz, wo Panzerplatten der Reihe nach aufgeſtellt ſind: ſprechende Zeugen der verheerenden Wirkung moderner Rieſengeſchütze. Die Projectile ſtecken tief in den ſtählernen Platten und manche derſelben ſind auf der Rückſeite geborſten. Bei den dünneren Platten iſt alles zerfetzt, zerſplittert, und aus den unheimlichen Breſchen ragen die Projectile noch ein Stück heraus.
Wir finden die Unholde, welche ſolche Zerſtörungen anrichten, in einem ge- räumigen Gebäude, wo ſie, mächtigen dunklen Schlangen gleich, auf proviſoriſchen Bettungen liegen, zu Häupten mächtige Laufkrähne, mittelſt welchen die Geſchütz-
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Zweiter Abſchnitt.
ein raſches Anwärmen, ſo daß binnen 40 Minuten nach dem Aufheizen der Dampf
in den Keſſeln bereits ſeine normale Spannung erreicht hat.
Sehen wir uns ein ſolches Treiben in einem See-Arſenale etwas näher an. ...
Schon in früheſter Morgenſtunde beginnen ſich die Räume zu beleben. Zunächſt
ſchwärmt ein Menſchenſtrom durch die Thore der Werkſtätten, Boote ſchwimmen
aus, geſchäftig wie flüchtige Waſſerinſecten; ſchon kräuſeln ab und zu kleine
Rauchlinien empor und pfeilſchnell ſchießen leichte Dampfbarkaſſen durch die
ſilbern aufſchäumende Fluth. Ein ſchriller Pfiff folgt dem andern; bald vernimmt
man dumpfes Summen, wie aus einem rieſigen Bienenkorbe, dem nach und nach
ein ſchwaches, in der Folge ein intenſives Getöſe folgt. Die rußigen Eſſen be-
ginnen zu flammen und wo pechſchwarze Rauchwolken aufwirbeln, pocht mächtiger
Hammerſchlag. Bald raſſelt es an allen Ecken und Enden, das Meer ſchäumt auf
und buntes Gewimmel drängt ſich von Deck zu Deck, von Gebäude zu Gebäude.
Das monotone Geklapper der Kalfaterer und Zimmerleute miſcht ſich in das
dumpfe Geraſſel aus der Schiffsſchmiede und den dröhnenden Hammerſchlägen
von den Stapelplätzen. ... Ueberall Leben und Bewegung! Tauſende Hände regen
ſich und ſie bemeiſtern den gewaltigen Titanen Dampf, den dienſtbaren Geiſt der
modernen Cyklopen. Er ſetzt die ſchweren Rieſenhämmer in Bewegung, daß die
Erde weit im Umkreiſe erzittert; ungeheure Geſchütze verſetzt er ſpielend vom
Land in die Thürme und Caſematten, oder er zieht die Panzerkoloſſe ſelbſt mittelſt
gewaltiger Maſchinen ans Land. Hier ſchneidet er mehrere Centimeter dicke Eiſen-
bleche, als wären ſie Pappdeckel, dort wieder treibt er mehrere Centimeter tiefe Niet-
löcher in Stahlplatten, leicht und geräuſchlos, wie eine Näherin ihre Leinwand durchſticht.
Und dennoch iſt der Eindruck, den dieſe großartige Thätigkeit auf den Be-
ſchauer aus der Ferne ausübt, nur ein beſcheidener, gegenüber den Einzelbildern,
die ſich an dem Auge in raſchem, betäubendem Wechſel vorüberdrängen, wenn man
die einzelnen Arbeitsſtätten beſucht. Wir ſtehen nun an den Quais und haben
jene Koloſſe, welche beim Anblicke aus der Ferne nicht gar ſo gewaltig impo-
nirten, unmittelbar vor uns. An armdicken Tauen oder Drahtſeilen oder ſchweren
Ankerketten liegen ſie am Ufer vertäut. Schwarze oder graue Eiſenthürme ſteigen
aus der ſalzigen Fluth. Sie gelten als Stoß- und Kugelfeſt und der Stolz des
Seemanns nennt ſie die »Unverwundbaren«. Die Medaille hat aber ihre Kehr-
ſeite. Wir ſchreiten durch einen dunklen Thorgang und weiterhin auf einen freien
Platz, wo Panzerplatten der Reihe nach aufgeſtellt ſind: ſprechende Zeugen der
verheerenden Wirkung moderner Rieſengeſchütze. Die Projectile ſtecken tief in den
ſtählernen Platten und manche derſelben ſind auf der Rückſeite geborſten. Bei den
dünneren Platten iſt alles zerfetzt, zerſplittert, und aus den unheimlichen Breſchen
ragen die Projectile noch ein Stück heraus.
Wir finden die Unholde, welche ſolche Zerſtörungen anrichten, in einem ge-
räumigen Gebäude, wo ſie, mächtigen dunklen Schlangen gleich, auf proviſoriſchen
Bettungen liegen, zu Häupten mächtige Laufkrähne, mittelſt welchen die Geſchütz-
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/708>, abgerufen am 25.11.2024.
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