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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.

Was die ganz exorbitante Höhe der Wellenberge anbetrifft, sind einzelne
Meeresabschnitte in diesem Sinne besonders berüchtigt. In dem stürmischen, von
ungeheueren Wassermassen aufgewühlten Golf von Biscaya, der im Laufe der
Jahrhunderte unzählige Schiffe verschlungen hat, sind Wellenberge bis zu 10 Meter
Höhe geschätz worden. Am Cap der guten Hoffnung sollen sie zuweilen die Höhe von
18 Meter und darüber erreichen. Uebrigens sind 15 Meter hohe Wellenberge auch
im Atlantischen Ocean beobachtet worden. Im Stillen Ocean wollen Seefahrer ge-
legentlich der auf vernichtende Gewalt auftretenden Wirbelstürme den Kampf mit
Wogenmassen von 20 Meter und darüber bestanden haben. Die größte je ge-
machte Schätzung spricht von 30 Meter, doch ist dies offenbar eine Ueber-
treibung.

Wie nicht anders zu denken, geht die Wellenbewegung auch in die Tiefe.
Die Ansichten über das Maß dieser Tiefenbewegung weichen von einander be-
trächtlich ab. Durchschnittlich soll die Wellenbewegung kaum über 30 Meter unter
das normale Meeresniveau reichen. Auf welchen Voraussetzungen diese Annahme
fußt, ist nicht bekannt; Siau will beispielsweise noch in 180 Meter Tiefe
die Bewegung des erregten Meeres festgestellt haben, und die Brüder Weber,
welche sich mit diesem Gegenstande eingehend beschäftigt haben, geben eine be-
stimmte Regel für den Grad der Mitleidenschaft an, in welche die Tiefsee durch
die Schwankungen der Meeresoberfläche versetzt wird, und bemessen denselben mit
der 350fachen Höhe des Wellenberges. Das gäbe bei einer Wellenhöhe von
10 Meter eine Aufwühlung des Meeres bis zu der enormen Tiefe von 3500 Meter,
was ganz unmöglich ist.

Etwas anders verhält es sich mit der Schätzung der Länge und Breite der
Wellen. Die Breite wird von Spitze zu Spitze zweier Wellenberge gemessen, und
beträgt dieselbe in der Regel das zehn- bis zwölffache der Höhe. Es haben
also Wellenberge von 3 Meter Höhe ein 30 bis 40 Meter breites Wellenthal
zwischen sich, Wogenmassen von 20 Meter Höhe Thäler von 200 bis 240 Meter.
Die Länge der Wellen ist natürlich noch viel bedeutender und wurde in sehr
stürmischen Meeren bis auf 500 Meter geschätzt. Diese Ziffern sind wohl im
Stande, uns einen Begriff von der Großartigkeit des erregten Oceans zu geben
und uns die gewaltige Kraft des empörten Elementes zu vergegenwärtigen, gegen
welche Tausende von Schiffen Tag für Tag anzukämpfen haben -- ein Kampf,
aus welchem viele der letzteren nicht als Sieger hervorgehen. Außer der rein
mechanischen Wirkung des Sturmes giebt es noch andere Ursachen, welche auf die
Vergrößerung der Wellen Einfluß nehmen. Diese Ursachen sind hauptsächlich
zweierlei Art: Die Bereinigung mehrerer, nach einer Richtung fortschreitender
kleinerer Wellen, ferner der Druck, durch welchen jede vorausgehende Welle
die ihr zunächst folgende unterstützt und vergrößert, oder auch neue Wellen nach
sich erregt. Auch die Durchkreuzung von Wellen, die sich in verschiedener Richtung
bewegen, verursacht eine Vergrößerung der Wellenberge. Solche Wogen gehen meist

Erſter Abſchnitt.

Was die ganz exorbitante Höhe der Wellenberge anbetrifft, ſind einzelne
Meeresabſchnitte in dieſem Sinne beſonders berüchtigt. In dem ſtürmiſchen, von
ungeheueren Waſſermaſſen aufgewühlten Golf von Biſcaya, der im Laufe der
Jahrhunderte unzählige Schiffe verſchlungen hat, ſind Wellenberge bis zu 10 Meter
Höhe geſchätz worden. Am Cap der guten Hoffnung ſollen ſie zuweilen die Höhe von
18 Meter und darüber erreichen. Uebrigens ſind 15 Meter hohe Wellenberge auch
im Atlantiſchen Ocean beobachtet worden. Im Stillen Ocean wollen Seefahrer ge-
legentlich der auf vernichtende Gewalt auftretenden Wirbelſtürme den Kampf mit
Wogenmaſſen von 20 Meter und darüber beſtanden haben. Die größte je ge-
machte Schätzung ſpricht von 30 Meter, doch iſt dies offenbar eine Ueber-
treibung.

Wie nicht anders zu denken, geht die Wellenbewegung auch in die Tiefe.
Die Anſichten über das Maß dieſer Tiefenbewegung weichen von einander be-
trächtlich ab. Durchſchnittlich ſoll die Wellenbewegung kaum über 30 Meter unter
das normale Meeresniveau reichen. Auf welchen Vorausſetzungen dieſe Annahme
fußt, iſt nicht bekannt; Siau will beiſpielsweiſe noch in 180 Meter Tiefe
die Bewegung des erregten Meeres feſtgeſtellt haben, und die Brüder Weber,
welche ſich mit dieſem Gegenſtande eingehend beſchäftigt haben, geben eine be-
ſtimmte Regel für den Grad der Mitleidenſchaft an, in welche die Tiefſee durch
die Schwankungen der Meeresoberfläche verſetzt wird, und bemeſſen denſelben mit
der 350fachen Höhe des Wellenberges. Das gäbe bei einer Wellenhöhe von
10 Meter eine Aufwühlung des Meeres bis zu der enormen Tiefe von 3500 Meter,
was ganz unmöglich iſt.

Etwas anders verhält es ſich mit der Schätzung der Länge und Breite der
Wellen. Die Breite wird von Spitze zu Spitze zweier Wellenberge gemeſſen, und
beträgt dieſelbe in der Regel das zehn- bis zwölffache der Höhe. Es haben
alſo Wellenberge von 3 Meter Höhe ein 30 bis 40 Meter breites Wellenthal
zwiſchen ſich, Wogenmaſſen von 20 Meter Höhe Thäler von 200 bis 240 Meter.
Die Länge der Wellen iſt natürlich noch viel bedeutender und wurde in ſehr
ſtürmiſchen Meeren bis auf 500 Meter geſchätzt. Dieſe Ziffern ſind wohl im
Stande, uns einen Begriff von der Großartigkeit des erregten Oceans zu geben
und uns die gewaltige Kraft des empörten Elementes zu vergegenwärtigen, gegen
welche Tauſende von Schiffen Tag für Tag anzukämpfen haben — ein Kampf,
aus welchem viele der letzteren nicht als Sieger hervorgehen. Außer der rein
mechaniſchen Wirkung des Sturmes giebt es noch andere Urſachen, welche auf die
Vergrößerung der Wellen Einfluß nehmen. Dieſe Urſachen ſind hauptſächlich
zweierlei Art: Die Bereinigung mehrerer, nach einer Richtung fortſchreitender
kleinerer Wellen, ferner der Druck, durch welchen jede vorausgehende Welle
die ihr zunächſt folgende unterſtützt und vergrößert, oder auch neue Wellen nach
ſich erregt. Auch die Durchkreuzung von Wellen, die ſich in verſchiedener Richtung
bewegen, verurſacht eine Vergrößerung der Wellenberge. Solche Wogen gehen meiſt

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[444/0494] Erſter Abſchnitt. Was die ganz exorbitante Höhe der Wellenberge anbetrifft, ſind einzelne Meeresabſchnitte in dieſem Sinne beſonders berüchtigt. In dem ſtürmiſchen, von ungeheueren Waſſermaſſen aufgewühlten Golf von Biſcaya, der im Laufe der Jahrhunderte unzählige Schiffe verſchlungen hat, ſind Wellenberge bis zu 10 Meter Höhe geſchätz worden. Am Cap der guten Hoffnung ſollen ſie zuweilen die Höhe von 18 Meter und darüber erreichen. Uebrigens ſind 15 Meter hohe Wellenberge auch im Atlantiſchen Ocean beobachtet worden. Im Stillen Ocean wollen Seefahrer ge- legentlich der auf vernichtende Gewalt auftretenden Wirbelſtürme den Kampf mit Wogenmaſſen von 20 Meter und darüber beſtanden haben. Die größte je ge- machte Schätzung ſpricht von 30 Meter, doch iſt dies offenbar eine Ueber- treibung. Wie nicht anders zu denken, geht die Wellenbewegung auch in die Tiefe. Die Anſichten über das Maß dieſer Tiefenbewegung weichen von einander be- trächtlich ab. Durchſchnittlich ſoll die Wellenbewegung kaum über 30 Meter unter das normale Meeresniveau reichen. Auf welchen Vorausſetzungen dieſe Annahme fußt, iſt nicht bekannt; Siau will beiſpielsweiſe noch in 180 Meter Tiefe die Bewegung des erregten Meeres feſtgeſtellt haben, und die Brüder Weber, welche ſich mit dieſem Gegenſtande eingehend beſchäftigt haben, geben eine be- ſtimmte Regel für den Grad der Mitleidenſchaft an, in welche die Tiefſee durch die Schwankungen der Meeresoberfläche verſetzt wird, und bemeſſen denſelben mit der 350fachen Höhe des Wellenberges. Das gäbe bei einer Wellenhöhe von 10 Meter eine Aufwühlung des Meeres bis zu der enormen Tiefe von 3500 Meter, was ganz unmöglich iſt. Etwas anders verhält es ſich mit der Schätzung der Länge und Breite der Wellen. Die Breite wird von Spitze zu Spitze zweier Wellenberge gemeſſen, und beträgt dieſelbe in der Regel das zehn- bis zwölffache der Höhe. Es haben alſo Wellenberge von 3 Meter Höhe ein 30 bis 40 Meter breites Wellenthal zwiſchen ſich, Wogenmaſſen von 20 Meter Höhe Thäler von 200 bis 240 Meter. Die Länge der Wellen iſt natürlich noch viel bedeutender und wurde in ſehr ſtürmiſchen Meeren bis auf 500 Meter geſchätzt. Dieſe Ziffern ſind wohl im Stande, uns einen Begriff von der Großartigkeit des erregten Oceans zu geben und uns die gewaltige Kraft des empörten Elementes zu vergegenwärtigen, gegen welche Tauſende von Schiffen Tag für Tag anzukämpfen haben — ein Kampf, aus welchem viele der letzteren nicht als Sieger hervorgehen. Außer der rein mechaniſchen Wirkung des Sturmes giebt es noch andere Urſachen, welche auf die Vergrößerung der Wellen Einfluß nehmen. Dieſe Urſachen ſind hauptſächlich zweierlei Art: Die Bereinigung mehrerer, nach einer Richtung fortſchreitender kleinerer Wellen, ferner der Druck, durch welchen jede vorausgehende Welle die ihr zunächſt folgende unterſtützt und vergrößert, oder auch neue Wellen nach ſich erregt. Auch die Durchkreuzung von Wellen, die ſich in verſchiedener Richtung bewegen, verurſacht eine Vergrößerung der Wellenberge. Solche Wogen gehen meiſt

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/494>, abgerufen am 22.11.2024.