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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Zweiter Abschnitt.
als das Kabel. ... Das größere Eigengewicht der Kette bringt aber auch einen
entsprechend höheren Kettenzug hervor als ein leichterer Kabel, und dadurch wieder
ergiebt sich die Nothwendigkeit, die Verankerung entsprechend widerstandsfähig
zu machen, was auch erhebliche Mehrkosten für die Kette verursacht, die mit der
Größe der Spannweite wachsen."

Aus dieser Darlegung ist zu ersehen, daß der Kette ganz außergewöhnliche
Vorzüge zu eigen sein müßten, um ihr zu Liebe das Unökonomische der Construction
mit in den Kauf zu nehmen. Bei großen Spannweiten handelt es sich um Mehr-
kosten, die sich nach Millionen beziffern. Mehrtens ist nicht geneigt, zuzugeben,
daß die Kette eine größere Gewähr für gleichmäßigere Vertheilung der Spannkräfte
böte, daß sie sicherer zu untersuchen und zu unterhalten sei; dagegen giebt er
bedingungsweise zu, "daß die künftige Erneuerung einer Kette sich bequemer voll-
ziehen wird, als dies beim Kabel möglich ist". Ein Kabel, das aus einer großen
Zahl von gleich langen, in einer Länge durchgehenden dünnen Drähten besteht,
hält der genannte Fachmann für das vollkommenste Zugglied, das es giebt. Er
vermag nicht einzusehen, warum eine Kette oder irgend eine andere aus Blechen
und Formeisen genietete Construction sicherer sein sollte, als ein Kabel. Daß ein
Rosten der verschlossenen, umwickelten und durch Anstrich gehörig geschützten Kabel
eintreten könnte, ist nach den bisherigen Erfahrungen in Amerika nicht anzunehmen.
Viel leichter und viel eher rosten jedenfalls die Verbindungen unserer gewöhnlichen
eisernen Brücken, deren Sicherheit doch überall für ausreichend gehalten wird.

Was schließlich die Kosten der Lindenthal'schen Brücke anbetrifft, beziffert
sie der Projectant ohne Zulaufviaducte und ohne Bauzinsen auf 21 Millionen Dollars;
mit den Anfahrten und einer Kehrschleife in der Stadt von etwa 100 Meter Radius,
aber ohne Stationen, auf 36 Millionen, und endlich in ganzer Vollendung mit
allen Grunderwerbskosten, Bauwerken, Verzinsungen u. s. w. auf 100 Millionen
Dollars. Im letzten der vier Baujahre, in denen Lindenthal das Riesenwerk
vollenden zu können meint, werden die Zinsen für jeden Tag 5000 Dollars be-
tragen. Die erwähnten Geleisschleifen an den Enden der Anfahrten ermöglichen
einen andauernden Kreislauf und somit den glattesten Betrieb. Im Jahre 1895
wurden -- wie erwähnt -- 85 Millionen Personen und 1 1/4 Millionen Güter-
wagen neben ungezählten Fuhrwerken aller Art über den Hudson gesetzt. Linden-
thal
schätzt die voraussichtliche Zunahme des Verkehres auf rund 5 Millionen
Personen.

Wir haben gelegentlich der Besprechung der Forthbrücke gesehen, wie an
diesem gewaltigen Bauwerke der Kragträger (oder Cantileverträger), d. i. der Träger
mit freistehenden Stützpunkten, zum erstenmale in großartigen Dimensionen An-
wendung gefunden hat. Schon vor Langem vorgeschlagen (in den Sechzigerjahren),
haben die Kragträger erst in neuerer Zeit die ihnen gebührende Beachtung ge-
funden, und zwar vornehmlich deshalb, weil sie, ohne Anwendung einer Rüstung,
sehr bedeutende Oeffnungsweiten zu überspannen gestatten. In Deutschland hat das

Zweiter Abſchnitt.
als das Kabel. ... Das größere Eigengewicht der Kette bringt aber auch einen
entſprechend höheren Kettenzug hervor als ein leichterer Kabel, und dadurch wieder
ergiebt ſich die Nothwendigkeit, die Verankerung entſprechend widerſtandsfähig
zu machen, was auch erhebliche Mehrkoſten für die Kette verurſacht, die mit der
Größe der Spannweite wachſen.«

Aus dieſer Darlegung iſt zu erſehen, daß der Kette ganz außergewöhnliche
Vorzüge zu eigen ſein müßten, um ihr zu Liebe das Unökonomiſche der Conſtruction
mit in den Kauf zu nehmen. Bei großen Spannweiten handelt es ſich um Mehr-
koſten, die ſich nach Millionen beziffern. Mehrtens iſt nicht geneigt, zuzugeben,
daß die Kette eine größere Gewähr für gleichmäßigere Vertheilung der Spannkräfte
böte, daß ſie ſicherer zu unterſuchen und zu unterhalten ſei; dagegen giebt er
bedingungsweiſe zu, »daß die künftige Erneuerung einer Kette ſich bequemer voll-
ziehen wird, als dies beim Kabel möglich iſt«. Ein Kabel, das aus einer großen
Zahl von gleich langen, in einer Länge durchgehenden dünnen Drähten beſteht,
hält der genannte Fachmann für das vollkommenſte Zugglied, das es giebt. Er
vermag nicht einzuſehen, warum eine Kette oder irgend eine andere aus Blechen
und Formeiſen genietete Conſtruction ſicherer ſein ſollte, als ein Kabel. Daß ein
Roſten der verſchloſſenen, umwickelten und durch Anſtrich gehörig geſchützten Kabel
eintreten könnte, iſt nach den bisherigen Erfahrungen in Amerika nicht anzunehmen.
Viel leichter und viel eher roſten jedenfalls die Verbindungen unſerer gewöhnlichen
eiſernen Brücken, deren Sicherheit doch überall für ausreichend gehalten wird.

Was ſchließlich die Koſten der Lindenthal'ſchen Brücke anbetrifft, beziffert
ſie der Projectant ohne Zulaufviaducte und ohne Bauzinſen auf 21 Millionen Dollars;
mit den Anfahrten und einer Kehrſchleife in der Stadt von etwa 100 Meter Radius,
aber ohne Stationen, auf 36 Millionen, und endlich in ganzer Vollendung mit
allen Grunderwerbskoſten, Bauwerken, Verzinſungen u. ſ. w. auf 100 Millionen
Dollars. Im letzten der vier Baujahre, in denen Lindenthal das Rieſenwerk
vollenden zu können meint, werden die Zinſen für jeden Tag 5000 Dollars be-
tragen. Die erwähnten Geleisſchleifen an den Enden der Anfahrten ermöglichen
einen andauernden Kreislauf und ſomit den glatteſten Betrieb. Im Jahre 1895
wurden — wie erwähnt — 85 Millionen Perſonen und 1 ¼ Millionen Güter-
wagen neben ungezählten Fuhrwerken aller Art über den Hudſon geſetzt. Linden-
thal
ſchätzt die vorausſichtliche Zunahme des Verkehres auf rund 5 Millionen
Perſonen.

Wir haben gelegentlich der Beſprechung der Forthbrücke geſehen, wie an
dieſem gewaltigen Bauwerke der Kragträger (oder Cantileverträger), d. i. der Träger
mit freiſtehenden Stützpunkten, zum erſtenmale in großartigen Dimenſionen An-
wendung gefunden hat. Schon vor Langem vorgeſchlagen (in den Sechzigerjahren),
haben die Kragträger erſt in neuerer Zeit die ihnen gebührende Beachtung ge-
funden, und zwar vornehmlich deshalb, weil ſie, ohne Anwendung einer Rüſtung,
ſehr bedeutende Oeffnungsweiten zu überſpannen geſtatten. In Deutſchland hat das

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[336/0376] Zweiter Abſchnitt. als das Kabel. ... Das größere Eigengewicht der Kette bringt aber auch einen entſprechend höheren Kettenzug hervor als ein leichterer Kabel, und dadurch wieder ergiebt ſich die Nothwendigkeit, die Verankerung entſprechend widerſtandsfähig zu machen, was auch erhebliche Mehrkoſten für die Kette verurſacht, die mit der Größe der Spannweite wachſen.« Aus dieſer Darlegung iſt zu erſehen, daß der Kette ganz außergewöhnliche Vorzüge zu eigen ſein müßten, um ihr zu Liebe das Unökonomiſche der Conſtruction mit in den Kauf zu nehmen. Bei großen Spannweiten handelt es ſich um Mehr- koſten, die ſich nach Millionen beziffern. Mehrtens iſt nicht geneigt, zuzugeben, daß die Kette eine größere Gewähr für gleichmäßigere Vertheilung der Spannkräfte böte, daß ſie ſicherer zu unterſuchen und zu unterhalten ſei; dagegen giebt er bedingungsweiſe zu, »daß die künftige Erneuerung einer Kette ſich bequemer voll- ziehen wird, als dies beim Kabel möglich iſt«. Ein Kabel, das aus einer großen Zahl von gleich langen, in einer Länge durchgehenden dünnen Drähten beſteht, hält der genannte Fachmann für das vollkommenſte Zugglied, das es giebt. Er vermag nicht einzuſehen, warum eine Kette oder irgend eine andere aus Blechen und Formeiſen genietete Conſtruction ſicherer ſein ſollte, als ein Kabel. Daß ein Roſten der verſchloſſenen, umwickelten und durch Anſtrich gehörig geſchützten Kabel eintreten könnte, iſt nach den bisherigen Erfahrungen in Amerika nicht anzunehmen. Viel leichter und viel eher roſten jedenfalls die Verbindungen unſerer gewöhnlichen eiſernen Brücken, deren Sicherheit doch überall für ausreichend gehalten wird. Was ſchließlich die Koſten der Lindenthal'ſchen Brücke anbetrifft, beziffert ſie der Projectant ohne Zulaufviaducte und ohne Bauzinſen auf 21 Millionen Dollars; mit den Anfahrten und einer Kehrſchleife in der Stadt von etwa 100 Meter Radius, aber ohne Stationen, auf 36 Millionen, und endlich in ganzer Vollendung mit allen Grunderwerbskoſten, Bauwerken, Verzinſungen u. ſ. w. auf 100 Millionen Dollars. Im letzten der vier Baujahre, in denen Lindenthal das Rieſenwerk vollenden zu können meint, werden die Zinſen für jeden Tag 5000 Dollars be- tragen. Die erwähnten Geleisſchleifen an den Enden der Anfahrten ermöglichen einen andauernden Kreislauf und ſomit den glatteſten Betrieb. Im Jahre 1895 wurden — wie erwähnt — 85 Millionen Perſonen und 1 ¼ Millionen Güter- wagen neben ungezählten Fuhrwerken aller Art über den Hudſon geſetzt. Linden- thal ſchätzt die vorausſichtliche Zunahme des Verkehres auf rund 5 Millionen Perſonen. Wir haben gelegentlich der Beſprechung der Forthbrücke geſehen, wie an dieſem gewaltigen Bauwerke der Kragträger (oder Cantileverträger), d. i. der Träger mit freiſtehenden Stützpunkten, zum erſtenmale in großartigen Dimenſionen An- wendung gefunden hat. Schon vor Langem vorgeſchlagen (in den Sechzigerjahren), haben die Kragträger erſt in neuerer Zeit die ihnen gebührende Beachtung ge- funden, und zwar vornehmlich deshalb, weil ſie, ohne Anwendung einer Rüſtung, ſehr bedeutende Oeffnungsweiten zu überſpannen geſtatten. In Deutſchland hat das

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/376>, abgerufen am 22.11.2024.