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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Zweiter Abschnitt.
Kette vorzuziehen sei, empfahl aber in Zukunft die Anwendung von drei Gelenken,
wodurch der Nachtheil des Temperatureinflusses vermieden wird und das ganze
System statisch bestimmt erscheint.

Die von Eads vorgeschlagene Anordnung besteht (nach einem interessanten
Berichte des Ingenieur Steiner) darin, die Gurten nicht parallel anzunehmen,
sondern zur Erzielung größerer Steifigkeit in den Bogenrippen den Untergurt in
der Weise concav zu krümmen, daß die Gurten am Kämpfer sowie am Scheitel
zusammenlaufen, wodurch sich in der Mitte der halben Spannweite der größte
Abstand ergiebt. Eads berechnet das Gewicht einer nach dieser Anordnung con-
struirten Brücke, deren Obergurt aus Stahl besteht und die im Stande ist, auf eine
Spannweite von 150 Meter eine zufällige Last von 0.7 Tonnen für den laufenden
Meter bis zu einer Maximalbeanspruchung von 1.4 Tonnen für Stahl und
0.7 Tonnen für Schmiedeeisen zu tragen, auf 2.23 Tonnen für den laufenden
Meter. Um bei Aneinanderreihung von mehreren gleich großen Spannweiten auch
ein Mauerwerk zu ersparen, legt Eads die Bogen über die Bahn und verbindet
sie über den Mittelpfeiler durch einen gemeinschaftlichen Lagerkörper, so daß bei
unbelasteter Brücke die Schübe sich gegenseitig aufheben und die Pfeiler lediglich
einem verticalen Drucke ausgesetzt sind. Ist aber eine Oeffnung belastet, so wird
der daraus resultirende Horizontalschub durch ein Band aufgenommen, welches
die beiden Bogenenden verbindet.

Obwohl, wie wir gesehen haben, die amerikanische Brückenbautechnik in der
Anwendung der Parallelträger und des Bogensystems ganz respectable Leistungen
zu verzeichnen hat, liegt gleichwohl das Schwergewicht der modernen Constructionen
auf einem Gebiete, auf welchem die Amerikaner unbestritten die erste Stelle ein-
nehmen, d. i. auf jenem der Seilbrücke. Nirgend anderwärts hat dieses Con-
structionssystem eine so weitgehende Ausbildung erfahren und zu so großartigen
Ausführungen Anstoß gegeben, wie in der neuen Welt. Gegen die Seilbrücken
treten die Kettenbrücken ziemlich zurück, obwohl die Union die Heimat der ersten
überhaupt ausgeführten Kettenbrücken ist (1796). Etwa zwanzig Jahre später, als
man die bedeutende Zugfestigkeit des Drahtes und seine Eignung zu Seilen kennen
gelernt hatte, schritt man zur Ausführung der ersten Drahtseilbrücken. Von Nord-
amerika aus wurden die Hängebrücken den Engländern bekannt, welche fast aus-
schließlich die Kettenbrücken anwendeten und vervollkommneten. Erst in den Zwanziger-
jahren unseres Säculums wurden die amerikanischen Drahtseilbrücken und die eng-
lischen Kettenbrücken den Franzosen und Deutschen bekannt.

Die erste große Drahtseilbrücke war die seinerzeit weltberühmte "Suspensions-
Bridge", welche den Niagara mit einer Spannweite von 250 Meter eine englische
Meile unterhalb der großen Fälle übersetzte (1855). Ihr Erbauer war J. A. Röbling,
ein Ingenieur deutscher Abkunft. Die Brücke bestand aus zwei Etagen, die untere
für Wagen, Reiter und Fußgänger, die obere für die Eisenbahn. Zwischen zwei
Paaren verhältnißmäßig schlanker Pfeiler, die im Felsengrunde der Ufer fundirt

Zweiter Abſchnitt.
Kette vorzuziehen ſei, empfahl aber in Zukunft die Anwendung von drei Gelenken,
wodurch der Nachtheil des Temperatureinfluſſes vermieden wird und das ganze
Syſtem ſtatiſch beſtimmt erſcheint.

Die von Eads vorgeſchlagene Anordnung beſteht (nach einem intereſſanten
Berichte des Ingenieur Steiner) darin, die Gurten nicht parallel anzunehmen,
ſondern zur Erzielung größerer Steifigkeit in den Bogenrippen den Untergurt in
der Weiſe concav zu krümmen, daß die Gurten am Kämpfer ſowie am Scheitel
zuſammenlaufen, wodurch ſich in der Mitte der halben Spannweite der größte
Abſtand ergiebt. Eads berechnet das Gewicht einer nach dieſer Anordnung con-
ſtruirten Brücke, deren Obergurt aus Stahl beſteht und die im Stande iſt, auf eine
Spannweite von 150 Meter eine zufällige Laſt von 0‧7 Tonnen für den laufenden
Meter bis zu einer Maximalbeanſpruchung von 1‧4 Tonnen für Stahl und
0‧7 Tonnen für Schmiedeeiſen zu tragen, auf 2‧23 Tonnen für den laufenden
Meter. Um bei Aneinanderreihung von mehreren gleich großen Spannweiten auch
ein Mauerwerk zu erſparen, legt Eads die Bogen über die Bahn und verbindet
ſie über den Mittelpfeiler durch einen gemeinſchaftlichen Lagerkörper, ſo daß bei
unbelaſteter Brücke die Schübe ſich gegenſeitig aufheben und die Pfeiler lediglich
einem verticalen Drucke ausgeſetzt ſind. Iſt aber eine Oeffnung belaſtet, ſo wird
der daraus reſultirende Horizontalſchub durch ein Band aufgenommen, welches
die beiden Bogenenden verbindet.

Obwohl, wie wir geſehen haben, die amerikaniſche Brückenbautechnik in der
Anwendung der Parallelträger und des Bogenſyſtems ganz reſpectable Leiſtungen
zu verzeichnen hat, liegt gleichwohl das Schwergewicht der modernen Conſtructionen
auf einem Gebiete, auf welchem die Amerikaner unbeſtritten die erſte Stelle ein-
nehmen, d. i. auf jenem der Seilbrücke. Nirgend anderwärts hat dieſes Con-
ſtructionsſyſtem eine ſo weitgehende Ausbildung erfahren und zu ſo großartigen
Ausführungen Anſtoß gegeben, wie in der neuen Welt. Gegen die Seilbrücken
treten die Kettenbrücken ziemlich zurück, obwohl die Union die Heimat der erſten
überhaupt ausgeführten Kettenbrücken iſt (1796). Etwa zwanzig Jahre ſpäter, als
man die bedeutende Zugfeſtigkeit des Drahtes und ſeine Eignung zu Seilen kennen
gelernt hatte, ſchritt man zur Ausführung der erſten Drahtſeilbrücken. Von Nord-
amerika aus wurden die Hängebrücken den Engländern bekannt, welche faſt aus-
ſchließlich die Kettenbrücken anwendeten und vervollkommneten. Erſt in den Zwanziger-
jahren unſeres Säculums wurden die amerikaniſchen Drahtſeilbrücken und die eng-
liſchen Kettenbrücken den Franzoſen und Deutſchen bekannt.

Die erſte große Drahtſeilbrücke war die ſeinerzeit weltberühmte »Suspenſions-
Bridge«, welche den Niagara mit einer Spannweite von 250 Meter eine engliſche
Meile unterhalb der großen Fälle überſetzte (1855). Ihr Erbauer war J. A. Röbling,
ein Ingenieur deutſcher Abkunft. Die Brücke beſtand aus zwei Etagen, die untere
für Wagen, Reiter und Fußgänger, die obere für die Eiſenbahn. Zwiſchen zwei
Paaren verhältnißmäßig ſchlanker Pfeiler, die im Felſengrunde der Ufer fundirt

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[322/0362] Zweiter Abſchnitt. Kette vorzuziehen ſei, empfahl aber in Zukunft die Anwendung von drei Gelenken, wodurch der Nachtheil des Temperatureinfluſſes vermieden wird und das ganze Syſtem ſtatiſch beſtimmt erſcheint. Die von Eads vorgeſchlagene Anordnung beſteht (nach einem intereſſanten Berichte des Ingenieur Steiner) darin, die Gurten nicht parallel anzunehmen, ſondern zur Erzielung größerer Steifigkeit in den Bogenrippen den Untergurt in der Weiſe concav zu krümmen, daß die Gurten am Kämpfer ſowie am Scheitel zuſammenlaufen, wodurch ſich in der Mitte der halben Spannweite der größte Abſtand ergiebt. Eads berechnet das Gewicht einer nach dieſer Anordnung con- ſtruirten Brücke, deren Obergurt aus Stahl beſteht und die im Stande iſt, auf eine Spannweite von 150 Meter eine zufällige Laſt von 0‧7 Tonnen für den laufenden Meter bis zu einer Maximalbeanſpruchung von 1‧4 Tonnen für Stahl und 0‧7 Tonnen für Schmiedeeiſen zu tragen, auf 2‧23 Tonnen für den laufenden Meter. Um bei Aneinanderreihung von mehreren gleich großen Spannweiten auch ein Mauerwerk zu erſparen, legt Eads die Bogen über die Bahn und verbindet ſie über den Mittelpfeiler durch einen gemeinſchaftlichen Lagerkörper, ſo daß bei unbelaſteter Brücke die Schübe ſich gegenſeitig aufheben und die Pfeiler lediglich einem verticalen Drucke ausgeſetzt ſind. Iſt aber eine Oeffnung belaſtet, ſo wird der daraus reſultirende Horizontalſchub durch ein Band aufgenommen, welches die beiden Bogenenden verbindet. Obwohl, wie wir geſehen haben, die amerikaniſche Brückenbautechnik in der Anwendung der Parallelträger und des Bogenſyſtems ganz reſpectable Leiſtungen zu verzeichnen hat, liegt gleichwohl das Schwergewicht der modernen Conſtructionen auf einem Gebiete, auf welchem die Amerikaner unbeſtritten die erſte Stelle ein- nehmen, d. i. auf jenem der Seilbrücke. Nirgend anderwärts hat dieſes Con- ſtructionsſyſtem eine ſo weitgehende Ausbildung erfahren und zu ſo großartigen Ausführungen Anſtoß gegeben, wie in der neuen Welt. Gegen die Seilbrücken treten die Kettenbrücken ziemlich zurück, obwohl die Union die Heimat der erſten überhaupt ausgeführten Kettenbrücken iſt (1796). Etwa zwanzig Jahre ſpäter, als man die bedeutende Zugfeſtigkeit des Drahtes und ſeine Eignung zu Seilen kennen gelernt hatte, ſchritt man zur Ausführung der erſten Drahtſeilbrücken. Von Nord- amerika aus wurden die Hängebrücken den Engländern bekannt, welche faſt aus- ſchließlich die Kettenbrücken anwendeten und vervollkommneten. Erſt in den Zwanziger- jahren unſeres Säculums wurden die amerikaniſchen Drahtſeilbrücken und die eng- liſchen Kettenbrücken den Franzoſen und Deutſchen bekannt. Die erſte große Drahtſeilbrücke war die ſeinerzeit weltberühmte »Suspenſions- Bridge«, welche den Niagara mit einer Spannweite von 250 Meter eine engliſche Meile unterhalb der großen Fälle überſetzte (1855). Ihr Erbauer war J. A. Röbling, ein Ingenieur deutſcher Abkunft. Die Brücke beſtand aus zwei Etagen, die untere für Wagen, Reiter und Fußgänger, die obere für die Eiſenbahn. Zwiſchen zwei Paaren verhältnißmäßig ſchlanker Pfeiler, die im Felſengrunde der Ufer fundirt

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/362>, abgerufen am 22.11.2024.