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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Der eiserne Brückenbau.
Spannungen sammt den eisernen Tragsäulen waren spurlos in den Wellen ver-
schwunden.

Das bedeutendste moderne Brückenwerk Englands ist die Brücke über den
Meerescanal des Firth of Forth. Sie ist nach dem Principe der Kragträger gebaut
und hervorragend durch den kolossalen Aufwand von Material, durch die Kühn-
heit ihrer Anlage und die bedeutenden Schwierigkeiten, welche die Fundamentirung
der Pfeiler mit sich brachte. Vom ästhetischen Standpunkte befriedigt sie nicht, doch
mag zur Entschuldigung ihrer Erbauer hervorgehoben werden, daß in Folge der
Nothwendigkeit großer Spannweiten einerseits und bedeutender Höhe über dem
Wasserspiegel andererseits die gewaltige Dimensionirung der constructiven Theile
zwingend gegeben war und die Anwendung des Kragsystems eine Entlastung der
Massen nicht gestattete. Dadurch hat das Bauwerk jene schwerfällige, plumpe Ge-
stalt erhalten, die zwar nichts weniger als schön genannt werden kann, indeß durch-
aus dem Zweckmäßigkeitsprincipe entspricht. Mit diesem Riesenwerke wurde ein
Umweg von nicht weniger als 240 Kilometer erspart.

Die Forthbrücke hat übrigens eine eigenartige Vorgeschichte. Bereits im Jahre
1873 hatte sich die betreffende Baugesellschaft constituirt, um das vom Ingenieur
Thomas Bouch (einem der Erbauer der Taybrücke) ausgearbeitete Project zur
Ausführung zu bringen. Es war eine ungemein kühne Hängebrücke mit zwei Oeff-
nungen von je 480 Meter. Schon waren die beiden Brückenthürme an den Land-
seiten in Angriff genommen, als während eines heftigen Sturmes am Abend des
24. December 1879 der theilweise Einsturz der Taybrücke erfolgte. Dadurch wurde
die Forth-Company stutzig gemacht und sie zog in Erwägung, ob die projectirte
Hängebrücke dem Winddrucke einen hinreichenden Widerstand entgegensetzen würde.
Das Ergebniß der Untersuchung ließ berechtigte Zweifel über die Zweckmäßigkeit
der gewählten Construction aufkommen, und die Folge war, daß sie gänzlich ver-
worfen und ein mittlerweile von den Ingenieuren Fowler und Baker ausge-
arbeitetes Project nach dem Kragsystem zur Durchführung angenommen wurde.

Die Stelle des Firth of Forth, wo sie die Riesenbrücke übersetzt, ist 1.9 Kilo-
meter breit. Da aber ein kleines Inselchen in der Richtungslinie lag, war es mög-
lich, in dessen unmittelbarer Nähe einen sicheren Standort zu gewinnen und damit
die Brücke in zwei Spannungen von je 521 Meter Oeffnung herzustellen. Jeder
der Hauptpfeiler, welche sich bis zu 106 Meter über dem Fluthspiegel des Meeres-
armes erheben, besteht aus vier mächtigen stählernen Säulen, welche durch horizon-
tale und diagonale Streben miteinander versteift und etwas einwärts geneigt sind,
so daß deren Abstand von einander an der Basis 35.5 Meter, an der Spitze
9.7 Meter beträgt. Die Pfeiler stehen auf granitenen Sockeln, deren Fundirung
erhebliche Schwierigkeiten verursachte.

Das Gewicht der Pfeilerthürme betrug: für jenen auf dem Inselchen
4060 Tonnen, für den Nord- und den Südthurm je 46.180 Tonnen. Die Brücke
selbst erforderte 50.000 Tonnen Stahl, die Pfeiler nebenher 18.000 Tonnen

Der eiſerne Brückenbau.
Spannungen ſammt den eiſernen Tragſäulen waren ſpurlos in den Wellen ver-
ſchwunden.

Das bedeutendſte moderne Brückenwerk Englands iſt die Brücke über den
Meerescanal des Firth of Forth. Sie iſt nach dem Principe der Kragträger gebaut
und hervorragend durch den koloſſalen Aufwand von Material, durch die Kühn-
heit ihrer Anlage und die bedeutenden Schwierigkeiten, welche die Fundamentirung
der Pfeiler mit ſich brachte. Vom äſthetiſchen Standpunkte befriedigt ſie nicht, doch
mag zur Entſchuldigung ihrer Erbauer hervorgehoben werden, daß in Folge der
Nothwendigkeit großer Spannweiten einerſeits und bedeutender Höhe über dem
Waſſerſpiegel andererſeits die gewaltige Dimenſionirung der conſtructiven Theile
zwingend gegeben war und die Anwendung des Kragſyſtems eine Entlaſtung der
Maſſen nicht geſtattete. Dadurch hat das Bauwerk jene ſchwerfällige, plumpe Ge-
ſtalt erhalten, die zwar nichts weniger als ſchön genannt werden kann, indeß durch-
aus dem Zweckmäßigkeitsprincipe entſpricht. Mit dieſem Rieſenwerke wurde ein
Umweg von nicht weniger als 240 Kilometer erſpart.

Die Forthbrücke hat übrigens eine eigenartige Vorgeſchichte. Bereits im Jahre
1873 hatte ſich die betreffende Baugeſellſchaft conſtituirt, um das vom Ingenieur
Thomas Bouch (einem der Erbauer der Taybrücke) ausgearbeitete Project zur
Ausführung zu bringen. Es war eine ungemein kühne Hängebrücke mit zwei Oeff-
nungen von je 480 Meter. Schon waren die beiden Brückenthürme an den Land-
ſeiten in Angriff genommen, als während eines heftigen Sturmes am Abend des
24. December 1879 der theilweiſe Einſturz der Taybrücke erfolgte. Dadurch wurde
die Forth-Company ſtutzig gemacht und ſie zog in Erwägung, ob die projectirte
Hängebrücke dem Winddrucke einen hinreichenden Widerſtand entgegenſetzen würde.
Das Ergebniß der Unterſuchung ließ berechtigte Zweifel über die Zweckmäßigkeit
der gewählten Conſtruction aufkommen, und die Folge war, daß ſie gänzlich ver-
worfen und ein mittlerweile von den Ingenieuren Fowler und Baker ausge-
arbeitetes Project nach dem Kragſyſtem zur Durchführung angenommen wurde.

Die Stelle des Firth of Forth, wo ſie die Rieſenbrücke überſetzt, iſt 1‧9 Kilo-
meter breit. Da aber ein kleines Inſelchen in der Richtungslinie lag, war es mög-
lich, in deſſen unmittelbarer Nähe einen ſicheren Standort zu gewinnen und damit
die Brücke in zwei Spannungen von je 521 Meter Oeffnung herzuſtellen. Jeder
der Hauptpfeiler, welche ſich bis zu 106 Meter über dem Fluthſpiegel des Meeres-
armes erheben, beſteht aus vier mächtigen ſtählernen Säulen, welche durch horizon-
tale und diagonale Streben miteinander verſteift und etwas einwärts geneigt ſind,
ſo daß deren Abſtand von einander an der Baſis 35‧5 Meter, an der Spitze
9‧7 Meter beträgt. Die Pfeiler ſtehen auf granitenen Sockeln, deren Fundirung
erhebliche Schwierigkeiten verurſachte.

Das Gewicht der Pfeilerthürme betrug: für jenen auf dem Inſelchen
4060 Tonnen, für den Nord- und den Südthurm je 46.180 Tonnen. Die Brücke
ſelbſt erforderte 50.000 Tonnen Stahl, die Pfeiler nebenher 18.000 Tonnen

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[277/0313] Der eiſerne Brückenbau. Spannungen ſammt den eiſernen Tragſäulen waren ſpurlos in den Wellen ver- ſchwunden. Das bedeutendſte moderne Brückenwerk Englands iſt die Brücke über den Meerescanal des Firth of Forth. Sie iſt nach dem Principe der Kragträger gebaut und hervorragend durch den koloſſalen Aufwand von Material, durch die Kühn- heit ihrer Anlage und die bedeutenden Schwierigkeiten, welche die Fundamentirung der Pfeiler mit ſich brachte. Vom äſthetiſchen Standpunkte befriedigt ſie nicht, doch mag zur Entſchuldigung ihrer Erbauer hervorgehoben werden, daß in Folge der Nothwendigkeit großer Spannweiten einerſeits und bedeutender Höhe über dem Waſſerſpiegel andererſeits die gewaltige Dimenſionirung der conſtructiven Theile zwingend gegeben war und die Anwendung des Kragſyſtems eine Entlaſtung der Maſſen nicht geſtattete. Dadurch hat das Bauwerk jene ſchwerfällige, plumpe Ge- ſtalt erhalten, die zwar nichts weniger als ſchön genannt werden kann, indeß durch- aus dem Zweckmäßigkeitsprincipe entſpricht. Mit dieſem Rieſenwerke wurde ein Umweg von nicht weniger als 240 Kilometer erſpart. Die Forthbrücke hat übrigens eine eigenartige Vorgeſchichte. Bereits im Jahre 1873 hatte ſich die betreffende Baugeſellſchaft conſtituirt, um das vom Ingenieur Thomas Bouch (einem der Erbauer der Taybrücke) ausgearbeitete Project zur Ausführung zu bringen. Es war eine ungemein kühne Hängebrücke mit zwei Oeff- nungen von je 480 Meter. Schon waren die beiden Brückenthürme an den Land- ſeiten in Angriff genommen, als während eines heftigen Sturmes am Abend des 24. December 1879 der theilweiſe Einſturz der Taybrücke erfolgte. Dadurch wurde die Forth-Company ſtutzig gemacht und ſie zog in Erwägung, ob die projectirte Hängebrücke dem Winddrucke einen hinreichenden Widerſtand entgegenſetzen würde. Das Ergebniß der Unterſuchung ließ berechtigte Zweifel über die Zweckmäßigkeit der gewählten Conſtruction aufkommen, und die Folge war, daß ſie gänzlich ver- worfen und ein mittlerweile von den Ingenieuren Fowler und Baker ausge- arbeitetes Project nach dem Kragſyſtem zur Durchführung angenommen wurde. Die Stelle des Firth of Forth, wo ſie die Rieſenbrücke überſetzt, iſt 1‧9 Kilo- meter breit. Da aber ein kleines Inſelchen in der Richtungslinie lag, war es mög- lich, in deſſen unmittelbarer Nähe einen ſicheren Standort zu gewinnen und damit die Brücke in zwei Spannungen von je 521 Meter Oeffnung herzuſtellen. Jeder der Hauptpfeiler, welche ſich bis zu 106 Meter über dem Fluthſpiegel des Meeres- armes erheben, beſteht aus vier mächtigen ſtählernen Säulen, welche durch horizon- tale und diagonale Streben miteinander verſteift und etwas einwärts geneigt ſind, ſo daß deren Abſtand von einander an der Baſis 35‧5 Meter, an der Spitze 9‧7 Meter beträgt. Die Pfeiler ſtehen auf granitenen Sockeln, deren Fundirung erhebliche Schwierigkeiten verurſachte. Das Gewicht der Pfeilerthürme betrug: für jenen auf dem Inſelchen 4060 Tonnen, für den Nord- und den Südthurm je 46.180 Tonnen. Die Brücke ſelbſt erforderte 50.000 Tonnen Stahl, die Pfeiler nebenher 18.000 Tonnen

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/313>, abgerufen am 22.11.2024.