Ein ganz anderes Bild, als uns die bisher beschriebenen Werkstätten dar- boten, vermittelt die große Bessemeranlage der Krupp'schen Fabrik. Sie steht seit vierthalb Jahrzehnten in Betrieb und wurde in einer Zeit ins Leben gerufen, als der Bessemerproceß noch in den Kinderschuhen steckte. Man kann also sagen, daß der letztere, obwohl eine englische Erfindung, durch den Scharfblick und eisernen Unternehmungsgeist Alfred Krupp's in Deutschland seine Entwickelung beziehungsweise seine Anwendung in großem Maßstabe fand. Als in England das Verfahren noch mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, producirte man in Essen bereits 130.000 Tonnen jährlich.
Der Anblick, den uns das Innere des Bessemerwerkes darbietet, weicht -- wie bereits angedeutet -- bezüglich des hier herrschenden Lebens wesentlich von anderen Betrieben ab. Ohrenbetäubendes Geräusch und ein sinnverwirrendes Durch- einander von Qualm, Funkensprühen, Krahngerassel und Arbeiterthätigkeit empfängt den Besucher. Er bekommt hiervon schon einen Vorgeschmack, wenn er von außen her (der Limbecker-Chaussee) dem Werke sich naht. Die zeitweilig aufflammende Helle hinter den Fenstern der Halle, die aus den Essen ausgestoßene Gluth in Verbindung mit dem bezaubernden Schauspiel irrlichternder Funken bereiten ihn auf das zu Schauende vor.
Die bauliche Anlage des Bessemerwerkes zeigt die gleiche Anordnung wie die bisher beschriebenen Werke. Es ist eine mächtige dreischiffige Halle, deren mittlere, bei einer Breite von 19 Meter, die kreisrunden Gießlöche rund die zu den Gießopera- tionen beziehungsweise zur Fortschaffung der gegossenen Blöcke erforderlichen Krahne aufweist. Die Converter, je vier, stehen sich zu beiden Seiten des Gießraumes gegen- über, in einer Ueberhöhung von 4 Meter über der Hüttensohle. An der Rückseite der Converterreihe laufen 10 Meter breite Galerien, während auf der anderen Seite auf untermauerter Plattform die Umschmelzöfen nebst ihren Vorherden zu erblicken sind. Die Beschickung dieser letzteren mittelst Bahn erfolgt noch ein Stockwerk höher. Außer den acht in der Mittelhalle aufgestellten Convertern ist noch ein neunter an einer der beiden Giebelseiten vorhanden.
Die verblüffende Vielgestaltigkeit des sich in dieser Hütte abspielenden Lebens beruht auf der zeitlichen Ungleichheit der Operationen. Ueber das Verfahren selbst ist der Leser so gut unterrichtet, daß hierüber nichts mehr nachzutragen ist. Er kann sich also mit dem Aufwande einiger Einbildungskraft die einzelnen Stadien des Processes vorstellen. Wie erinnerlich, findet beim Bessemern die Entkohlung der flüssigen Roheisenmasse in der Weise statt, daß durch ein mächtiges Gebläse durch einen der beiden Drehzapfen, an welchen die in der Verticalebene drehbare "Birne" und weiter mittelst Leitung durch hunderte von Windpfeifen im Boden der Birne, mit großer Kraft durch die Schmelzmasse hindurchgetrieben wird. Eine Charge von etwa 5 Tonnen ist in 10 bis 12 Minuten völlig entkohlt und kann vor dem Vergießen nach Bedarf rückgekohlt werden.
Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 10
Hüttenwerke.
Ein ganz anderes Bild, als uns die bisher beſchriebenen Werkſtätten dar- boten, vermittelt die große Beſſemeranlage der Krupp'ſchen Fabrik. Sie ſteht ſeit vierthalb Jahrzehnten in Betrieb und wurde in einer Zeit ins Leben gerufen, als der Beſſemerproceß noch in den Kinderſchuhen ſteckte. Man kann alſo ſagen, daß der letztere, obwohl eine engliſche Erfindung, durch den Scharfblick und eiſernen Unternehmungsgeiſt Alfred Krupp's in Deutſchland ſeine Entwickelung beziehungsweiſe ſeine Anwendung in großem Maßſtabe fand. Als in England das Verfahren noch mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, producirte man in Eſſen bereits 130.000 Tonnen jährlich.
Der Anblick, den uns das Innere des Beſſemerwerkes darbietet, weicht — wie bereits angedeutet — bezüglich des hier herrſchenden Lebens weſentlich von anderen Betrieben ab. Ohrenbetäubendes Geräuſch und ein ſinnverwirrendes Durch- einander von Qualm, Funkenſprühen, Krahngeraſſel und Arbeiterthätigkeit empfängt den Beſucher. Er bekommt hiervon ſchon einen Vorgeſchmack, wenn er von außen her (der Limbecker-Chauſſee) dem Werke ſich naht. Die zeitweilig aufflammende Helle hinter den Fenſtern der Halle, die aus den Eſſen ausgeſtoßene Gluth in Verbindung mit dem bezaubernden Schauſpiel irrlichternder Funken bereiten ihn auf das zu Schauende vor.
Die bauliche Anlage des Beſſemerwerkes zeigt die gleiche Anordnung wie die bisher beſchriebenen Werke. Es iſt eine mächtige dreiſchiffige Halle, deren mittlere, bei einer Breite von 19 Meter, die kreisrunden Gießlöche rund die zu den Gießopera- tionen beziehungsweiſe zur Fortſchaffung der gegoſſenen Blöcke erforderlichen Krahne aufweiſt. Die Converter, je vier, ſtehen ſich zu beiden Seiten des Gießraumes gegen- über, in einer Ueberhöhung von 4 Meter über der Hüttenſohle. An der Rückſeite der Converterreihe laufen 10 Meter breite Galerien, während auf der anderen Seite auf untermauerter Plattform die Umſchmelzöfen nebſt ihren Vorherden zu erblicken ſind. Die Beſchickung dieſer letzteren mittelſt Bahn erfolgt noch ein Stockwerk höher. Außer den acht in der Mittelhalle aufgeſtellten Convertern iſt noch ein neunter an einer der beiden Giebelſeiten vorhanden.
Die verblüffende Vielgeſtaltigkeit des ſich in dieſer Hütte abſpielenden Lebens beruht auf der zeitlichen Ungleichheit der Operationen. Ueber das Verfahren ſelbſt iſt der Leſer ſo gut unterrichtet, daß hierüber nichts mehr nachzutragen iſt. Er kann ſich alſo mit dem Aufwande einiger Einbildungskraft die einzelnen Stadien des Proceſſes vorſtellen. Wie erinnerlich, findet beim Beſſemern die Entkohlung der flüſſigen Roheiſenmaſſe in der Weiſe ſtatt, daß durch ein mächtiges Gebläſe durch einen der beiden Drehzapfen, an welchen die in der Verticalebene drehbare »Birne« und weiter mittelſt Leitung durch hunderte von Windpfeifen im Boden der Birne, mit großer Kraft durch die Schmelzmaſſe hindurchgetrieben wird. Eine Charge von etwa 5 Tonnen iſt in 10 bis 12 Minuten völlig entkohlt und kann vor dem Vergießen nach Bedarf rückgekohlt werden.
Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 10
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Hüttenwerke.
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ſeit vierthalb Jahrzehnten in Betrieb und wurde in einer Zeit ins Leben gerufen,
als der Beſſemerproceß noch in den Kinderſchuhen ſteckte. Man kann alſo ſagen,
daß der letztere, obwohl eine engliſche Erfindung, durch den Scharfblick und
eiſernen Unternehmungsgeiſt Alfred Krupp's in Deutſchland ſeine Entwickelung
beziehungsweiſe ſeine Anwendung in großem Maßſtabe fand. Als in England das
Verfahren noch mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, producirte man in
Eſſen bereits 130.000 Tonnen jährlich.
Der Anblick, den uns das Innere des Beſſemerwerkes darbietet, weicht —
wie bereits angedeutet — bezüglich des hier herrſchenden Lebens weſentlich von
anderen Betrieben ab. Ohrenbetäubendes Geräuſch und ein ſinnverwirrendes Durch-
einander von Qualm, Funkenſprühen, Krahngeraſſel und Arbeiterthätigkeit empfängt
den Beſucher. Er bekommt hiervon ſchon einen Vorgeſchmack, wenn er von außen
her (der Limbecker-Chauſſee) dem Werke ſich naht. Die zeitweilig aufflammende
Helle hinter den Fenſtern der Halle, die aus den Eſſen ausgeſtoßene Gluth in
Verbindung mit dem bezaubernden Schauſpiel irrlichternder Funken bereiten ihn
auf das zu Schauende vor.
Die bauliche Anlage des Beſſemerwerkes zeigt die gleiche Anordnung wie die
bisher beſchriebenen Werke. Es iſt eine mächtige dreiſchiffige Halle, deren mittlere,
bei einer Breite von 19 Meter, die kreisrunden Gießlöche rund die zu den Gießopera-
tionen beziehungsweiſe zur Fortſchaffung der gegoſſenen Blöcke erforderlichen Krahne
aufweiſt. Die Converter, je vier, ſtehen ſich zu beiden Seiten des Gießraumes gegen-
über, in einer Ueberhöhung von 4 Meter über der Hüttenſohle. An der Rückſeite
der Converterreihe laufen 10 Meter breite Galerien, während auf der anderen Seite
auf untermauerter Plattform die Umſchmelzöfen nebſt ihren Vorherden zu erblicken
ſind. Die Beſchickung dieſer letzteren mittelſt Bahn erfolgt noch ein Stockwerk höher.
Außer den acht in der Mittelhalle aufgeſtellten Convertern iſt noch ein neunter an
einer der beiden Giebelſeiten vorhanden.
Die verblüffende Vielgeſtaltigkeit des ſich in dieſer Hütte abſpielenden Lebens
beruht auf der zeitlichen Ungleichheit der Operationen. Ueber das Verfahren ſelbſt
iſt der Leſer ſo gut unterrichtet, daß hierüber nichts mehr nachzutragen iſt. Er
kann ſich alſo mit dem Aufwande einiger Einbildungskraft die einzelnen Stadien
des Proceſſes vorſtellen. Wie erinnerlich, findet beim Beſſemern die Entkohlung
der flüſſigen Roheiſenmaſſe in der Weiſe ſtatt, daß durch ein mächtiges Gebläſe
durch einen der beiden Drehzapfen, an welchen die in der Verticalebene drehbare
»Birne« und weiter mittelſt Leitung durch hunderte von Windpfeifen im Boden
der Birne, mit großer Kraft durch die Schmelzmaſſe hindurchgetrieben wird. Eine
Charge von etwa 5 Tonnen iſt in 10 bis 12 Minuten völlig entkohlt und kann
vor dem Vergießen nach Bedarf rückgekohlt werden.
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/173>, abgerufen am 21.11.2024.
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