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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Zur älteren Literatur der Armenier.
-- Sohn der Sonne, noch zuletzt bei den Sabiern in Haran
hoch in Ehren gehalten)1, die Gregor zertrümmerte und zu
Cultusstätten des alleinigen Gottes einweihte2. In den Berg-
grotten finden sich auch natürliche Galerien, die Grüfte arme-
nischer Könige3, deren erlauchte Cadaver die Stürme der Zeit
(wie jene der helleno-pontischen Dynastie zu Amasia)4 in alle
Winde gefegt hatten. --

Mit Abschluß unseres Ueberblickes auf Hoch-Armenien er-
scheint es wohl auch geboten, der älteren literarischen Bewegung
unter den ersten christlichen Armeniern zu gedenken, in welcher
sich deren gesammtes geistiges Leben und ihre bedeutsamsten Cul-
tur-Anläufe wiederspiegeln. Die Berührung dieses culturgeschicht-
lichen Momentes drängt sich um so gebieterischer auf, als das
Wiederbekanntwerden desselben nur wenige Jahrzehnte alt ist,
trotz des bereits mehr als anderthalb Jahrhunderte alten Auf-
tauchen Mechitars, des Neubegründers armenischer Literar- und

1 Dieses Haran ist höchst bedeutsam als der Ort, an welchem sich das
chaldäische Heidenthum bis tief in mohammedanische Zeit erhalten hat --
nicht unbewußt, wie bei armen Gebirgsbewohnern, sondern gestützt auf
alle wirkliche und vermeintliche Wissenschaft des Alterthums. Als der
Chalif Mamun (im Jahre 830) nach Haran kam und die Bewohner ihm
entgegenzogen, fiel ihm an einigen derselben eine fremdartige Tracht und
das lange Haar auf. Auf seine Frage, ob sie Christen, Juden, Mager,
oder irgend welche "Schriftbesitzer" seien, erfolgte keine genügende Antwort.
"Ihr seid also Götzendiener," fuhr er fort, "euer Blut zu vergießen ist
erlaubt und euch gebührt kein Schutz." "Wir wollen Schutzgeld zahlen."
"Schutzgeld", erwiederte er, "wird nur von denjenigen nicht islamitischen
Religionsverwandten angenommen, deren Gott, der Erhabene, in seiner
heiligen Schrift gedenkt, die selbst eine heilige Schrift besitzen und mit
denen die Moslime darauf hin einen Friedensvertrag geschlossen." Da
Mamun indeß noch vor der zur Bekehrung gegebenen Bedenkzeit zu
Tharsus starb, so blieb es mit den Haraniern beim Alten. Ihr letzter
Tempel auf dem Burghügel von Haran (inmitten von Mauerspuren,
Castellruinen und Schuttbergen) wurde erst von den Tartaren zerstört.
(Braun, "Gemälde", 172.)
2 Mos. v. Chor., II, a. a. O.
3 Von diesen Grüften wären zu erwähnen jene St. Gregors, St.
Verthanes, St. Huscon, dann der Königin Ashschem, der Chosrewi-tucht,
d. i. die Schwester Tiridates' und des Königs Tiridat selbst. (Vgl. In-
dschidschean, nach Kiepert a. a. O.)
4 Siehe unter "Amasia".

Zur älteren Literatur der Armenier.
— Sohn der Sonne, noch zuletzt bei den Sabiern in Haran
hoch in Ehren gehalten)1, die Gregor zertrümmerte und zu
Cultusſtätten des alleinigen Gottes einweihte2. In den Berg-
grotten finden ſich auch natürliche Galerien, die Grüfte arme-
niſcher Könige3, deren erlauchte Cadaver die Stürme der Zeit
(wie jene der helleno-pontiſchen Dynaſtie zu Amaſia)4 in alle
Winde gefegt hatten. —

Mit Abſchluß unſeres Ueberblickes auf Hoch-Armenien er-
ſcheint es wohl auch geboten, der älteren literariſchen Bewegung
unter den erſten chriſtlichen Armeniern zu gedenken, in welcher
ſich deren geſammtes geiſtiges Leben und ihre bedeutſamſten Cul-
tur-Anläufe wiederſpiegeln. Die Berührung dieſes culturgeſchicht-
lichen Momentes drängt ſich um ſo gebieteriſcher auf, als das
Wiederbekanntwerden deſſelben nur wenige Jahrzehnte alt iſt,
trotz des bereits mehr als anderthalb Jahrhunderte alten Auf-
tauchen Mechitars, des Neubegründers armeniſcher Literar- und

1 Dieſes Haran iſt höchſt bedeutſam als der Ort, an welchem ſich das
chaldäiſche Heidenthum bis tief in mohammedaniſche Zeit erhalten hat —
nicht unbewußt, wie bei armen Gebirgsbewohnern, ſondern geſtützt auf
alle wirkliche und vermeintliche Wiſſenſchaft des Alterthums. Als der
Chalif Mamun (im Jahre 830) nach Haran kam und die Bewohner ihm
entgegenzogen, fiel ihm an einigen derſelben eine fremdartige Tracht und
das lange Haar auf. Auf ſeine Frage, ob ſie Chriſten, Juden, Mager,
oder irgend welche „Schriftbeſitzer“ ſeien, erfolgte keine genügende Antwort.
„Ihr ſeid alſo Götzendiener,“ fuhr er fort, „euer Blut zu vergießen iſt
erlaubt und euch gebührt kein Schutz.“ „Wir wollen Schutzgeld zahlen.“
„Schutzgeld“, erwiederte er, „wird nur von denjenigen nicht islamitiſchen
Religionsverwandten angenommen, deren Gott, der Erhabene, in ſeiner
heiligen Schrift gedenkt, die ſelbſt eine heilige Schrift beſitzen und mit
denen die Moslime darauf hin einen Friedensvertrag geſchloſſen.“ Da
Mamun indeß noch vor der zur Bekehrung gegebenen Bedenkzeit zu
Tharſus ſtarb, ſo blieb es mit den Haraniern beim Alten. Ihr letzter
Tempel auf dem Burghügel von Haran (inmitten von Mauerſpuren,
Caſtellruinen und Schuttbergen) wurde erſt von den Tartaren zerſtört.
(Braun, „Gemälde“, 172.)
2 Moſ. v. Chor., II, a. a. O.
3 Von dieſen Grüften wären zu erwähnen jene St. Gregors, St.
Verthanes, St. Huscon, dann der Königin Ashſchem, der Chosrewi-tucht,
d. i. die Schweſter Tiridates’ und des Königs Tiridat ſelbſt. (Vgl. In-
dſchidſchean, nach Kiepert a. a. O.)
4 Siehe unter „Amaſia“.
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[61/0093] Zur älteren Literatur der Armenier. — Sohn der Sonne, noch zuletzt bei den Sabiern in Haran hoch in Ehren gehalten) 1, die Gregor zertrümmerte und zu Cultusſtätten des alleinigen Gottes einweihte 2. In den Berg- grotten finden ſich auch natürliche Galerien, die Grüfte arme- niſcher Könige 3, deren erlauchte Cadaver die Stürme der Zeit (wie jene der helleno-pontiſchen Dynaſtie zu Amaſia) 4 in alle Winde gefegt hatten. — Mit Abſchluß unſeres Ueberblickes auf Hoch-Armenien er- ſcheint es wohl auch geboten, der älteren literariſchen Bewegung unter den erſten chriſtlichen Armeniern zu gedenken, in welcher ſich deren geſammtes geiſtiges Leben und ihre bedeutſamſten Cul- tur-Anläufe wiederſpiegeln. Die Berührung dieſes culturgeſchicht- lichen Momentes drängt ſich um ſo gebieteriſcher auf, als das Wiederbekanntwerden deſſelben nur wenige Jahrzehnte alt iſt, trotz des bereits mehr als anderthalb Jahrhunderte alten Auf- tauchen Mechitars, des Neubegründers armeniſcher Literar- und 1 Dieſes Haran iſt höchſt bedeutſam als der Ort, an welchem ſich das chaldäiſche Heidenthum bis tief in mohammedaniſche Zeit erhalten hat — nicht unbewußt, wie bei armen Gebirgsbewohnern, ſondern geſtützt auf alle wirkliche und vermeintliche Wiſſenſchaft des Alterthums. Als der Chalif Mamun (im Jahre 830) nach Haran kam und die Bewohner ihm entgegenzogen, fiel ihm an einigen derſelben eine fremdartige Tracht und das lange Haar auf. Auf ſeine Frage, ob ſie Chriſten, Juden, Mager, oder irgend welche „Schriftbeſitzer“ ſeien, erfolgte keine genügende Antwort. „Ihr ſeid alſo Götzendiener,“ fuhr er fort, „euer Blut zu vergießen iſt erlaubt und euch gebührt kein Schutz.“ „Wir wollen Schutzgeld zahlen.“ „Schutzgeld“, erwiederte er, „wird nur von denjenigen nicht islamitiſchen Religionsverwandten angenommen, deren Gott, der Erhabene, in ſeiner heiligen Schrift gedenkt, die ſelbſt eine heilige Schrift beſitzen und mit denen die Moslime darauf hin einen Friedensvertrag geſchloſſen.“ Da Mamun indeß noch vor der zur Bekehrung gegebenen Bedenkzeit zu Tharſus ſtarb, ſo blieb es mit den Haraniern beim Alten. Ihr letzter Tempel auf dem Burghügel von Haran (inmitten von Mauerſpuren, Caſtellruinen und Schuttbergen) wurde erſt von den Tartaren zerſtört. (Braun, „Gemälde“, 172.) 2 Moſ. v. Chor., II, a. a. O. 3 Von dieſen Grüften wären zu erwähnen jene St. Gregors, St. Verthanes, St. Huscon, dann der Königin Ashſchem, der Chosrewi-tucht, d. i. die Schweſter Tiridates’ und des Königs Tiridat ſelbſt. (Vgl. In- dſchidſchean, nach Kiepert a. a. O.) 4 Siehe unter „Amaſia“.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/93>, abgerufen am 22.11.2024.