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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Hoch-Armenien.
diese dominirt, wodurch ihre, die Stadt beherrschende Lage einiger-
maßen paralysirt wird ... Im russisch-türkischen Kriege 1828
bis 1829 hatten die Türken Hassan-Kaleh ganz unbesetzt gelassen,
und so ging der Platz am 23. Juni 1829 ohne Schwertstreich
in den Besitz der Russen über, die sich sogleich in diesem wichtigsten
Punkte der Erzerum-Bajazider Straße festsetzten und Anstalten
trafen, seine Widerstandskraft zu erhöhen1. Als später dann
die Russen bei ihrem Abzuge aus Armenien die Befestigungen
sprengten und zum großen Theile zerstörten, scheint man tür-
kischerseits keine Anstalten mehr getroffen zu haben, sie wieder in
einen besseren Zustand zu versetzen, denn allenthalben wurde
Hassan-Kaleh von den jüngsten Reisenden nur seiner malerischen
Verwahrlosung halber gepriesen, welche wohl den symmetrie- und
ordnungsfeindlichen Touristen, keineswegs aber den Militär zu
entzücken vermag. Die armenischen Bewohner des Pasin emi-
grirten nach den letzten Kriegen allenthalben auf russisches Gebiet,
da sie, in Folge der zeitweiligen Occupation der Russen, die
Revanche von Seite ihrer Bedrücker zu fürchten begannen, und
und so wurde nahezu die Hälfte der Dörfer um Hassan-Kaleh
derart entvölkert, daß seitdem nur Ruinen die weitläufige Ebene
bedeckten und die Productionskraft des ertragsreichen Landes
vollends erlahmte.

Nur etwas über zwei Meilen weiter westlich zieht in nord-
südlicher Richtung der Dewe-Bojun (Kameelhals) die Wasser-
scheide zwischen Eufrat und Aras, und von seiner baumlosen Höhe,
die, wie schon oben erwähnt, das 5700 Fuß hoch liegende Erzerum
nur um 800 Fuß überragt, öffnet sich der Ausblick in das jen-
seitige weitläufige Becken der armenischen Hauptstadt ... Das
heutige Erzerum ist eine armselige, sehr heruntergekommene Stadt
von höchstens 30,000 Einwohnern. Sie hat einst Hunderttausende
gehabt und war noch unter osmanischer Herrschaft ein berühmtes
Grenzemporium gegen das persische Nachbarreich2. Die platt-
dachigen Häuser, welche äußerst schmale und schmutzige Gassen
bilden, gruppiren sich auf einer nahezu elliptischen Fläche, in deren
Mitte auf mäßig hohem Hügel das Castell liegt. Nur ein Gebäude,

1 s. R. Chesney, "Die russisch-türkischen Feldzüge 1828--1829", 191.
2 Hammer-Purgstall, "Gesch. d. Osmanen", III, 530.

Hoch-Armenien.
dieſe dominirt, wodurch ihre, die Stadt beherrſchende Lage einiger-
maßen paralyſirt wird … Im ruſſiſch-türkiſchen Kriege 1828
bis 1829 hatten die Türken Haſſan-Kaleh ganz unbeſetzt gelaſſen,
und ſo ging der Platz am 23. Juni 1829 ohne Schwertſtreich
in den Beſitz der Ruſſen über, die ſich ſogleich in dieſem wichtigſten
Punkte der Erzerum-Bajazider Straße feſtſetzten und Anſtalten
trafen, ſeine Widerſtandskraft zu erhöhen1. Als ſpäter dann
die Ruſſen bei ihrem Abzuge aus Armenien die Befeſtigungen
ſprengten und zum großen Theile zerſtörten, ſcheint man tür-
kiſcherſeits keine Anſtalten mehr getroffen zu haben, ſie wieder in
einen beſſeren Zuſtand zu verſetzen, denn allenthalben wurde
Haſſan-Kaleh von den jüngſten Reiſenden nur ſeiner maleriſchen
Verwahrloſung halber geprieſen, welche wohl den ſymmetrie- und
ordnungsfeindlichen Touriſten, keineswegs aber den Militär zu
entzücken vermag. Die armeniſchen Bewohner des Paſin emi-
grirten nach den letzten Kriegen allenthalben auf ruſſiſches Gebiet,
da ſie, in Folge der zeitweiligen Occupation der Ruſſen, die
Revanche von Seite ihrer Bedrücker zu fürchten begannen, und
und ſo wurde nahezu die Hälfte der Dörfer um Haſſan-Kaleh
derart entvölkert, daß ſeitdem nur Ruinen die weitläufige Ebene
bedeckten und die Productionskraft des ertragsreichen Landes
vollends erlahmte.

Nur etwas über zwei Meilen weiter weſtlich zieht in nord-
ſüdlicher Richtung der Dewe-Bojun (Kameelhals) die Waſſer-
ſcheide zwiſchen Eufrat und Aras, und von ſeiner baumloſen Höhe,
die, wie ſchon oben erwähnt, das 5700 Fuß hoch liegende Erzerum
nur um 800 Fuß überragt, öffnet ſich der Ausblick in das jen-
ſeitige weitläufige Becken der armeniſchen Hauptſtadt … Das
heutige Erzerum iſt eine armſelige, ſehr heruntergekommene Stadt
von höchſtens 30,000 Einwohnern. Sie hat einſt Hunderttauſende
gehabt und war noch unter osmaniſcher Herrſchaft ein berühmtes
Grenzemporium gegen das perſiſche Nachbarreich2. Die platt-
dachigen Häuſer, welche äußerſt ſchmale und ſchmutzige Gaſſen
bilden, gruppiren ſich auf einer nahezu elliptiſchen Fläche, in deren
Mitte auf mäßig hohem Hügel das Caſtell liegt. Nur ein Gebäude,

1 ſ. R. Chesney, „Die ruſſiſch-türkiſchen Feldzüge 1828—1829“, 191.
2 Hammer-Purgſtall, „Geſch. d. Osmanen“, III, 530.
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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/80>, abgerufen am 25.11.2024.