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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Die Bagratiden.
Chalifen als berechtigte Dynastie anerkannt wurden. Das merk-
würdige Eingreifen der Bagratiden in die politischen Schicksale
Armeniens, ein Eingreifen, das augenscheinlich nur sehr langsam
und durch geistige Suprematie, aber keineswegs gewaltsam statt-
fand, gibt uns den besten Beweis, wie wenig inneres Bewußt-
sein zum Herrschen und Beherrschen den eigentlichen Armeniern
eigen war und wie sie später dies geradezu fremden Dynastien
überließen; gerade so, wie sie anfänglich keinerlei Miene machten,
sich der assyrischen Präponderanz zu erwehren, wie etwa die
Meder, die Zertrümmerer des zweiten assyrischen Weltreiches ...

In Armenien herrschten die Bagratiden, wie bereits oben
erwähnt wurde, bis ums Jahr 1030 nach Chr., d. i. bis zur
Aufhebung des Königreichs Kars unter Kakig II. durch die
Byzantiner1. Aber durch Verwandtschaft an Georgien gefesselt,
verging ein nur unbedeutender Zeitraum, und wieder traten die
Bagratiden als ruhmreiche Könige und Eroberer während der
nächsten Jahrhunderte auf, bis endlich im Jahre 1802, durch
Uebergang Georgiens, Kahetiens und Imeretiens in den Besitz
der Russen, die nahezu zwölfhundertjährige Dynastie zu herrschen
aufgehört hatte2. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Bagratiden,
als sie zu Macht und Ansehen gelangt waren, eingedenk ihrer
eigentlichen Abstammung, selbst als christliche Machthaber den
Israeliten stets sehr zugeneigt waren und jeder Colonisation der-
selben auf armenischen Territorien bestmöglichst Vorschub leisteten3.

1 Neumann, "Vahrams Chronicle of the Armenian Kingdom", l. c.
p. XI.,
bei Ritter a. a. O.
2 Ueber die letzten Bagratiden gehen indeß die Meinungen aus-
einander. Einige sind ihres Lobes voll (vgl. O. Spencer, "Journey trough
Tsherkessia etc."
), während Andere wieder (wie K. Koch, "Die kaukasischen
Länder", 8) es als eine Wohlthat bezeichnen, daß Rußland unter den ver-
schiedenen transkaukasischen Duodez-Herrschern aufgeräumt und so uralte
Fehden erstickt hat. Es gilt dies namentlich von den letzten Königen Min-
greliens, den "Dadians", den nahen Verwandten des abhasischen Ge-
schlechtes der Serwaschidses. Jene gelangten indeß erst im vorigen Jahr-
hundert zur Regierung, während die älteren Dadians, von den Türken
vertrieben, in Rußland Zuflucht erhielten und den Namen Dadianoff an-
nahmen (K. Koch, a. a. O., 74 u. ff.).
3 Um die Mitte des vierten Jahrhunderts, also zur Zeit der größten
Christenverfolgungen in Armenien, soll es allein in der Stadt Erowantaschad

Die Bagratiden.
Chalifen als berechtigte Dynaſtie anerkannt wurden. Das merk-
würdige Eingreifen der Bagratiden in die politiſchen Schickſale
Armeniens, ein Eingreifen, das augenſcheinlich nur ſehr langſam
und durch geiſtige Suprematie, aber keineswegs gewaltſam ſtatt-
fand, gibt uns den beſten Beweis, wie wenig inneres Bewußt-
ſein zum Herrſchen und Beherrſchen den eigentlichen Armeniern
eigen war und wie ſie ſpäter dies geradezu fremden Dynaſtien
überließen; gerade ſo, wie ſie anfänglich keinerlei Miene machten,
ſich der aſſyriſchen Präponderanz zu erwehren, wie etwa die
Meder, die Zertrümmerer des zweiten aſſyriſchen Weltreiches …

In Armenien herrſchten die Bagratiden, wie bereits oben
erwähnt wurde, bis ums Jahr 1030 nach Chr., d. i. bis zur
Aufhebung des Königreichs Kars unter Kakig II. durch die
Byzantiner1. Aber durch Verwandtſchaft an Georgien gefeſſelt,
verging ein nur unbedeutender Zeitraum, und wieder traten die
Bagratiden als ruhmreiche Könige und Eroberer während der
nächſten Jahrhunderte auf, bis endlich im Jahre 1802, durch
Uebergang Georgiens, Kahetiens und Imeretiens in den Beſitz
der Ruſſen, die nahezu zwölfhundertjährige Dynaſtie zu herrſchen
aufgehört hatte2. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Bagratiden,
als ſie zu Macht und Anſehen gelangt waren, eingedenk ihrer
eigentlichen Abſtammung, ſelbſt als chriſtliche Machthaber den
Israeliten ſtets ſehr zugeneigt waren und jeder Coloniſation der-
ſelben auf armeniſchen Territorien beſtmöglichſt Vorſchub leiſteten3.

1 Neumann, „Vahrams Chronicle of the Armenian Kingdom“, l. c.
p. XI.,
bei Ritter a. a. O.
2 Ueber die letzten Bagratiden gehen indeß die Meinungen aus-
einander. Einige ſind ihres Lobes voll (vgl. O. Spencer, „Journey trough
Tsherkessia etc.“
), während Andere wieder (wie K. Koch, „Die kaukaſiſchen
Länder“, 8) es als eine Wohlthat bezeichnen, daß Rußland unter den ver-
ſchiedenen transkaukaſiſchen Duodez-Herrſchern aufgeräumt und ſo uralte
Fehden erſtickt hat. Es gilt dies namentlich von den letzten Königen Min-
greliens, den „Dadians“, den nahen Verwandten des abhaſiſchen Ge-
ſchlechtes der Serwaſchidſes. Jene gelangten indeß erſt im vorigen Jahr-
hundert zur Regierung, während die älteren Dadians, von den Türken
vertrieben, in Rußland Zuflucht erhielten und den Namen Dadianoff an-
nahmen (K. Koch, a. a. O., 74 u. ff.).
3 Um die Mitte des vierten Jahrhunderts, alſo zur Zeit der größten
Chriſtenverfolgungen in Armenien, ſoll es allein in der Stadt Erowantaſchad
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[29/0061] Die Bagratiden. Chalifen als berechtigte Dynaſtie anerkannt wurden. Das merk- würdige Eingreifen der Bagratiden in die politiſchen Schickſale Armeniens, ein Eingreifen, das augenſcheinlich nur ſehr langſam und durch geiſtige Suprematie, aber keineswegs gewaltſam ſtatt- fand, gibt uns den beſten Beweis, wie wenig inneres Bewußt- ſein zum Herrſchen und Beherrſchen den eigentlichen Armeniern eigen war und wie ſie ſpäter dies geradezu fremden Dynaſtien überließen; gerade ſo, wie ſie anfänglich keinerlei Miene machten, ſich der aſſyriſchen Präponderanz zu erwehren, wie etwa die Meder, die Zertrümmerer des zweiten aſſyriſchen Weltreiches … In Armenien herrſchten die Bagratiden, wie bereits oben erwähnt wurde, bis ums Jahr 1030 nach Chr., d. i. bis zur Aufhebung des Königreichs Kars unter Kakig II. durch die Byzantiner 1. Aber durch Verwandtſchaft an Georgien gefeſſelt, verging ein nur unbedeutender Zeitraum, und wieder traten die Bagratiden als ruhmreiche Könige und Eroberer während der nächſten Jahrhunderte auf, bis endlich im Jahre 1802, durch Uebergang Georgiens, Kahetiens und Imeretiens in den Beſitz der Ruſſen, die nahezu zwölfhundertjährige Dynaſtie zu herrſchen aufgehört hatte 2. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Bagratiden, als ſie zu Macht und Anſehen gelangt waren, eingedenk ihrer eigentlichen Abſtammung, ſelbſt als chriſtliche Machthaber den Israeliten ſtets ſehr zugeneigt waren und jeder Coloniſation der- ſelben auf armeniſchen Territorien beſtmöglichſt Vorſchub leiſteten 3. 1 Neumann, „Vahrams Chronicle of the Armenian Kingdom“, l. c. p. XI., bei Ritter a. a. O. 2 Ueber die letzten Bagratiden gehen indeß die Meinungen aus- einander. Einige ſind ihres Lobes voll (vgl. O. Spencer, „Journey trough Tsherkessia etc.“), während Andere wieder (wie K. Koch, „Die kaukaſiſchen Länder“, 8) es als eine Wohlthat bezeichnen, daß Rußland unter den ver- ſchiedenen transkaukaſiſchen Duodez-Herrſchern aufgeräumt und ſo uralte Fehden erſtickt hat. Es gilt dies namentlich von den letzten Königen Min- greliens, den „Dadians“, den nahen Verwandten des abhaſiſchen Ge- ſchlechtes der Serwaſchidſes. Jene gelangten indeß erſt im vorigen Jahr- hundert zur Regierung, während die älteren Dadians, von den Türken vertrieben, in Rußland Zuflucht erhielten und den Namen Dadianoff an- nahmen (K. Koch, a. a. O., 74 u. ff.). 3 Um die Mitte des vierten Jahrhunderts, alſo zur Zeit der größten Chriſtenverfolgungen in Armenien, ſoll es allein in der Stadt Erowantaſchad

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/61>, abgerufen am 24.11.2024.