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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Im Ararat-Gebiet.
des vierzehnten Jahrhunderts legte ein furchtbares Erdbeben die
Stadt in Trümmer. Seitdem hat keine Hand mehr an diese
armenische Culturstätte gerührt und gleichwie in einem oberirdi-
schen Pompeji vermag heute der Wanderer durch die verödeten
Gassen zu schreiten, die Palasthallen zu bewundern und sich an
dem kunstvollen Mosaik-Getäfel zu erquicken, das, trotz der viel
hundertjährigen Wetterunbilden, noch immer mit seltener Pracht
von den Wänden der bagratidischen Herrschersitze herabflimmert ...
Durch alle diese Räume heult heute der Sturm, der von den
Schneewipfeln des Ararat niederbraust; nur wenige Menschen
haben sich in den Ruinen eingenistet und ihre primitiven Stein-
hütten -- inmitten der früheren Pracht -- liegen in den Fels-
spalten im Westen des Ruinenfeldes, wo dieses in die erwähnte
trockene Felsschlucht abtaucht. Die, Katakomben nicht unähnlichen
Grabhöhlen aber (noch immer geschmückt mit Säulenschäften und
stylvoller Portal-Ornamentik an ihren Eingängen)1 sind den
kurdischen Wegelagerern willkommene Schlupfwinkel.

Auf der nur sechs Meilen langen Strecke von Ani bis zur
Einmündung des Arpatschai in den Aras, unweit des heutigen
Hadji-Bairamli (dessen platte Steindächer aus Gärten von Wall-
nuß- und Mandelbäumen hervorlugen)2, hätten wir über nicht
weniger als drei andere armenische Cultur-Emporien zu berichten.
Vor Allem hätten wir der Götterstadt Pankaran zu gedenken, in
der sich das heidnisch-armenische Pantheon für Götterstatuen
befand. Ihre Lage ist bisher nicht ganz sichergestellt, doch glaubt
man, sie an den Arpatschai verlegen zu müssen, und zwar dort,
wo der Bergfluß Akhur in diesen mündet, also unweit der

geistigen Chalifen Harun, Mamun, Al Mutassim und Wathik, von denen
hin und wieder einer sogar die Göttlichkeit des Korans leugnete, durch
ihre in der Geschichte des Islams geradezu beispiellos dastehende Toleranz,
das orthodoxe moslemische Gebäude bedenklich erschütterten, so lag später
unter den Ilkhanen sogar die Gefahr nahe, daß das gesammte Mongolen-
thum -- christlich werden konnte. Nur politische Bedenken hielten Gasan
von diesem Schritte ab. Mekka war gerettet und die beturbante Recht-
gläubigkeit hatte nimmer zu befürchten, daß an die Stelle der Kaaba eine
Prachtkathedrale treten würde. (Vgl. Malcolm, "Geschichte von Persien", I.
1 Hamilton, a. a. O.
2 Ker Porter, Trav. II, 641.

Im Ararat-Gebiet.
des vierzehnten Jahrhunderts legte ein furchtbares Erdbeben die
Stadt in Trümmer. Seitdem hat keine Hand mehr an dieſe
armeniſche Culturſtätte gerührt und gleichwie in einem oberirdi-
ſchen Pompeji vermag heute der Wanderer durch die verödeten
Gaſſen zu ſchreiten, die Palaſthallen zu bewundern und ſich an
dem kunſtvollen Moſaik-Getäfel zu erquicken, das, trotz der viel
hundertjährigen Wetterunbilden, noch immer mit ſeltener Pracht
von den Wänden der bagratidiſchen Herrſcherſitze herabflimmert …
Durch alle dieſe Räume heult heute der Sturm, der von den
Schneewipfeln des Ararat niederbrauſt; nur wenige Menſchen
haben ſich in den Ruinen eingeniſtet und ihre primitiven Stein-
hütten — inmitten der früheren Pracht — liegen in den Fels-
ſpalten im Weſten des Ruinenfeldes, wo dieſes in die erwähnte
trockene Felsſchlucht abtaucht. Die, Katakomben nicht unähnlichen
Grabhöhlen aber (noch immer geſchmückt mit Säulenſchäften und
ſtylvoller Portal-Ornamentik an ihren Eingängen)1 ſind den
kurdiſchen Wegelagerern willkommene Schlupfwinkel.

Auf der nur ſechs Meilen langen Strecke von Ani bis zur
Einmündung des Arpatſchai in den Aras, unweit des heutigen
Hadji-Bairamli (deſſen platte Steindächer aus Gärten von Wall-
nuß- und Mandelbäumen hervorlugen)2, hätten wir über nicht
weniger als drei andere armeniſche Cultur-Emporien zu berichten.
Vor Allem hätten wir der Götterſtadt Pankaran zu gedenken, in
der ſich das heidniſch-armeniſche Pantheon für Götterſtatuen
befand. Ihre Lage iſt bisher nicht ganz ſichergeſtellt, doch glaubt
man, ſie an den Arpatſchai verlegen zu müſſen, und zwar dort,
wo der Bergfluß Akhur in dieſen mündet, alſo unweit der

geiſtigen Chalifen Harun, Mamun, Al Mutaſſim und Wathik, von denen
hin und wieder einer ſogar die Göttlichkeit des Korans leugnete, durch
ihre in der Geſchichte des Islams geradezu beiſpiellos daſtehende Toleranz,
das orthodoxe moslemiſche Gebäude bedenklich erſchütterten, ſo lag ſpäter
unter den Ilkhanen ſogar die Gefahr nahe, daß das geſammte Mongolen-
thum — chriſtlich werden konnte. Nur politiſche Bedenken hielten Gaſan
von dieſem Schritte ab. Mekka war gerettet und die beturbante Recht-
gläubigkeit hatte nimmer zu befürchten, daß an die Stelle der Kaaba eine
Prachtkathedrale treten würde. (Vgl. Malcolm, „Geſchichte von Perſien“, I.
1 Hamilton, a. a. O.
2 Ker Porter, Trav. II, 641.
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[20/0052] Im Ararat-Gebiet. des vierzehnten Jahrhunderts legte ein furchtbares Erdbeben die Stadt in Trümmer. Seitdem hat keine Hand mehr an dieſe armeniſche Culturſtätte gerührt und gleichwie in einem oberirdi- ſchen Pompeji vermag heute der Wanderer durch die verödeten Gaſſen zu ſchreiten, die Palaſthallen zu bewundern und ſich an dem kunſtvollen Moſaik-Getäfel zu erquicken, das, trotz der viel hundertjährigen Wetterunbilden, noch immer mit ſeltener Pracht von den Wänden der bagratidiſchen Herrſcherſitze herabflimmert … Durch alle dieſe Räume heult heute der Sturm, der von den Schneewipfeln des Ararat niederbrauſt; nur wenige Menſchen haben ſich in den Ruinen eingeniſtet und ihre primitiven Stein- hütten — inmitten der früheren Pracht — liegen in den Fels- ſpalten im Weſten des Ruinenfeldes, wo dieſes in die erwähnte trockene Felsſchlucht abtaucht. Die, Katakomben nicht unähnlichen Grabhöhlen aber (noch immer geſchmückt mit Säulenſchäften und ſtylvoller Portal-Ornamentik an ihren Eingängen) 1 ſind den kurdiſchen Wegelagerern willkommene Schlupfwinkel. Auf der nur ſechs Meilen langen Strecke von Ani bis zur Einmündung des Arpatſchai in den Aras, unweit des heutigen Hadji-Bairamli (deſſen platte Steindächer aus Gärten von Wall- nuß- und Mandelbäumen hervorlugen) 2, hätten wir über nicht weniger als drei andere armeniſche Cultur-Emporien zu berichten. Vor Allem hätten wir der Götterſtadt Pankaran zu gedenken, in der ſich das heidniſch-armeniſche Pantheon für Götterſtatuen befand. Ihre Lage iſt bisher nicht ganz ſichergeſtellt, doch glaubt man, ſie an den Arpatſchai verlegen zu müſſen, und zwar dort, wo der Bergfluß Akhur in dieſen mündet, alſo unweit der 1 1 Hamilton, a. a. O. 2 Ker Porter, Trav. II, 641. 1 geiſtigen Chalifen Harun, Mamun, Al Mutaſſim und Wathik, von denen hin und wieder einer ſogar die Göttlichkeit des Korans leugnete, durch ihre in der Geſchichte des Islams geradezu beiſpiellos daſtehende Toleranz, das orthodoxe moslemiſche Gebäude bedenklich erſchütterten, ſo lag ſpäter unter den Ilkhanen ſogar die Gefahr nahe, daß das geſammte Mongolen- thum — chriſtlich werden konnte. Nur politiſche Bedenken hielten Gaſan von dieſem Schritte ab. Mekka war gerettet und die beturbante Recht- gläubigkeit hatte nimmer zu befürchten, daß an die Stelle der Kaaba eine Prachtkathedrale treten würde. (Vgl. Malcolm, „Geſchichte von Perſien“, I.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/52>, abgerufen am 24.11.2024.