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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Anhang. Anatolische Fragmente.
dringt und wo die ottomanische Provinz-Bureaukratie, uncon-
trolirt von den wachsamen Augen europäischer Consuln, die
elenden Bewohner für ihre, der Herren, Taschen arbeiten läßt
und ein Uebriges dazu erpreßt, ist ein Aufschwung in irgend
einer Richtung ganz und gar undenkbar.

Nicht minder schroff sind die Contraste zwischen dem ana-
tolischen Binnenlande und den nördlichen Pontusgestaden einer-
seits und zwischen jenem und der taurischen Mittelmeerküste
anderseits. Dort ausgedehnte Waldstrecken, üppige Gärten und
auf den Uferhöhen Cypressen und Pinien; hier ein mehr kahler,
heißer Küstenstrich, mit seinem immergrünen Olivenkranze, seinen
Myrthen- und Lorbeerhainen, nicht zu vergessen die Palme, deren
Krone in mehr oder minder dichten Gruppen am heißen Gestade
schattet. Zwar ist auch der Taurus waldreich, zumal in den
höher gelegenen Thalschluchten und ihren ausgedehnten Lehnen1,
jene inneren Gebirgswinkel liegen aber bereits in der nächst
höheren Region im Sinne der verticalen Gliederung und Ver-
breitung. Im Allgemeinen gleichen Klimatik und Vegetations-
verhältnisse in der westlichen Hälfte der anatolischen Pontusküste
mehr jenen des südöstlichen Europa, während der Naturtypus
am taurischen Gestade auffallend demjenigen des benachbarten
Syrien sich nähert, mit dem es auch den gleichen maritimen
Einflüssen ausgesetzt ist. Als Bindeglied zwischen beiden figurirt
die Insel Cypern, die trotz ihrer südlichen Lage und trotz ihres
milden Seeklimas auf der Scheitelhöhe ihrer größten Boden-
Anschwellung -- dem Olymp oder Troodos -- den Schmuck
der Schneekrone bis tief ins Frühjahr hinein behält. Dafür
sind die Strecken des Tieflandes und die zumeist felsigen Gestade,
wie die meisten levantinischen Landschaften baumlos, und dürre,
soweit es an dem belebenden Elemente, dem Wasser, gebricht,
während an den, von den Höhen niederrieselnden Bächen schmucke
Dörfer förmlich verborgen in üppigster Gartenwildniß liegen.
So namentlich am Südhange des nördlichen Küstengebirges, das
nordwärts von Levkosia, der Hauptstadt der Insel, streicht.
Zur Seite dieses Gebirges strömt der Pedias, Anfangs durch
Culturen, später durch Steppenland und zuletzt zwischen Sumpf-

1 Vgl. Simony, "Höhentableau des cilicischen Taurus".

Anhang. Anatoliſche Fragmente.
dringt und wo die ottomaniſche Provinz-Bureaukratie, uncon-
trolirt von den wachſamen Augen europäiſcher Conſuln, die
elenden Bewohner für ihre, der Herren, Taſchen arbeiten läßt
und ein Uebriges dazu erpreßt, iſt ein Aufſchwung in irgend
einer Richtung ganz und gar undenkbar.

Nicht minder ſchroff ſind die Contraſte zwiſchen dem ana-
toliſchen Binnenlande und den nördlichen Pontusgeſtaden einer-
ſeits und zwiſchen jenem und der tauriſchen Mittelmeerküſte
anderſeits. Dort ausgedehnte Waldſtrecken, üppige Gärten und
auf den Uferhöhen Cypreſſen und Pinien; hier ein mehr kahler,
heißer Küſtenſtrich, mit ſeinem immergrünen Olivenkranze, ſeinen
Myrthen- und Lorbeerhainen, nicht zu vergeſſen die Palme, deren
Krone in mehr oder minder dichten Gruppen am heißen Geſtade
ſchattet. Zwar iſt auch der Taurus waldreich, zumal in den
höher gelegenen Thalſchluchten und ihren ausgedehnten Lehnen1,
jene inneren Gebirgswinkel liegen aber bereits in der nächſt
höheren Region im Sinne der verticalen Gliederung und Ver-
breitung. Im Allgemeinen gleichen Klimatik und Vegetations-
verhältniſſe in der weſtlichen Hälfte der anatoliſchen Pontusküſte
mehr jenen des ſüdöſtlichen Europa, während der Naturtypus
am tauriſchen Geſtade auffallend demjenigen des benachbarten
Syrien ſich nähert, mit dem es auch den gleichen maritimen
Einflüſſen ausgeſetzt iſt. Als Bindeglied zwiſchen beiden figurirt
die Inſel Cypern, die trotz ihrer ſüdlichen Lage und trotz ihres
milden Seeklimas auf der Scheitelhöhe ihrer größten Boden-
Anſchwellung — dem Olymp oder Troodos — den Schmuck
der Schneekrone bis tief ins Frühjahr hinein behält. Dafür
ſind die Strecken des Tieflandes und die zumeiſt felſigen Geſtade,
wie die meiſten levantiniſchen Landſchaften baumlos, und dürre,
ſoweit es an dem belebenden Elemente, dem Waſſer, gebricht,
während an den, von den Höhen niederrieſelnden Bächen ſchmucke
Dörfer förmlich verborgen in üppigſter Gartenwildniß liegen.
So namentlich am Südhange des nördlichen Küſtengebirges, das
nordwärts von Levkoſia, der Hauptſtadt der Inſel, ſtreicht.
Zur Seite dieſes Gebirges ſtrömt der Pedias, Anfangs durch
Culturen, ſpäter durch Steppenland und zuletzt zwiſchen Sumpf-

1 Vgl. Simony, „Höhentableau des ciliciſchen Taurus“.
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[216/0248] Anhang. Anatoliſche Fragmente. dringt und wo die ottomaniſche Provinz-Bureaukratie, uncon- trolirt von den wachſamen Augen europäiſcher Conſuln, die elenden Bewohner für ihre, der Herren, Taſchen arbeiten läßt und ein Uebriges dazu erpreßt, iſt ein Aufſchwung in irgend einer Richtung ganz und gar undenkbar. Nicht minder ſchroff ſind die Contraſte zwiſchen dem ana- toliſchen Binnenlande und den nördlichen Pontusgeſtaden einer- ſeits und zwiſchen jenem und der tauriſchen Mittelmeerküſte anderſeits. Dort ausgedehnte Waldſtrecken, üppige Gärten und auf den Uferhöhen Cypreſſen und Pinien; hier ein mehr kahler, heißer Küſtenſtrich, mit ſeinem immergrünen Olivenkranze, ſeinen Myrthen- und Lorbeerhainen, nicht zu vergeſſen die Palme, deren Krone in mehr oder minder dichten Gruppen am heißen Geſtade ſchattet. Zwar iſt auch der Taurus waldreich, zumal in den höher gelegenen Thalſchluchten und ihren ausgedehnten Lehnen 1, jene inneren Gebirgswinkel liegen aber bereits in der nächſt höheren Region im Sinne der verticalen Gliederung und Ver- breitung. Im Allgemeinen gleichen Klimatik und Vegetations- verhältniſſe in der weſtlichen Hälfte der anatoliſchen Pontusküſte mehr jenen des ſüdöſtlichen Europa, während der Naturtypus am tauriſchen Geſtade auffallend demjenigen des benachbarten Syrien ſich nähert, mit dem es auch den gleichen maritimen Einflüſſen ausgeſetzt iſt. Als Bindeglied zwiſchen beiden figurirt die Inſel Cypern, die trotz ihrer ſüdlichen Lage und trotz ihres milden Seeklimas auf der Scheitelhöhe ihrer größten Boden- Anſchwellung — dem Olymp oder Troodos — den Schmuck der Schneekrone bis tief ins Frühjahr hinein behält. Dafür ſind die Strecken des Tieflandes und die zumeiſt felſigen Geſtade, wie die meiſten levantiniſchen Landſchaften baumlos, und dürre, ſoweit es an dem belebenden Elemente, dem Waſſer, gebricht, während an den, von den Höhen niederrieſelnden Bächen ſchmucke Dörfer förmlich verborgen in üppigſter Gartenwildniß liegen. So namentlich am Südhange des nördlichen Küſtengebirges, das nordwärts von Levkoſia, der Hauptſtadt der Inſel, ſtreicht. Zur Seite dieſes Gebirges ſtrömt der Pedias, Anfangs durch Culturen, ſpäter durch Steppenland und zuletzt zwiſchen Sumpf- 1 Vgl. Simony, „Höhentableau des ciliciſchen Taurus“.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/248>, abgerufen am 22.11.2024.