Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Sinope, ein Culturbild. wie eingezwängt erscheint1. Frei, luftiger ist das östlich liegendeGriechen- und überhaupt Christen-Quartier. Von dort geht es auch auf leidlichem Felspfade zu einer frischen Quelle und weiter hinauf zur Höhenplatte des östlichen Endes der Sinopischen Halbinsel, wo sich noch fortificatorische Ueberreste aus früherer Zeit vorfinden. Der Blick von hier auf die tief unten den ganzen schmalen Isthmus einnehmende Stadt mit ihren Ruinen- plätzen und der chaotischen Anhäufung von Holzhäusern, Thürmen und Thurmruinen, sowie mehr oder minder verwahrlosten Wall- zügen ist malerisch genug; gleichwohl mag es aber nicht im Entferntesten darnach sein, unsere Phantasie zu entschädigen, die sich das Bild vergangener Jahrhunderte vorzaubert. Damals, noch zur Zeit der Römer, hatte Sinope seine Plätze und Paläste, seine Agora, Gymnasien, Märkte und Säulenhallen, wie es gleichfalls noch unter den Comnenen ansehnliche Bauten und eine, wenn gerade nicht üppige, so doch anmuthige Umgebung besaß. Die mithridatischen Kriege brachten aber der Stadt den ersten Vernichtungsstoß bei. Der große König war längst entflohen, als Sinope in die Hände der Römer fiel, und als sieben Jahre später dessen Sohn Pharnakes II. vollends auf Seite Pompejus' trat, nahm sich der pontische Löwe das Leben. Als Römerstadt, und zwar speciell als Colonia Julia felix hat Sinope, wie leicht begreiflich, noch einige Zeit hindurch geblüht, ebenso unter den Byzantinern, und reicht das Ende allen Glanzes bis in die Zeit des Trapezuntischen Kaiserthums hinein, wo Sinope endlich, nach bereits dreihundertjähriger Anwesenheit der Seldschukiden in Klein-Asien, diesen zufiel. Von nun ab ward die Stadt zum wahren Vorposten des Piratenstaates Kastamuni2. Daß letzterer immer- 1 Hamilton, "Asia minor", a. a. O. 2 Vgl. Hammer-Purgstall, "Geschichte d. osm. Reiches", I, a. a. O.
Auch diese Stadt, nach ihrer Bezwingung durch Sultan Bajazid noch einige Zeit vorübergehend die Residenz des Vasallen Suleiman, ist nun vollends heruntergekommen. In enger Thalschlucht gelegen (mit domi- nirender Castellruine zu oberst), sind die Bewohner nicht nur sehr un- günstigen klimatischen Einflüssen ausgesetzt, sondern sie thun ein Uebriges, daß sie den kleinen Bach, der die Stadt durchfließt, mit stinkendem Unrath und Thiercadavern Tag für Tag anfüllen, und dadurch die Inclination des Ortes zu Epidemien nach Kräften befördern. Und wie leicht wären Sinope, ein Culturbild. wie eingezwängt erſcheint1. Frei, luftiger iſt das öſtlich liegendeGriechen- und überhaupt Chriſten-Quartier. Von dort geht es auch auf leidlichem Felspfade zu einer friſchen Quelle und weiter hinauf zur Höhenplatte des öſtlichen Endes der Sinopiſchen Halbinſel, wo ſich noch fortificatoriſche Ueberreſte aus früherer Zeit vorfinden. Der Blick von hier auf die tief unten den ganzen ſchmalen Iſthmus einnehmende Stadt mit ihren Ruinen- plätzen und der chaotiſchen Anhäufung von Holzhäuſern, Thürmen und Thurmruinen, ſowie mehr oder minder verwahrloſten Wall- zügen iſt maleriſch genug; gleichwohl mag es aber nicht im Entfernteſten darnach ſein, unſere Phantaſie zu entſchädigen, die ſich das Bild vergangener Jahrhunderte vorzaubert. Damals, noch zur Zeit der Römer, hatte Sinope ſeine Plätze und Paläſte, ſeine Agora, Gymnaſien, Märkte und Säulenhallen, wie es gleichfalls noch unter den Comnenen anſehnliche Bauten und eine, wenn gerade nicht üppige, ſo doch anmuthige Umgebung beſaß. Die mithridatiſchen Kriege brachten aber der Stadt den erſten Vernichtungsſtoß bei. Der große König war längſt entflohen, als Sinope in die Hände der Römer fiel, und als ſieben Jahre ſpäter deſſen Sohn Pharnakes II. vollends auf Seite Pompejus’ trat, nahm ſich der pontiſche Löwe das Leben. Als Römerſtadt, und zwar ſpeciell als Colonia Julia felix hat Sinope, wie leicht begreiflich, noch einige Zeit hindurch geblüht, ebenſo unter den Byzantinern, und reicht das Ende allen Glanzes bis in die Zeit des Trapezuntiſchen Kaiſerthums hinein, wo Sinope endlich, nach bereits dreihundertjähriger Anweſenheit der Seldſchukiden in Klein-Aſien, dieſen zufiel. Von nun ab ward die Stadt zum wahren Vorpoſten des Piratenſtaates Kaſtamuni2. Daß letzterer immer- 1 Hamilton, „Asia minor“, a. a. O. 2 Vgl. Hammer-Purgſtall, „Geſchichte d. osm. Reiches“, I, a. a. O.
Auch dieſe Stadt, nach ihrer Bezwingung durch Sultan Bajazid noch einige Zeit vorübergehend die Reſidenz des Vaſallen Suleiman, iſt nun vollends heruntergekommen. In enger Thalſchlucht gelegen (mit domi- nirender Caſtellruine zu oberſt), ſind die Bewohner nicht nur ſehr un- günſtigen klimatiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, ſondern ſie thun ein Uebriges, daß ſie den kleinen Bach, der die Stadt durchfließt, mit ſtinkendem Unrath und Thiercadavern Tag für Tag anfüllen, und dadurch die Inclination des Ortes zu Epidemien nach Kräften befördern. Und wie leicht wären <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0235" n="203"/><fw place="top" type="header">Sinope, ein Culturbild.</fw><lb/> wie eingezwängt erſcheint<note place="foot" n="1">Hamilton, <hi rendition="#aq">„Asia minor“,</hi> a. a. O.</note>. Frei, luftiger iſt das öſtlich liegende<lb/> Griechen- und überhaupt Chriſten-Quartier. Von dort geht es<lb/> auch auf leidlichem Felspfade zu einer friſchen Quelle und weiter<lb/> hinauf zur Höhenplatte des öſtlichen Endes der Sinopiſchen<lb/> Halbinſel, wo ſich noch fortificatoriſche Ueberreſte aus früherer<lb/> Zeit vorfinden. Der Blick von hier auf die tief unten den<lb/> ganzen ſchmalen Iſthmus einnehmende Stadt mit ihren Ruinen-<lb/> plätzen und der chaotiſchen Anhäufung von Holzhäuſern, Thürmen<lb/> und Thurmruinen, ſowie mehr oder minder verwahrloſten Wall-<lb/> zügen iſt maleriſch genug; gleichwohl mag es aber nicht im<lb/> Entfernteſten darnach ſein, unſere Phantaſie zu entſchädigen, die<lb/> ſich das Bild vergangener Jahrhunderte vorzaubert. Damals,<lb/> noch zur Zeit der Römer, hatte Sinope ſeine Plätze und Paläſte,<lb/> ſeine Agora, Gymnaſien, Märkte und Säulenhallen, wie es<lb/> gleichfalls noch unter den Comnenen anſehnliche Bauten und eine,<lb/> wenn gerade nicht üppige, ſo doch anmuthige Umgebung beſaß.<lb/> Die mithridatiſchen Kriege brachten aber der Stadt den erſten<lb/> Vernichtungsſtoß bei. Der große König war längſt entflohen,<lb/> als Sinope in die Hände der Römer fiel, und als ſieben Jahre<lb/> ſpäter deſſen Sohn Pharnakes <hi rendition="#aq">II.</hi> vollends auf Seite Pompejus’<lb/> trat, nahm ſich der pontiſche Löwe das Leben. Als Römerſtadt,<lb/> und zwar ſpeciell als <hi rendition="#aq">Colonia Julia felix</hi> hat Sinope, wie leicht<lb/> begreiflich, noch einige Zeit hindurch geblüht, ebenſo unter den<lb/> Byzantinern, und reicht das Ende allen Glanzes bis in die Zeit<lb/> des Trapezuntiſchen Kaiſerthums hinein, wo Sinope endlich, nach<lb/> bereits dreihundertjähriger Anweſenheit der Seldſchukiden in<lb/> Klein-Aſien, dieſen zufiel. Von nun ab ward die Stadt zum wahren<lb/> Vorpoſten des Piratenſtaates Kaſtamuni<note xml:id="seg2pn_25_1" next="#seg2pn_25_2" place="foot" n="2">Vgl. Hammer-Purgſtall, „Geſchichte d. osm. Reiches“, <hi rendition="#aq">I</hi>, a. a. O.<lb/> Auch dieſe Stadt, nach ihrer Bezwingung durch Sultan Bajazid noch<lb/> einige Zeit vorübergehend die Reſidenz des Vaſallen Suleiman, iſt nun<lb/> vollends heruntergekommen. In enger Thalſchlucht gelegen (mit domi-<lb/> nirender Caſtellruine zu oberſt), ſind die Bewohner nicht nur ſehr un-<lb/> günſtigen klimatiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, ſondern ſie thun ein Uebriges,<lb/> daß ſie den kleinen Bach, der die Stadt durchfließt, mit ſtinkendem Unrath<lb/> und Thiercadavern Tag für Tag anfüllen, und dadurch die Inclination<lb/> des Ortes zu Epidemien nach Kräften befördern. Und wie leicht wären</note>. Daß letzterer immer-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0235]
Sinope, ein Culturbild.
wie eingezwängt erſcheint 1. Frei, luftiger iſt das öſtlich liegende
Griechen- und überhaupt Chriſten-Quartier. Von dort geht es
auch auf leidlichem Felspfade zu einer friſchen Quelle und weiter
hinauf zur Höhenplatte des öſtlichen Endes der Sinopiſchen
Halbinſel, wo ſich noch fortificatoriſche Ueberreſte aus früherer
Zeit vorfinden. Der Blick von hier auf die tief unten den
ganzen ſchmalen Iſthmus einnehmende Stadt mit ihren Ruinen-
plätzen und der chaotiſchen Anhäufung von Holzhäuſern, Thürmen
und Thurmruinen, ſowie mehr oder minder verwahrloſten Wall-
zügen iſt maleriſch genug; gleichwohl mag es aber nicht im
Entfernteſten darnach ſein, unſere Phantaſie zu entſchädigen, die
ſich das Bild vergangener Jahrhunderte vorzaubert. Damals,
noch zur Zeit der Römer, hatte Sinope ſeine Plätze und Paläſte,
ſeine Agora, Gymnaſien, Märkte und Säulenhallen, wie es
gleichfalls noch unter den Comnenen anſehnliche Bauten und eine,
wenn gerade nicht üppige, ſo doch anmuthige Umgebung beſaß.
Die mithridatiſchen Kriege brachten aber der Stadt den erſten
Vernichtungsſtoß bei. Der große König war längſt entflohen,
als Sinope in die Hände der Römer fiel, und als ſieben Jahre
ſpäter deſſen Sohn Pharnakes II. vollends auf Seite Pompejus’
trat, nahm ſich der pontiſche Löwe das Leben. Als Römerſtadt,
und zwar ſpeciell als Colonia Julia felix hat Sinope, wie leicht
begreiflich, noch einige Zeit hindurch geblüht, ebenſo unter den
Byzantinern, und reicht das Ende allen Glanzes bis in die Zeit
des Trapezuntiſchen Kaiſerthums hinein, wo Sinope endlich, nach
bereits dreihundertjähriger Anweſenheit der Seldſchukiden in
Klein-Aſien, dieſen zufiel. Von nun ab ward die Stadt zum wahren
Vorpoſten des Piratenſtaates Kaſtamuni 2. Daß letzterer immer-
1 Hamilton, „Asia minor“, a. a. O.
2 Vgl. Hammer-Purgſtall, „Geſchichte d. osm. Reiches“, I, a. a. O.
Auch dieſe Stadt, nach ihrer Bezwingung durch Sultan Bajazid noch
einige Zeit vorübergehend die Reſidenz des Vaſallen Suleiman, iſt nun
vollends heruntergekommen. In enger Thalſchlucht gelegen (mit domi-
nirender Caſtellruine zu oberſt), ſind die Bewohner nicht nur ſehr un-
günſtigen klimatiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, ſondern ſie thun ein Uebriges,
daß ſie den kleinen Bach, der die Stadt durchfließt, mit ſtinkendem Unrath
und Thiercadavern Tag für Tag anfüllen, und dadurch die Inclination
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