Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Zwischen Taurus und Halys. Ausdehnung der Residenz abgeben, Werke aus gewaltigen Blöckenund Quadern, mit vorspringenden Thürmen in kurzen Zwischen- räumen. Selbst die Schulräume, wie beispielsweise die soge- nannte "blaue Medresse"1, sind noch zum Theile erhalten und zeigen in ihrem Innern durch eine geradezu frappirende Mannig- faltigkeit in der Ornamentalkunst den früheren guten Geschmack der Türken, von dem speciell auf die Osmanen ziemlich wenig übergegangen ist. Ja ein steifleinerner Stambuler Bureaukrat hat es vielmehr für zweckmäßig befunden, den alten Seldschuken- palast -- innerhalb der Stadt -- als Steinbruch zu behandeln und ihn aller seiner Metallbeschläge zu berauben2. (Aehnliche. Wirth- schaft konnte man noch vor Kurzem in den Ruinenräumen des alten Sultanpalastes zu Adrianopel beobachten.) Auch mit der Hofmoschee Alaeddins ist man neuester Zeit sehr übel verfahren und man hat aus ihr, für den türkischen Zelotismus jedenfalls arg genug, ein Montour-Depot für die Garnison gemacht. Aber selbst an dieser halben Ruine ist alles fesselnd, die bunt geschmückte Facade sowohl, wie die vielfarbigen Fayencen an den Minaret- resten. Das Fayence-Mosaik scheint unter den Seldschukiden überhaupt eine große Rolle gespielt zu haben, und ist auch später- hin von den Osmanen mit vieler Vorliebe angewendet worden (wie im Adrianopler Palast), denn zu Konja zeigen die halb- wegs erhaltenen Räumlichkeiten allenthalben die reichste kunst- vollste Verschwendung in demselben. Ganze Wände schimmern in Blau und Grün von weißen Koransprüchen ohne Zahl durch- ädert, im Ganzen von der harmonischesten Wirkung3. Diese kostbaren Reste schwinden aber, wie schon angedeutet, unter der türkischen Wirthschaft mehr und mehr, und über kurz oder lang wird sie auch hier jedes Andenken an die früheren, glanzvolleren Tage spurlos verwischen und nur Ruinen und Lehmhütten zurück- lassen. Die Stadt ist ja ohnedies bereits zu einem großen Dorfe herabgesunken und stünde hier nicht jener mächtige national- religiöse Magnet, Dschelaleddins Mausoleum, sie wäre heute kaum mehr denn eine Steppenstation auf dem Wege über den cilicischen Taurus. 1 Ansicht bei Texier, "Asie Mineure", II. 2 Braun, a. a. O., 371. 3 Texier, "Asie Mineure", II.
Zwiſchen Taurus und Halys. Ausdehnung der Reſidenz abgeben, Werke aus gewaltigen Blöckenund Quadern, mit vorſpringenden Thürmen in kurzen Zwiſchen- räumen. Selbſt die Schulräume, wie beiſpielsweiſe die ſoge- nannte „blaue Medreſſe“1, ſind noch zum Theile erhalten und zeigen in ihrem Innern durch eine geradezu frappirende Mannig- faltigkeit in der Ornamentalkunſt den früheren guten Geſchmack der Türken, von dem ſpeciell auf die Osmanen ziemlich wenig übergegangen iſt. Ja ein ſteifleinerner Stambuler Bureaukrat hat es vielmehr für zweckmäßig befunden, den alten Seldſchuken- palaſt — innerhalb der Stadt — als Steinbruch zu behandeln und ihn aller ſeiner Metallbeſchläge zu berauben2. (Aehnliche. Wirth- ſchaft konnte man noch vor Kurzem in den Ruinenräumen des alten Sultanpalaſtes zu Adrianopel beobachten.) Auch mit der Hofmoſchee Alaeddins iſt man neueſter Zeit ſehr übel verfahren und man hat aus ihr, für den türkiſchen Zelotismus jedenfalls arg genug, ein Montour-Depot für die Garniſon gemacht. Aber ſelbſt an dieſer halben Ruine iſt alles feſſelnd, die bunt geſchmückte Façade ſowohl, wie die vielfarbigen Fayencen an den Minaret- reſten. Das Fayence-Moſaik ſcheint unter den Seldſchukiden überhaupt eine große Rolle geſpielt zu haben, und iſt auch ſpäter- hin von den Osmanen mit vieler Vorliebe angewendet worden (wie im Adrianopler Palaſt), denn zu Konja zeigen die halb- wegs erhaltenen Räumlichkeiten allenthalben die reichſte kunſt- vollſte Verſchwendung in demſelben. Ganze Wände ſchimmern in Blau und Grün von weißen Koranſprüchen ohne Zahl durch- ädert, im Ganzen von der harmoniſcheſten Wirkung3. Dieſe koſtbaren Reſte ſchwinden aber, wie ſchon angedeutet, unter der türkiſchen Wirthſchaft mehr und mehr, und über kurz oder lang wird ſie auch hier jedes Andenken an die früheren, glanzvolleren Tage ſpurlos verwiſchen und nur Ruinen und Lehmhütten zurück- laſſen. Die Stadt iſt ja ohnedies bereits zu einem großen Dorfe herabgeſunken und ſtünde hier nicht jener mächtige national- religiöſe Magnet, Dſchelaleddins Mauſoleum, ſie wäre heute kaum mehr denn eine Steppenſtation auf dem Wege über den ciliciſchen Taurus. 1 Anſicht bei Texier, „Asie Mineure“, II. 2 Braun, a. a. O., 371. 3 Texier, „Asie Mineure“, II.
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Zwiſchen Taurus und Halys.
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und Quadern, mit vorſpringenden Thürmen in kurzen Zwiſchen-
räumen. Selbſt die Schulräume, wie beiſpielsweiſe die ſoge-
nannte „blaue Medreſſe“ 1, ſind noch zum Theile erhalten und
zeigen in ihrem Innern durch eine geradezu frappirende Mannig-
faltigkeit in der Ornamentalkunſt den früheren guten Geſchmack
der Türken, von dem ſpeciell auf die Osmanen ziemlich wenig
übergegangen iſt. Ja ein ſteifleinerner Stambuler Bureaukrat
hat es vielmehr für zweckmäßig befunden, den alten Seldſchuken-
palaſt — innerhalb der Stadt — als Steinbruch zu behandeln und
ihn aller ſeiner Metallbeſchläge zu berauben 2. (Aehnliche. Wirth-
ſchaft konnte man noch vor Kurzem in den Ruinenräumen des
alten Sultanpalaſtes zu Adrianopel beobachten.) Auch mit der
Hofmoſchee Alaeddins iſt man neueſter Zeit ſehr übel verfahren
und man hat aus ihr, für den türkiſchen Zelotismus jedenfalls
arg genug, ein Montour-Depot für die Garniſon gemacht. Aber
ſelbſt an dieſer halben Ruine iſt alles feſſelnd, die bunt geſchmückte
Façade ſowohl, wie die vielfarbigen Fayencen an den Minaret-
reſten. Das Fayence-Moſaik ſcheint unter den Seldſchukiden
überhaupt eine große Rolle geſpielt zu haben, und iſt auch ſpäter-
hin von den Osmanen mit vieler Vorliebe angewendet worden
(wie im Adrianopler Palaſt), denn zu Konja zeigen die halb-
wegs erhaltenen Räumlichkeiten allenthalben die reichſte kunſt-
vollſte Verſchwendung in demſelben. Ganze Wände ſchimmern
in Blau und Grün von weißen Koranſprüchen ohne Zahl durch-
ädert, im Ganzen von der harmoniſcheſten Wirkung 3. Dieſe
koſtbaren Reſte ſchwinden aber, wie ſchon angedeutet, unter der
türkiſchen Wirthſchaft mehr und mehr, und über kurz oder lang
wird ſie auch hier jedes Andenken an die früheren, glanzvolleren
Tage ſpurlos verwiſchen und nur Ruinen und Lehmhütten zurück-
laſſen. Die Stadt iſt ja ohnedies bereits zu einem großen Dorfe
herabgeſunken und ſtünde hier nicht jener mächtige national-
religiöſe Magnet, Dſchelaleddins Mauſoleum, ſie wäre heute kaum
mehr denn eine Steppenſtation auf dem Wege über den ciliciſchen
Taurus.
1 Anſicht bei Texier, „Asie Mineure“, II.
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