Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Armeniens culturhistorische Stellung. und dadurch zumeist auch politisch von einander in Abhängigkeitwaren, beweist nur, daß gerade die Vielartigkeit aller natürlichen Lebens-Aeußerungen, gemeinsame Bedürfnisse bei Verschiedenheit der Landes-Erzeugnisse und Bodenproducte, die wahren und eigentlichen Ebner und Beseitiger ethnologischer Grenzen waren, so lange noch Ruhmesdurst und Sucht nach Glanz und Reich- thum die großen Herrscher der ältesten Vorzeit zu ihren Er- oberungen trieb. Das tropische Mesopotamien mit seinen Palmen- hainen, seinen persischen Perlenfischern und den Gewürzen Ara- biens, neben dem rauhen Iran, wo mehr der Hände Fleiß Schätze schaffen mußte, sowie neben dem metallreichen Armenien und seinem Ueberflusse an Vieh und nordischen Sclaven; waren, trotz ihres verschiedenartigen Naturtypus, immerdar auf einander angewiesen. Sogar das entlegenere Kleinasien, mit seinen mehr europäischen Producten und seinen, durch eine andere Klimatik bedingten Bedürfnissen, ward bald nur ein Glied der großen westasiatischen Völker-Heimstätten. Von Babel herauf zog Assur und gründete am oberen Tigris, hart am Fuße der kurdischen Alpenwelt und am Eingange jener nach Norden zu immer im- posanter sich aufbauenden armenischen Erhebungsmasse, das glanz- volle Niniveh, die Beherrscherin von ganz Vorder-Asien. Nur eine Stadt, an einem großen verbindenden Strome gelegen, anderseits von allen Seiten auf großen Verkehrswegen zugänglich, konnte in diesen so verschiedenartig gestalteten Ländern einen verläßlichen und brauchbaren Herrschersitz abgeben. Auch das turanische Bactra und das iranische Rhages besaßen ähnliche Vorbedingungen. Da aber die große Verbindungslinie vom west- lichsten Gestade, von Sardes und Gordium bis zum Industhal hinab, mehrere derartige Machtcentren berührte, so war eine Weltherrschaft in diesem weitläufigen Ländergebiete nur vorüber- gehend denkbar. Sie hat gleichwol viermal bestanden: unter Ninos und Semiramis, unter Kyrus, dann im Anfang des siebenten Jahrhundertes unserer Zeitrechnung unter Chosru Parwis 1 1 Er war indeß nur der Erbe und Vervollständiger einer Macht, die
eigentlich von seinem viel bedeutenderen Großvater Nuschirwan angebahnt wurde. Mohammed selber soll sich glücklich geschätzt haben, daß er ge- boren wurde, als ein so großer König auf dem Throne saß. In der Armeniens culturhiſtoriſche Stellung. und dadurch zumeiſt auch politiſch von einander in Abhängigkeitwaren, beweiſt nur, daß gerade die Vielartigkeit aller natürlichen Lebens-Aeußerungen, gemeinſame Bedürfniſſe bei Verſchiedenheit der Landes-Erzeugniſſe und Bodenproducte, die wahren und eigentlichen Ebner und Beſeitiger ethnologiſcher Grenzen waren, ſo lange noch Ruhmesdurſt und Sucht nach Glanz und Reich- thum die großen Herrſcher der älteſten Vorzeit zu ihren Er- oberungen trieb. Das tropiſche Meſopotamien mit ſeinen Palmen- hainen, ſeinen perſiſchen Perlenfiſchern und den Gewürzen Ara- biens, neben dem rauhen Iran, wo mehr der Hände Fleiß Schätze ſchaffen mußte, ſowie neben dem metallreichen Armenien und ſeinem Ueberfluſſe an Vieh und nordiſchen Sclaven; waren, trotz ihres verſchiedenartigen Naturtypus, immerdar auf einander angewieſen. Sogar das entlegenere Kleinaſien, mit ſeinen mehr europäiſchen Producten und ſeinen, durch eine andere Klimatik bedingten Bedürfniſſen, ward bald nur ein Glied der großen weſtaſiatiſchen Völker-Heimſtätten. Von Babel herauf zog Aſſur und gründete am oberen Tigris, hart am Fuße der kurdiſchen Alpenwelt und am Eingange jener nach Norden zu immer im- poſanter ſich aufbauenden armeniſchen Erhebungsmaſſe, das glanz- volle Niniveh, die Beherrſcherin von ganz Vorder-Aſien. Nur eine Stadt, an einem großen verbindenden Strome gelegen, anderſeits von allen Seiten auf großen Verkehrswegen zugänglich, konnte in dieſen ſo verſchiedenartig geſtalteten Ländern einen verläßlichen und brauchbaren Herrſcherſitz abgeben. Auch das turaniſche Bactra und das iraniſche Rhages beſaßen ähnliche Vorbedingungen. Da aber die große Verbindungslinie vom weſt- lichſten Geſtade, von Sardes und Gordium bis zum Industhal hinab, mehrere derartige Machtcentren berührte, ſo war eine Weltherrſchaft in dieſem weitläufigen Ländergebiete nur vorüber- gehend denkbar. Sie hat gleichwol viermal beſtanden: unter Ninos und Semiramis, unter Kyrus, dann im Anfang des ſiebenten Jahrhundertes unſerer Zeitrechnung unter Chosru Parwis 1 1 Er war indeß nur der Erbe und Vervollſtändiger einer Macht, die
eigentlich von ſeinem viel bedeutenderen Großvater Nuſchirwan angebahnt wurde. Mohammed ſelber ſoll ſich glücklich geſchätzt haben, daß er ge- boren wurde, als ein ſo großer König auf dem Throne ſaß. In der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0165" n="133"/><fw place="top" type="header">Armeniens culturhiſtoriſche Stellung.</fw><lb/> und dadurch zumeiſt auch politiſch von einander in Abhängigkeit<lb/> waren, beweiſt nur, daß gerade die Vielartigkeit aller natürlichen<lb/> Lebens-Aeußerungen, gemeinſame Bedürfniſſe bei Verſchiedenheit<lb/> der Landes-Erzeugniſſe und Bodenproducte, die wahren und<lb/> eigentlichen Ebner und Beſeitiger ethnologiſcher Grenzen waren,<lb/> ſo lange noch Ruhmesdurſt und Sucht nach Glanz und Reich-<lb/> thum die großen Herrſcher der älteſten Vorzeit zu ihren Er-<lb/> oberungen trieb. Das tropiſche Meſopotamien mit ſeinen Palmen-<lb/> hainen, ſeinen perſiſchen Perlenfiſchern und den Gewürzen Ara-<lb/> biens, neben dem rauhen Iran, wo mehr der Hände Fleiß<lb/> Schätze ſchaffen mußte, ſowie neben dem metallreichen Armenien<lb/> und ſeinem Ueberfluſſe an Vieh und nordiſchen Sclaven; waren,<lb/> trotz ihres verſchiedenartigen Naturtypus, immerdar auf einander<lb/> angewieſen. Sogar das entlegenere Kleinaſien, mit ſeinen mehr<lb/> europäiſchen Producten und ſeinen, durch eine andere Klimatik<lb/> bedingten Bedürfniſſen, ward bald nur ein Glied der großen<lb/> weſtaſiatiſchen Völker-Heimſtätten. Von Babel herauf zog Aſſur<lb/> und gründete am oberen Tigris, hart am Fuße der kurdiſchen<lb/> Alpenwelt und am Eingange jener nach Norden zu immer im-<lb/> poſanter ſich aufbauenden armeniſchen Erhebungsmaſſe, das glanz-<lb/> volle Niniveh, die Beherrſcherin von ganz Vorder-Aſien. Nur<lb/> eine Stadt, an einem großen verbindenden Strome gelegen,<lb/> anderſeits von allen Seiten auf großen Verkehrswegen zugänglich,<lb/> konnte in dieſen ſo verſchiedenartig geſtalteten Ländern einen<lb/> verläßlichen und brauchbaren Herrſcherſitz abgeben. Auch das<lb/> turaniſche Bactra und das iraniſche Rhages beſaßen ähnliche<lb/> Vorbedingungen. Da aber die große Verbindungslinie vom weſt-<lb/> lichſten Geſtade, von Sardes und Gordium bis zum Industhal<lb/> hinab, mehrere derartige Machtcentren berührte, ſo war eine<lb/> Weltherrſchaft in dieſem weitläufigen Ländergebiete nur vorüber-<lb/> gehend denkbar. Sie hat gleichwol viermal beſtanden: unter<lb/> Ninos und Semiramis, unter Kyrus, dann im Anfang des<lb/> ſiebenten Jahrhundertes unſerer Zeitrechnung unter Chosru Parwis <note xml:id="seg2pn_13_1" next="#seg2pn_13_2" place="foot" n="1">Er war indeß nur der Erbe und Vervollſtändiger einer Macht, die<lb/> eigentlich von ſeinem viel bedeutenderen Großvater Nuſchirwan angebahnt<lb/> wurde. Mohammed ſelber ſoll ſich glücklich geſchätzt haben, daß er ge-<lb/> boren wurde, als ein ſo großer König auf dem Throne ſaß. In der</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0165]
Armeniens culturhiſtoriſche Stellung.
und dadurch zumeiſt auch politiſch von einander in Abhängigkeit
waren, beweiſt nur, daß gerade die Vielartigkeit aller natürlichen
Lebens-Aeußerungen, gemeinſame Bedürfniſſe bei Verſchiedenheit
der Landes-Erzeugniſſe und Bodenproducte, die wahren und
eigentlichen Ebner und Beſeitiger ethnologiſcher Grenzen waren,
ſo lange noch Ruhmesdurſt und Sucht nach Glanz und Reich-
thum die großen Herrſcher der älteſten Vorzeit zu ihren Er-
oberungen trieb. Das tropiſche Meſopotamien mit ſeinen Palmen-
hainen, ſeinen perſiſchen Perlenfiſchern und den Gewürzen Ara-
biens, neben dem rauhen Iran, wo mehr der Hände Fleiß
Schätze ſchaffen mußte, ſowie neben dem metallreichen Armenien
und ſeinem Ueberfluſſe an Vieh und nordiſchen Sclaven; waren,
trotz ihres verſchiedenartigen Naturtypus, immerdar auf einander
angewieſen. Sogar das entlegenere Kleinaſien, mit ſeinen mehr
europäiſchen Producten und ſeinen, durch eine andere Klimatik
bedingten Bedürfniſſen, ward bald nur ein Glied der großen
weſtaſiatiſchen Völker-Heimſtätten. Von Babel herauf zog Aſſur
und gründete am oberen Tigris, hart am Fuße der kurdiſchen
Alpenwelt und am Eingange jener nach Norden zu immer im-
poſanter ſich aufbauenden armeniſchen Erhebungsmaſſe, das glanz-
volle Niniveh, die Beherrſcherin von ganz Vorder-Aſien. Nur
eine Stadt, an einem großen verbindenden Strome gelegen,
anderſeits von allen Seiten auf großen Verkehrswegen zugänglich,
konnte in dieſen ſo verſchiedenartig geſtalteten Ländern einen
verläßlichen und brauchbaren Herrſcherſitz abgeben. Auch das
turaniſche Bactra und das iraniſche Rhages beſaßen ähnliche
Vorbedingungen. Da aber die große Verbindungslinie vom weſt-
lichſten Geſtade, von Sardes und Gordium bis zum Industhal
hinab, mehrere derartige Machtcentren berührte, ſo war eine
Weltherrſchaft in dieſem weitläufigen Ländergebiete nur vorüber-
gehend denkbar. Sie hat gleichwol viermal beſtanden: unter
Ninos und Semiramis, unter Kyrus, dann im Anfang des
ſiebenten Jahrhundertes unſerer Zeitrechnung unter Chosru Parwis 1
1 Er war indeß nur der Erbe und Vervollſtändiger einer Macht, die
eigentlich von ſeinem viel bedeutenderen Großvater Nuſchirwan angebahnt
wurde. Mohammed ſelber ſoll ſich glücklich geſchätzt haben, daß er ge-
boren wurde, als ein ſo großer König auf dem Throne ſaß. In der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |