Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Einleitende Bemerkungen. geographischer Beziehung wichtigen Lande, wie Armenien, be-schäftigt, ein Capitel politischen und zeitgeschichtlichen Inhaltes voranzusetzen ... Mit Rußlands Verlegung seiner Grenzpfähle bis zum Großen Einleitende Bemerkungen. geographiſcher Beziehung wichtigen Lande, wie Armenien, be-ſchäftigt, ein Capitel politiſchen und zeitgeſchichtlichen Inhaltes voranzuſetzen … Mit Rußlands Verlegung ſeiner Grenzpfähle bis zum Großen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="XII"/><fw place="top" type="header">Einleitende Bemerkungen.</fw><lb/> geographiſcher Beziehung wichtigen Lande, wie Armenien, be-<lb/> ſchäftigt, ein Capitel politiſchen und zeitgeſchichtlichen Inhaltes<lb/> voranzuſetzen …</p><lb/> <p>Mit Rußlands Verlegung ſeiner Grenzpfähle bis zum Großen<lb/> Ararat nach den perſiſchen und ruſſiſch-türkiſchen Kriegen 1826<lb/> bis 1829, d. h. nach den Friedensſchlüſſen von Turkmantſchai<lb/> und Adrianopel, ſchien England des müßgen Zuſehens gegenüber<lb/> den ſtetig ſtattfindenden Machtverſchiebungen an der Schwelle<lb/> Irans überdrüſſig. Eine politiſche Preſſion auf die Verhältniſſe<lb/> ſchien freilich nicht gut möglich, und ſo bediente man ſich an-<lb/> fänglich engliſcherſeits anderer Mittel. Der Beſuch engliſcher<lb/> Miſſionäre nahm um dieſe Zeit in Vorder-Aſien erheblich zu,<lb/> namentlich in den öſtlichen und centralen tauriſchen Diſtricten,<lb/> alſo an der eigentlichen geographiſchen Schranke zwiſchen einer<lb/> allfälligen ruſſiſchen und engliſchen Macht- und Intereſſen-Sphäre.<lb/> Leider ſind über dieſe Anfänge brittiſchen Einfluſſes nur Er-<lb/> innerungen zurückgeblieben, welche das allerungünſtigſte Licht<lb/> auf die engliſche Proſelytenmacherei werfen. So hatten beiſpiels-<lb/> weiſe die Kurden des Neſtorianer-Diſtrictes von Hakkiari eine<lb/> für jene Naturſöhne höchſt außergewöhnliche Hochachtung vor<lb/> dem Wirken der amerikaniſchen Miſſionsbrüder erlangt, wie es<lb/> vor einigen Decennien und gerade nach dem erſten ſiegreichen<lb/> Feldzuge der Ruſſen in Armenien (1829) blühte. Dagegen<lb/> wußten die engliſch-hochkirchlichen Miſſionäre nichts beſſeres zu<lb/> thun, als die Kurden, welche doch unter Umſtänden ſehr fanatiſche<lb/> Mohammedaner zu ſein vermögen, gegen die Amerikaner und<lb/> ihre neſtorianiſchen Schutzbefohlenen aufzuhetzen, und ſo jenes<lb/> Blutbad hervorzurufen, das weit erſchütternder war als die<lb/> Maronitenſchlächterei im Jahre 1860, wobei die Engländer be-<lb/> kanntlich gleichfalls ihre Hände im Spiele hatten. Das Haupt<lb/> der damaligen hochkirchlich-biſchöflichen Propagandiſten in Hakkiari<lb/> aber war ſo naiv, oder übelwollend, daß es nach der entſetzlichen<lb/> Kataſtrophe von Aſchitah das Handeln des blutdürſtigen Bedr<lb/> Khan noch zu entſchuldigen wagte. „Wie myſteriös“, ruft Hr.<lb/> Badger (<hi rendition="#aq">The Nestorians, I,</hi> 301) aus, „waren die Wege des<lb/> Allmächtigen, indem er zuließ, daß die ungläubigen Kurden ſo<lb/> viele Tauſend Anhänger Chriſti ſchlachteten! Wir dürfen gleich-<lb/> wohl nicht zweifeln, daß Gott ein erhabenes Ziel bei dieſer Zu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [XII/0016]
Einleitende Bemerkungen.
geographiſcher Beziehung wichtigen Lande, wie Armenien, be-
ſchäftigt, ein Capitel politiſchen und zeitgeſchichtlichen Inhaltes
voranzuſetzen …
Mit Rußlands Verlegung ſeiner Grenzpfähle bis zum Großen
Ararat nach den perſiſchen und ruſſiſch-türkiſchen Kriegen 1826
bis 1829, d. h. nach den Friedensſchlüſſen von Turkmantſchai
und Adrianopel, ſchien England des müßgen Zuſehens gegenüber
den ſtetig ſtattfindenden Machtverſchiebungen an der Schwelle
Irans überdrüſſig. Eine politiſche Preſſion auf die Verhältniſſe
ſchien freilich nicht gut möglich, und ſo bediente man ſich an-
fänglich engliſcherſeits anderer Mittel. Der Beſuch engliſcher
Miſſionäre nahm um dieſe Zeit in Vorder-Aſien erheblich zu,
namentlich in den öſtlichen und centralen tauriſchen Diſtricten,
alſo an der eigentlichen geographiſchen Schranke zwiſchen einer
allfälligen ruſſiſchen und engliſchen Macht- und Intereſſen-Sphäre.
Leider ſind über dieſe Anfänge brittiſchen Einfluſſes nur Er-
innerungen zurückgeblieben, welche das allerungünſtigſte Licht
auf die engliſche Proſelytenmacherei werfen. So hatten beiſpiels-
weiſe die Kurden des Neſtorianer-Diſtrictes von Hakkiari eine
für jene Naturſöhne höchſt außergewöhnliche Hochachtung vor
dem Wirken der amerikaniſchen Miſſionsbrüder erlangt, wie es
vor einigen Decennien und gerade nach dem erſten ſiegreichen
Feldzuge der Ruſſen in Armenien (1829) blühte. Dagegen
wußten die engliſch-hochkirchlichen Miſſionäre nichts beſſeres zu
thun, als die Kurden, welche doch unter Umſtänden ſehr fanatiſche
Mohammedaner zu ſein vermögen, gegen die Amerikaner und
ihre neſtorianiſchen Schutzbefohlenen aufzuhetzen, und ſo jenes
Blutbad hervorzurufen, das weit erſchütternder war als die
Maronitenſchlächterei im Jahre 1860, wobei die Engländer be-
kanntlich gleichfalls ihre Hände im Spiele hatten. Das Haupt
der damaligen hochkirchlich-biſchöflichen Propagandiſten in Hakkiari
aber war ſo naiv, oder übelwollend, daß es nach der entſetzlichen
Kataſtrophe von Aſchitah das Handeln des blutdürſtigen Bedr
Khan noch zu entſchuldigen wagte. „Wie myſteriös“, ruft Hr.
Badger (The Nestorians, I, 301) aus, „waren die Wege des
Allmächtigen, indem er zuließ, daß die ungläubigen Kurden ſo
viele Tauſend Anhänger Chriſti ſchlachteten! Wir dürfen gleich-
wohl nicht zweifeln, daß Gott ein erhabenes Ziel bei dieſer Zu-
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