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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Die Lazen. Batum.
dessen unverläßliches Gesindel1, und zu jeder Schandthat bereit,
wenn sie entsprechend bezahlt werden, Eigenschaften, die sie mit
ihren "arischen Brüdern", den Kurden, so ziemlich in eine Kate-
gorie stellen lassen2.

Wenden wir uns nun dem Mündungsgebiete des Tschoruk-
Su und der lazischen Hauptstadt Batum zu. Nur zwei Meilen
südlich des Forts St. Nikolaj schleicht ein unansehnliches Flüß-
chen dem schwarzen Meere zu. Sein Name ist Tscholoch-Su,
d. i.: "Faulfluß", und wie sein trübes, stinkendes Wasser, so ist
auch die Gegend ringsum ein trostloses Fieberland, das die Be-
wohner meiden, zumal im Sommer, wo die naheliegenden Berge
eine willkommene Zufluchtsstätte abgeben. Das kann unmöglich
immer so gewesen sein, da es uns bekannt ist, wie sehr das
kleine Gurien unter seinen einheimischen Königen, die langjährige
Feudalswirthschaft abgerechnet, prosperirte3. Die gegenwärtige
klimatische Calamität erhält indeß gegen den cholchischen Küsten-
strich hin noch weit prägnanteren Ausdruck. Mitten aus tödt-
lichem Sumpfe ragen die Pallissaden des Forts St. Nicolaj,
und was in dieser leibhaften Gruft Jahr und Tag waltet, trägt
den Stempel der Verwesung, des langsamen Dahinsiechens nach-
gerade auf der Stirne. Nur die in Rußland mit beispielloser
Strenge gehandhabte Grenzbewachung konnte die Militärleitung
bestimmt haben, auch in diesem traurigen Exile einen Militär-
posten zu unterhalten; der lesghischen und adjarischen Mädchen-
händler halber mußte eine ausdauernde und opferwillige Gar-

1 Rottiers, "Itineraire de Tiflis a Constantinopel", 181 (bei Ritter,
a. a. O.).
2 Wie bei den Bosniern, Pomaken (bulgarischen Mohammedanern),
Arnauten, mohammedanischen Kretensern u. a. ehemals christlichen Völkern,
die zum Islam übertraten, sind auch die Lazen die erbittertsten Feinde
ihrer früheren Glaubensgenossen, und dieser fanatische Haß trägt wesent-
lich dazu bei, daß Europäer auf das bedenkliche Vergnügen einer Durch-
forschung Lazistans verzichten, so interessant es wäre, endlich umfassendere
Aufklärungen über dasselbe zu erhalten. Die Sprache der Lazen ist nach
Dr. Rosen, der den ersten Andeutungen Klaproths (Asia polyglotta) gefolgt
ist, ein Dialekt des georgischen Sprachstammes, also das "Kartli", welches
die sogenannten "cartalinischen" Völker des transkaukasischen Tieflandes und
einzelne Bergvölker (wie die Swanen) sprechen.
3 K. Koch, "Die kaukasischen Länder", 81.

Die Lazen. Batum.
deſſen unverläßliches Geſindel1, und zu jeder Schandthat bereit,
wenn ſie entſprechend bezahlt werden, Eigenſchaften, die ſie mit
ihren „ariſchen Brüdern“, den Kurden, ſo ziemlich in eine Kate-
gorie ſtellen laſſen2.

Wenden wir uns nun dem Mündungsgebiete des Tſchoruk-
Su und der laziſchen Hauptſtadt Batum zu. Nur zwei Meilen
ſüdlich des Forts St. Nikolaj ſchleicht ein unanſehnliches Flüß-
chen dem ſchwarzen Meere zu. Sein Name iſt Tſcholoch-Su,
d. i.: „Faulfluß“, und wie ſein trübes, ſtinkendes Waſſer, ſo iſt
auch die Gegend ringsum ein troſtloſes Fieberland, das die Be-
wohner meiden, zumal im Sommer, wo die naheliegenden Berge
eine willkommene Zufluchtsſtätte abgeben. Das kann unmöglich
immer ſo geweſen ſein, da es uns bekannt iſt, wie ſehr das
kleine Gurien unter ſeinen einheimiſchen Königen, die langjährige
Feudalswirthſchaft abgerechnet, prosperirte3. Die gegenwärtige
klimatiſche Calamität erhält indeß gegen den cholchiſchen Küſten-
ſtrich hin noch weit prägnanteren Ausdruck. Mitten aus tödt-
lichem Sumpfe ragen die Palliſſaden des Forts St. Nicolaj,
und was in dieſer leibhaften Gruft Jahr und Tag waltet, trägt
den Stempel der Verweſung, des langſamen Dahinſiechens nach-
gerade auf der Stirne. Nur die in Rußland mit beiſpielloſer
Strenge gehandhabte Grenzbewachung konnte die Militärleitung
beſtimmt haben, auch in dieſem traurigen Exile einen Militär-
poſten zu unterhalten; der lesghiſchen und adjariſchen Mädchen-
händler halber mußte eine ausdauernde und opferwillige Gar-

1 Rottiers, „Itinéraire de Tiflis à Constantinopel“, 181 (bei Ritter,
a. a. O.).
2 Wie bei den Bosniern, Pomaken (bulgariſchen Mohammedanern),
Arnauten, mohammedaniſchen Kretenſern u. a. ehemals chriſtlichen Völkern,
die zum Islam übertraten, ſind auch die Lazen die erbittertſten Feinde
ihrer früheren Glaubensgenoſſen, und dieſer fanatiſche Haß trägt weſent-
lich dazu bei, daß Europäer auf das bedenkliche Vergnügen einer Durch-
forſchung Laziſtans verzichten, ſo intereſſant es wäre, endlich umfaſſendere
Aufklärungen über daſſelbe zu erhalten. Die Sprache der Lazen iſt nach
Dr. Roſen, der den erſten Andeutungen Klaproths (Asia polyglotta) gefolgt
iſt, ein Dialekt des georgiſchen Sprachſtammes, alſo das „Kartli“, welches
die ſogenannten „cartaliniſchen“ Völker des transkaukaſiſchen Tieflandes und
einzelne Bergvölker (wie die Swanen) ſprechen.
3 K. Koch, „Die kaukaſiſchen Länder“, 81.
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[89/0121] Die Lazen. Batum. deſſen unverläßliches Geſindel 1, und zu jeder Schandthat bereit, wenn ſie entſprechend bezahlt werden, Eigenſchaften, die ſie mit ihren „ariſchen Brüdern“, den Kurden, ſo ziemlich in eine Kate- gorie ſtellen laſſen 2. Wenden wir uns nun dem Mündungsgebiete des Tſchoruk- Su und der laziſchen Hauptſtadt Batum zu. Nur zwei Meilen ſüdlich des Forts St. Nikolaj ſchleicht ein unanſehnliches Flüß- chen dem ſchwarzen Meere zu. Sein Name iſt Tſcholoch-Su, d. i.: „Faulfluß“, und wie ſein trübes, ſtinkendes Waſſer, ſo iſt auch die Gegend ringsum ein troſtloſes Fieberland, das die Be- wohner meiden, zumal im Sommer, wo die naheliegenden Berge eine willkommene Zufluchtsſtätte abgeben. Das kann unmöglich immer ſo geweſen ſein, da es uns bekannt iſt, wie ſehr das kleine Gurien unter ſeinen einheimiſchen Königen, die langjährige Feudalswirthſchaft abgerechnet, prosperirte 3. Die gegenwärtige klimatiſche Calamität erhält indeß gegen den cholchiſchen Küſten- ſtrich hin noch weit prägnanteren Ausdruck. Mitten aus tödt- lichem Sumpfe ragen die Palliſſaden des Forts St. Nicolaj, und was in dieſer leibhaften Gruft Jahr und Tag waltet, trägt den Stempel der Verweſung, des langſamen Dahinſiechens nach- gerade auf der Stirne. Nur die in Rußland mit beiſpielloſer Strenge gehandhabte Grenzbewachung konnte die Militärleitung beſtimmt haben, auch in dieſem traurigen Exile einen Militär- poſten zu unterhalten; der lesghiſchen und adjariſchen Mädchen- händler halber mußte eine ausdauernde und opferwillige Gar- 1 Rottiers, „Itinéraire de Tiflis à Constantinopel“, 181 (bei Ritter, a. a. O.). 2 Wie bei den Bosniern, Pomaken (bulgariſchen Mohammedanern), Arnauten, mohammedaniſchen Kretenſern u. a. ehemals chriſtlichen Völkern, die zum Islam übertraten, ſind auch die Lazen die erbittertſten Feinde ihrer früheren Glaubensgenoſſen, und dieſer fanatiſche Haß trägt weſent- lich dazu bei, daß Europäer auf das bedenkliche Vergnügen einer Durch- forſchung Laziſtans verzichten, ſo intereſſant es wäre, endlich umfaſſendere Aufklärungen über daſſelbe zu erhalten. Die Sprache der Lazen iſt nach Dr. Roſen, der den erſten Andeutungen Klaproths (Asia polyglotta) gefolgt iſt, ein Dialekt des georgiſchen Sprachſtammes, alſo das „Kartli“, welches die ſogenannten „cartaliniſchen“ Völker des transkaukaſiſchen Tieflandes und einzelne Bergvölker (wie die Swanen) ſprechen. 3 K. Koch, „Die kaukaſiſchen Länder“, 81.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/121>, abgerufen am 25.11.2024.