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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

Die forstliche Obrigkeit enthielt: 1. den Wildbann, 2. das Forst-
recht
oder die Waldgerechtigkeit, Forstgerechtigkeit.

Das Forstrecht wurde selbst wieder in ein höheres und ein nie-
deres
eingeteilt.

Das höhere Forstrecht umfasste namentlich die landespolizeiliche
Überwachung der gesamten Forstwirtschaft, sowie die Befugnis zum
Erlass von Forstordnungen, und konnte nur vom Landesherrn ausgeübt
werden. Das niedere Forstrecht schloss die Berechtigung zur Aufsicht
über forstmässige Waldbenutung nach Massgabe der Forstordnungen,
sowie die Forstgerichtsbarkeit in sich und konnte auch landsässigen
Adeligen, Prälaten und Landstädten zustehen.

Die Forsthoheit der älteren Autoren umfasste demnach: 1. die
gesetzgebende Gewalt im Forstwesen, sowie die Befugnisse, welche
der Verwaltung auf Grund der bestehenden Rechtsordnung zukamen;
2. Rechte mit echtem Regalitätscharakter, welche sich der Staat aus-
schliesslich vorbehalten hatte, und deren Ausübung bisweilen auch ver-
liehen wurde; 3. fiskalische Rechte, welche sich aus dem Besitz und
der Verwaltung der Staatsforsten ergaben, ferner servitutarische Rechte
und solche, welche nicht gerade staatswirtschaftlicher Natur waren.

Die auf Grund der Forsthoheit erlassenen Anordnungen galten, so-
weit nichts anderes bemerkt war, für sämtliche Waldungen ohne Rück-
sicht auf den Besitzstand. Die Veröffentlichung derselben erfolgte in
Landtagsabschieden und Landesordnungen, Polizeiordnungen, Spezial-
mandaten und namentlich in den zahlreichen Forstordnungen.

Die Forsthoheit war keineswegs zur gleichen Zeit in ganz Deutsch-
land gleichmässig entwickelt, sondern entsprach im wesentlichen der
gesamten Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse. Je vorgeschrittener
die Kultur überhaupt, je dichter die Bevölkerung und je stärker daher
das Bedürfnis nach den Produkten des immer mehr zurückgedrängten
Waldes, desto notwendiger war auch das Eingreifen zum Schutze des
letzteren. Im Süden und Westen von Deutschland war deshalb die
Forsthoheit stets jeweils verhältnismässig am intensivsten ausgeprägt,
während der Norden und Osten um fast 200 Jahre zurückstand, aber
der Entwickelungsgang war hier der gleiche wie dort, nur entsprechend
verzögert, bis der gewaltige Umschwung im gesamten Staats- und Wirt-
schaftsleben zu Anfang des 19. Jahrhunderts auch auf diesem Gebiet
seine Wirkungen geltend machte.

§ 2. Die Umgestaltung der Forsthoheit im 19. Jahrhundert zur moder-
nen Forstpolitik
. Unter dem Einflusse der grossartigen Veränderungen der
staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Anschauungen während der
letzten 100 Jahre hat auch das Wesen und der Begriff der Forsthoheit
bedeutsame Veränderungen erfahren.

Zunächst erfolgte eine vollständige Trennung des jagdlichen und

B. Zweiter (spezieller) Teil.

Die forstliche Obrigkeit enthielt: 1. den Wildbann, 2. das Forst-
recht
oder die Waldgerechtigkeit, Forstgerechtigkeit.

Das Forstrecht wurde selbst wieder in ein höheres und ein nie-
deres
eingeteilt.

Das höhere Forstrecht umfaſste namentlich die landespolizeiliche
Überwachung der gesamten Forstwirtschaft, sowie die Befugnis zum
Erlaſs von Forstordnungen, und konnte nur vom Landesherrn ausgeübt
werden. Das niedere Forstrecht schloſs die Berechtigung zur Aufsicht
über forstmäſsige Waldbenutung nach Maſsgabe der Forstordnungen,
sowie die Forstgerichtsbarkeit in sich und konnte auch landsässigen
Adeligen, Prälaten und Landstädten zustehen.

Die Forsthoheit der älteren Autoren umfaſste demnach: 1. die
gesetzgebende Gewalt im Forstwesen, sowie die Befugnisse, welche
der Verwaltung auf Grund der bestehenden Rechtsordnung zukamen;
2. Rechte mit echtem Regalitätscharakter, welche sich der Staat aus-
schlieſslich vorbehalten hatte, und deren Ausübung bisweilen auch ver-
liehen wurde; 3. fiskalische Rechte, welche sich aus dem Besitz und
der Verwaltung der Staatsforsten ergaben, ferner servitutarische Rechte
und solche, welche nicht gerade staatswirtschaftlicher Natur waren.

Die auf Grund der Forsthoheit erlassenen Anordnungen galten, so-
weit nichts anderes bemerkt war, für sämtliche Waldungen ohne Rück-
sicht auf den Besitzstand. Die Veröffentlichung derselben erfolgte in
Landtagsabschieden und Landesordnungen, Polizeiordnungen, Spezial-
mandaten und namentlich in den zahlreichen Forstordnungen.

Die Forsthoheit war keineswegs zur gleichen Zeit in ganz Deutsch-
land gleichmäſsig entwickelt, sondern entsprach im wesentlichen der
gesamten Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse. Je vorgeschrittener
die Kultur überhaupt, je dichter die Bevölkerung und je stärker daher
das Bedürfnis nach den Produkten des immer mehr zurückgedrängten
Waldes, desto notwendiger war auch das Eingreifen zum Schutze des
letzteren. Im Süden und Westen von Deutschland war deshalb die
Forsthoheit stets jeweils verhältnismäſsig am intensivsten ausgeprägt,
während der Norden und Osten um fast 200 Jahre zurückstand, aber
der Entwickelungsgang war hier der gleiche wie dort, nur entsprechend
verzögert, bis der gewaltige Umschwung im gesamten Staats- und Wirt-
schaftsleben zu Anfang des 19. Jahrhunderts auch auf diesem Gebiet
seine Wirkungen geltend machte.

§ 2. Die Umgestaltung der Forsthoheit im 19. Jahrhundert zur moder-
nen Forstpolitik
. Unter dem Einflusse der groſsartigen Veränderungen der
staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Anschauungen während der
letzten 100 Jahre hat auch das Wesen und der Begriff der Forsthoheit
bedeutsame Veränderungen erfahren.

Zunächst erfolgte eine vollständige Trennung des jagdlichen und

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[72/0090] B. Zweiter (spezieller) Teil. Die forstliche Obrigkeit enthielt: 1. den Wildbann, 2. das Forst- recht oder die Waldgerechtigkeit, Forstgerechtigkeit. Das Forstrecht wurde selbst wieder in ein höheres und ein nie- deres eingeteilt. Das höhere Forstrecht umfaſste namentlich die landespolizeiliche Überwachung der gesamten Forstwirtschaft, sowie die Befugnis zum Erlaſs von Forstordnungen, und konnte nur vom Landesherrn ausgeübt werden. Das niedere Forstrecht schloſs die Berechtigung zur Aufsicht über forstmäſsige Waldbenutung nach Maſsgabe der Forstordnungen, sowie die Forstgerichtsbarkeit in sich und konnte auch landsässigen Adeligen, Prälaten und Landstädten zustehen. Die Forsthoheit der älteren Autoren umfaſste demnach: 1. die gesetzgebende Gewalt im Forstwesen, sowie die Befugnisse, welche der Verwaltung auf Grund der bestehenden Rechtsordnung zukamen; 2. Rechte mit echtem Regalitätscharakter, welche sich der Staat aus- schlieſslich vorbehalten hatte, und deren Ausübung bisweilen auch ver- liehen wurde; 3. fiskalische Rechte, welche sich aus dem Besitz und der Verwaltung der Staatsforsten ergaben, ferner servitutarische Rechte und solche, welche nicht gerade staatswirtschaftlicher Natur waren. Die auf Grund der Forsthoheit erlassenen Anordnungen galten, so- weit nichts anderes bemerkt war, für sämtliche Waldungen ohne Rück- sicht auf den Besitzstand. Die Veröffentlichung derselben erfolgte in Landtagsabschieden und Landesordnungen, Polizeiordnungen, Spezial- mandaten und namentlich in den zahlreichen Forstordnungen. Die Forsthoheit war keineswegs zur gleichen Zeit in ganz Deutsch- land gleichmäſsig entwickelt, sondern entsprach im wesentlichen der gesamten Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse. Je vorgeschrittener die Kultur überhaupt, je dichter die Bevölkerung und je stärker daher das Bedürfnis nach den Produkten des immer mehr zurückgedrängten Waldes, desto notwendiger war auch das Eingreifen zum Schutze des letzteren. Im Süden und Westen von Deutschland war deshalb die Forsthoheit stets jeweils verhältnismäſsig am intensivsten ausgeprägt, während der Norden und Osten um fast 200 Jahre zurückstand, aber der Entwickelungsgang war hier der gleiche wie dort, nur entsprechend verzögert, bis der gewaltige Umschwung im gesamten Staats- und Wirt- schaftsleben zu Anfang des 19. Jahrhunderts auch auf diesem Gebiet seine Wirkungen geltend machte. § 2. Die Umgestaltung der Forsthoheit im 19. Jahrhundert zur moder- nen Forstpolitik. Unter dem Einflusse der groſsartigen Veränderungen der staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Anschauungen während der letzten 100 Jahre hat auch das Wesen und der Begriff der Forsthoheit bedeutsame Veränderungen erfahren. Zunächst erfolgte eine vollständige Trennung des jagdlichen und

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/90>, abgerufen am 26.11.2024.