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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.
nung des bestimmten Grundstückes als Wald durch ein
berufenes Organ der Staatsgewalt
.

C. Heyer sagt nämlich: Wald- oder Forstgrund nennt man solches
Gelände, auf welchem Forstrechte haften, und welches der Forstpolizei
unterworfen ist.

Ähnlich bestimmt Art. 1 des württembergischen Forstpolizeigesetzes:
Wald sind alle Grundstücke, welche als zur Gewinnung von Holz, sowie
der mit der Holzzucht verbundenen Nebennutzungen auf die Dauer be-
stimmt, von der Forstpolizeibehörde unter die Forsthoheit des Staates
gestellt sind.

Das Erfordernis der polizeilichen Bezeichnung einer Fläche als
Wald erleichtert zwar die praktische Durchführung des Gesetzes, ist aber
ungeeignet für eine allgemein anwendbare Definition.

Die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Fläche als "Wald"
anzusehen ist oder nicht, kann in unseren Kulturstaaten allerdings eben
wegen der Mannigfaltigkeit der hierbei zu berücksichtigenden Verhält-
nisse öfters nur im Anhalt an die jeweiligen gesetzlichen Bestim-
mungen erfolgen; wo solche fehlen, muss das auf die thatsächlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse gestützte Gutachten Platz greifen.

Die Form des Waldes, die sich unter dem ausschliesslichen Walten
der Naturkräfte entwickelt, nennt man Urwald. 1)

Sobald der Mensch anfängt, sich die im Urwald vorhandenen Güter
nutzbar zu machen, erfährt der Charakter des letzteren bald mehr bald
weniger weitgehende Veränderungen.

Nach mannigfachen Zwischengliedern wird die Fläche des Urwaldes
schliesslich entweder dauernd einer anderen Benutzungsweise zugeführt
(gerodet, in Feld, Wiese, Weide umgewandelt), oder dieselbe bleibt
ständig und systematisch der Holzproduktion gewidmet.

In letzterem Falle ist alsdann aus dem Urwald der Wirtschafts-
wald
hervorgegangen.

Ein bestimmt abgegrenzter Teil eines Wirtschaftswaldes wird ge-
wöhnlich "Forst" 2) genannt, doch ist dieser Ausdruck in Norddeutsch-
land verbreiteter als in Süddeutschland.


1) Urwaldungen sind gegenwärtig in Süd- und Westeuropa, namentlich in
Deutschland, Frankreich und Italien überhaupt nicht mehr vorhanden; Grossbritannien
kommt bei seiner geringen Waldfläche ohnehin nicht in Betracht. Echte Urwald-
bestände, in denen noch nie der Schlag der Axt ertönte, finden sich in einzelnen
Teilen des östlichen Galiziens und der Bukowina, sowie in Siebenbürgen, doch nimmt
auch hier ihre Fläche rapid ab. Osteuropa (Bosnien, Herzegowina, Rumänien und
vor allem Russland), ferner Schweden und der südliche Teil von Norwegen besitzen
dagegen noch ausgedehnte Urwaldungen.
2) Das Wort "Forst" ist ein reindeutsches Stammwort und bedeutete schon
in den ältesten Zeiten "Wald". Die althochdeutsche Form ist forst, mittelhochdeutsch
vorst, vorest, forest, foreis, foreht. Die letztgenannten sind romanischer Abkunft,

A. Erster (allgemeiner) Teil.
nung des bestimmten Grundstückes als Wald durch ein
berufenes Organ der Staatsgewalt
.

C. Heyer sagt nämlich: Wald- oder Forstgrund nennt man solches
Gelände, auf welchem Forstrechte haften, und welches der Forstpolizei
unterworfen ist.

Ähnlich bestimmt Art. 1 des württembergischen Forstpolizeigesetzes:
Wald sind alle Grundstücke, welche als zur Gewinnung von Holz, sowie
der mit der Holzzucht verbundenen Nebennutzungen auf die Dauer be-
stimmt, von der Forstpolizeibehörde unter die Forsthoheit des Staates
gestellt sind.

Das Erfordernis der polizeilichen Bezeichnung einer Fläche als
Wald erleichtert zwar die praktische Durchführung des Gesetzes, ist aber
ungeeignet für eine allgemein anwendbare Definition.

Die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Fläche als „Wald“
anzusehen ist oder nicht, kann in unseren Kulturstaaten allerdings eben
wegen der Mannigfaltigkeit der hierbei zu berücksichtigenden Verhält-
nisse öfters nur im Anhalt an die jeweiligen gesetzlichen Bestim-
mungen erfolgen; wo solche fehlen, muſs das auf die thatsächlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse gestützte Gutachten Platz greifen.

Die Form des Waldes, die sich unter dem ausschlieſslichen Walten
der Naturkräfte entwickelt, nennt man Urwald. 1)

Sobald der Mensch anfängt, sich die im Urwald vorhandenen Güter
nutzbar zu machen, erfährt der Charakter des letzteren bald mehr bald
weniger weitgehende Veränderungen.

Nach mannigfachen Zwischengliedern wird die Fläche des Urwaldes
schlieſslich entweder dauernd einer anderen Benutzungsweise zugeführt
(gerodet, in Feld, Wiese, Weide umgewandelt), oder dieselbe bleibt
ständig und systematisch der Holzproduktion gewidmet.

In letzterem Falle ist alsdann aus dem Urwald der Wirtschafts-
wald
hervorgegangen.

Ein bestimmt abgegrenzter Teil eines Wirtschaftswaldes wird ge-
wöhnlich „Forst2) genannt, doch ist dieser Ausdruck in Norddeutsch-
land verbreiteter als in Süddeutschland.


1) Urwaldungen sind gegenwärtig in Süd- und Westeuropa, namentlich in
Deutschland, Frankreich und Italien überhaupt nicht mehr vorhanden; Groſsbritannien
kommt bei seiner geringen Waldfläche ohnehin nicht in Betracht. Echte Urwald-
bestände, in denen noch nie der Schlag der Axt ertönte, finden sich in einzelnen
Teilen des östlichen Galiziens und der Bukowina, sowie in Siebenbürgen, doch nimmt
auch hier ihre Fläche rapid ab. Osteuropa (Bosnien, Herzegowina, Rumänien und
vor allem Ruſsland), ferner Schweden und der südliche Teil von Norwegen besitzen
dagegen noch ausgedehnte Urwaldungen.
2) Das Wort „Forst“ ist ein reindeutsches Stammwort und bedeutete schon
in den ältesten Zeiten „Wald“. Die althochdeutsche Form ist forst, mittelhochdeutsch
vorst, vorëst, forest, foreis, foreht. Die letztgenannten sind romanischer Abkunft,
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[6/0024] A. Erster (allgemeiner) Teil. nung des bestimmten Grundstückes als Wald durch ein berufenes Organ der Staatsgewalt. C. Heyer sagt nämlich: Wald- oder Forstgrund nennt man solches Gelände, auf welchem Forstrechte haften, und welches der Forstpolizei unterworfen ist. Ähnlich bestimmt Art. 1 des württembergischen Forstpolizeigesetzes: Wald sind alle Grundstücke, welche als zur Gewinnung von Holz, sowie der mit der Holzzucht verbundenen Nebennutzungen auf die Dauer be- stimmt, von der Forstpolizeibehörde unter die Forsthoheit des Staates gestellt sind. Das Erfordernis der polizeilichen Bezeichnung einer Fläche als Wald erleichtert zwar die praktische Durchführung des Gesetzes, ist aber ungeeignet für eine allgemein anwendbare Definition. Die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Fläche als „Wald“ anzusehen ist oder nicht, kann in unseren Kulturstaaten allerdings eben wegen der Mannigfaltigkeit der hierbei zu berücksichtigenden Verhält- nisse öfters nur im Anhalt an die jeweiligen gesetzlichen Bestim- mungen erfolgen; wo solche fehlen, muſs das auf die thatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse gestützte Gutachten Platz greifen. Die Form des Waldes, die sich unter dem ausschlieſslichen Walten der Naturkräfte entwickelt, nennt man Urwald. 1) Sobald der Mensch anfängt, sich die im Urwald vorhandenen Güter nutzbar zu machen, erfährt der Charakter des letzteren bald mehr bald weniger weitgehende Veränderungen. Nach mannigfachen Zwischengliedern wird die Fläche des Urwaldes schlieſslich entweder dauernd einer anderen Benutzungsweise zugeführt (gerodet, in Feld, Wiese, Weide umgewandelt), oder dieselbe bleibt ständig und systematisch der Holzproduktion gewidmet. In letzterem Falle ist alsdann aus dem Urwald der Wirtschafts- wald hervorgegangen. Ein bestimmt abgegrenzter Teil eines Wirtschaftswaldes wird ge- wöhnlich „Forst“ 2) genannt, doch ist dieser Ausdruck in Norddeutsch- land verbreiteter als in Süddeutschland. 1) Urwaldungen sind gegenwärtig in Süd- und Westeuropa, namentlich in Deutschland, Frankreich und Italien überhaupt nicht mehr vorhanden; Groſsbritannien kommt bei seiner geringen Waldfläche ohnehin nicht in Betracht. Echte Urwald- bestände, in denen noch nie der Schlag der Axt ertönte, finden sich in einzelnen Teilen des östlichen Galiziens und der Bukowina, sowie in Siebenbürgen, doch nimmt auch hier ihre Fläche rapid ab. Osteuropa (Bosnien, Herzegowina, Rumänien und vor allem Ruſsland), ferner Schweden und der südliche Teil von Norwegen besitzen dagegen noch ausgedehnte Urwaldungen. 2) Das Wort „Forst“ ist ein reindeutsches Stammwort und bedeutete schon in den ältesten Zeiten „Wald“. Die althochdeutsche Form ist forst, mittelhochdeutsch vorst, vorëst, forest, foreis, foreht. Die letztgenannten sind romanischer Abkunft,

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/24>, abgerufen am 23.11.2024.