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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
traten bald in erschreckender Weise hervor und bestehen grösstenteils
bis zur Gegenwart noch fort.

Die kleinen, einer nachhaltigen Benutzung nicht fähigen Parzellen
wurden in schonungsloser Weise ausgenützt, verödeten und sind teils
ganz ertragslos geworden oder lieferten doch nur höchst geringfügige,
den Standortsverhältnissen in keiner Weise entsprechende Erträge.

Die traurigsten Beispiele dieser Vorgänge finden sich in Nordwest-
deutschland 1) und in der Rheinprovinz. 2)

Günstiger liegen die Verhältnisse in jenen Rechtsgebieten, in wel-
chen sich die deutschrechtliche Natur der Agrargenossenschaft erhalten
hat (u. a. Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Württemberg); hier stellt
der Wald ein deutschrechtliches Gesamteigentum der auf agrarische
Basis gestellten Genossenschaft dar.

Aber wenn auch nicht die schlimmsten Folgen der Waldzersplitte-
rung eintraten, so bietet doch jede weitgehende Parzellierung des Wald-
besitzes für die ordnungsmässige forstliche Benutzung grosse Schwierig-
keiten. Der hohe Waldbestand auf der einen Parzelle hindert durch
seine Beschattung die Wiederkultur auf der anderen; Fällungen des
einen Besitzers öffnen die Bestände des nächsten dem Winde; Fällung,
Abfuhr und Weide belästigen fremde Bestände u. s. w.

Die Forstwirtschaft ist eben, wie früher eingehend erörtert wurde,
ihrer ganzen Natur nach in der Hauptsache nur für den Grossbetrieb
wirklich vorteilhaft; sobald die Parzellierung des Waldbesitzes, welche
für den Betrieb der kleinen Landwirtschaft eine nicht zu unterschätzende
Bedeutung besitzt, auf grossen Flächen durchgeführt wird, treten
schlimme Folgen in volkswirtschaftlicher Beziehung durch ein erheb-
liches Sinken der Bodenrente hervor.

Wenn die Landwirtschaft ganzer Distrikte ihre Existenz dauernd

1) Nach Mitteilungen von Burckhardt (Aus dem Walde VII, 100) beträgt im
Osnabrückschen Berg- und Hügellande die Grösse der Teilforsten 21008 ha in teil-
weise geradezu widersinniger Parzellierung; so sind z. B. die Essener Berge mit
346 ha unter 124 Interessenten in 691 verschiedene Parzellen zerlegt, hierbei sind
64 Teile mit weniger als 4,4 ar Grösse. Im alten Fürstentume Hildesheim besassen
53 Gemeinden 2500 ha Wald, diese gehören jetzt 2500 Eigentümern in 10372 Par-
zellen; die beiden Waldungen von Elze und Mehle mit 570,66 ha sind nach Abzug
von 47,87 ha für den Elzer Kämmereiforst in 1512 Parzellen zerlegt.
2) Der Regierungsbezirk Düsseldorf enthält in den Kreisen Lennep, Solingen
und Mettmann eine grosse Waldfläche mit ca. 14000 ha, welche in 14080 Parzellen
zerlegt ist, die jetzt nur zur Gewinnung von Heidestreu und Gestrüppe dienen, wäh-
rend dort früher guter Wald war. Höffler führt in seiner Schrift über die Staats-
oberaufsicht über das Privatwaldeigentum in der preussischen Rheinprovinz an, dass
dort 30023 ha in nicht weniger als 166846 Parzellen geteilt sind; damals waren im
ganzen gegen 200000 ha, etwa 2/3 der gesamten Privatwaldungen der Rheinprovinz,
meist infolge einer weitgehenden Parzellierung zum Teile bis zur Ertragslosigkeit
verwüstet.
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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
traten bald in erschreckender Weise hervor und bestehen gröſstenteils
bis zur Gegenwart noch fort.

Die kleinen, einer nachhaltigen Benutzung nicht fähigen Parzellen
wurden in schonungsloser Weise ausgenützt, verödeten und sind teils
ganz ertragslos geworden oder lieferten doch nur höchst geringfügige,
den Standortsverhältnissen in keiner Weise entsprechende Erträge.

Die traurigsten Beispiele dieser Vorgänge finden sich in Nordwest-
deutschland 1) und in der Rheinprovinz. 2)

Günstiger liegen die Verhältnisse in jenen Rechtsgebieten, in wel-
chen sich die deutschrechtliche Natur der Agrargenossenschaft erhalten
hat (u. a. Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Württemberg); hier stellt
der Wald ein deutschrechtliches Gesamteigentum der auf agrarische
Basis gestellten Genossenschaft dar.

Aber wenn auch nicht die schlimmsten Folgen der Waldzersplitte-
rung eintraten, so bietet doch jede weitgehende Parzellierung des Wald-
besitzes für die ordnungsmäſsige forstliche Benutzung groſse Schwierig-
keiten. Der hohe Waldbestand auf der einen Parzelle hindert durch
seine Beschattung die Wiederkultur auf der anderen; Fällungen des
einen Besitzers öffnen die Bestände des nächsten dem Winde; Fällung,
Abfuhr und Weide belästigen fremde Bestände u. s. w.

Die Forstwirtschaft ist eben, wie früher eingehend erörtert wurde,
ihrer ganzen Natur nach in der Hauptsache nur für den Groſsbetrieb
wirklich vorteilhaft; sobald die Parzellierung des Waldbesitzes, welche
für den Betrieb der kleinen Landwirtschaft eine nicht zu unterschätzende
Bedeutung besitzt, auf groſsen Flächen durchgeführt wird, treten
schlimme Folgen in volkswirtschaftlicher Beziehung durch ein erheb-
liches Sinken der Bodenrente hervor.

Wenn die Landwirtschaft ganzer Distrikte ihre Existenz dauernd

1) Nach Mitteilungen von Burckhardt (Aus dem Walde VII, 100) beträgt im
Osnabrückschen Berg- und Hügellande die Gröſse der Teilforsten 21008 ha in teil-
weise geradezu widersinniger Parzellierung; so sind z. B. die Essener Berge mit
346 ha unter 124 Interessenten in 691 verschiedene Parzellen zerlegt, hierbei sind
64 Teile mit weniger als 4,4 ar Gröſse. Im alten Fürstentume Hildesheim besaſsen
53 Gemeinden 2500 ha Wald, diese gehören jetzt 2500 Eigentümern in 10372 Par-
zellen; die beiden Waldungen von Elze und Mehle mit 570,66 ha sind nach Abzug
von 47,87 ha für den Elzer Kämmereiforst in 1512 Parzellen zerlegt.
2) Der Regierungsbezirk Düsseldorf enthält in den Kreisen Lennep, Solingen
und Mettmann eine groſse Waldfläche mit ca. 14000 ha, welche in 14080 Parzellen
zerlegt ist, die jetzt nur zur Gewinnung von Heidestreu und Gestrüppe dienen, wäh-
rend dort früher guter Wald war. Höffler führt in seiner Schrift über die Staats-
oberaufsicht über das Privatwaldeigentum in der preuſsischen Rheinprovinz an, daſs
dort 30023 ha in nicht weniger als 166846 Parzellen geteilt sind; damals waren im
ganzen gegen 200000 ha, etwa ⅔ der gesamten Privatwaldungen der Rheinprovinz,
meist infolge einer weitgehenden Parzellierung zum Teile bis zur Ertragslosigkeit
verwüstet.
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[195/0213] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. traten bald in erschreckender Weise hervor und bestehen gröſstenteils bis zur Gegenwart noch fort. Die kleinen, einer nachhaltigen Benutzung nicht fähigen Parzellen wurden in schonungsloser Weise ausgenützt, verödeten und sind teils ganz ertragslos geworden oder lieferten doch nur höchst geringfügige, den Standortsverhältnissen in keiner Weise entsprechende Erträge. Die traurigsten Beispiele dieser Vorgänge finden sich in Nordwest- deutschland 1) und in der Rheinprovinz. 2) Günstiger liegen die Verhältnisse in jenen Rechtsgebieten, in wel- chen sich die deutschrechtliche Natur der Agrargenossenschaft erhalten hat (u. a. Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Württemberg); hier stellt der Wald ein deutschrechtliches Gesamteigentum der auf agrarische Basis gestellten Genossenschaft dar. Aber wenn auch nicht die schlimmsten Folgen der Waldzersplitte- rung eintraten, so bietet doch jede weitgehende Parzellierung des Wald- besitzes für die ordnungsmäſsige forstliche Benutzung groſse Schwierig- keiten. Der hohe Waldbestand auf der einen Parzelle hindert durch seine Beschattung die Wiederkultur auf der anderen; Fällungen des einen Besitzers öffnen die Bestände des nächsten dem Winde; Fällung, Abfuhr und Weide belästigen fremde Bestände u. s. w. Die Forstwirtschaft ist eben, wie früher eingehend erörtert wurde, ihrer ganzen Natur nach in der Hauptsache nur für den Groſsbetrieb wirklich vorteilhaft; sobald die Parzellierung des Waldbesitzes, welche für den Betrieb der kleinen Landwirtschaft eine nicht zu unterschätzende Bedeutung besitzt, auf groſsen Flächen durchgeführt wird, treten schlimme Folgen in volkswirtschaftlicher Beziehung durch ein erheb- liches Sinken der Bodenrente hervor. Wenn die Landwirtschaft ganzer Distrikte ihre Existenz dauernd 1) Nach Mitteilungen von Burckhardt (Aus dem Walde VII, 100) beträgt im Osnabrückschen Berg- und Hügellande die Gröſse der Teilforsten 21008 ha in teil- weise geradezu widersinniger Parzellierung; so sind z. B. die Essener Berge mit 346 ha unter 124 Interessenten in 691 verschiedene Parzellen zerlegt, hierbei sind 64 Teile mit weniger als 4,4 ar Gröſse. Im alten Fürstentume Hildesheim besaſsen 53 Gemeinden 2500 ha Wald, diese gehören jetzt 2500 Eigentümern in 10372 Par- zellen; die beiden Waldungen von Elze und Mehle mit 570,66 ha sind nach Abzug von 47,87 ha für den Elzer Kämmereiforst in 1512 Parzellen zerlegt. 2) Der Regierungsbezirk Düsseldorf enthält in den Kreisen Lennep, Solingen und Mettmann eine groſse Waldfläche mit ca. 14000 ha, welche in 14080 Parzellen zerlegt ist, die jetzt nur zur Gewinnung von Heidestreu und Gestrüppe dienen, wäh- rend dort früher guter Wald war. Höffler führt in seiner Schrift über die Staats- oberaufsicht über das Privatwaldeigentum in der preuſsischen Rheinprovinz an, daſs dort 30023 ha in nicht weniger als 166846 Parzellen geteilt sind; damals waren im ganzen gegen 200000 ha, etwa ⅔ der gesamten Privatwaldungen der Rheinprovinz, meist infolge einer weitgehenden Parzellierung zum Teile bis zur Ertragslosigkeit verwüstet. 13*

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/213>, abgerufen am 04.12.2024.