4. Fortdauernd wurden recht zahlreiche und oft sehr ausgedehnte Nutzungsrechte verliehen. Dieses geschah vor allem zur Hebung des Bergbaues, aber auch Geistlichen, Lehrern, Hintersassen, Gewerbe- treibenden u. s. w. gewährte man noch mit vollen Händen Anteil an den Nutzungen des Waldes.
Auf gleiche Weise suchte man häufig Kolonisten in menschenarme Gegenden zu ziehen. Die Städte erhielten zur Beförderung ihres Wachstumes ebenfalls das Bauholz häufig ganz unentgeltlich oder doch für einen sehr geringen Preis.
5. In denjenigen Gegenden Deutschlands, in welchen Markgenossen- schaften fehlten, wurde das Bedürfnis der Kolonisten und Hintersassen im herrschaftlichen Walde befriedigt. Späterhin haben sich diese mit dem Kolonatsverhältnisse verbundenen Nutzungsrechte in Servitute umgewandelt.
6. Bei dem Mangel einer geordneten Forstwirtschaft und der Ge- ringwertigkeit der Forstnutzungen entstanden fortdauernd Forstberech- tigungen durch Okkupation und Verjährung.
7. In vielen Fällen war die Art der Gegenleistung für den Bezug der Forstprodukte eine Veranlassung zur Entstehung von Servituten. Ursprünglich bestanden diese entweder in Naturalabgaben oder in einer zwar geringen, aber dem damaligen Werte der Forstpro- dukte entsprechenden Geldzahlung. Als nun der Wert dieser Produkte zunahm und an die Stelle der Naturalwirtschaft die Geldwirtschaft trat unterblieb häufig aus verschiedenen Gründen eine angemessene Er- höhung der Gegenleistung oder die Umwandlung der Naturalabgaben in Geld. Durch das sich immer mehr steigernde Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erhielt die letzte im Laufe der Zeit den Charakter einer Abgabe für einen Rechtsbezug.
Die Ansprüche auf den Bezug von Waldnutzungen lassen sich dem- nach aus sehr verschiedenen Titeln herleiten: Frühere Eigentumsrechte, markgenossenschaftliche Verhältnisse, Prekarien, Verleihungen und Okku- pation wirkten zusammen, um jene Masse von Forstberechtigungen zu erzeugen, welche bis in die Neuzeit hinein die Waldungen belasteten und an vielen Orten selbst heute noch ein bedeutendes Hemmnis für die Fortschritte der Forstwirtschaft bilden.
Für die Gestaltung des gegenwärtigen Begriffs der Forstberech- tigungen wurde die Einwirkung des römischen Rechtes seit dem Be- ginne des 18. Jahrhunderts höchst bedeutungsvoll. Ohne Rücksicht auf den verschiedenartigen Ursprung der Rechtsansprüche wurden nunmehr für alle gleichmässig die römisch-rechtlichen Grundsätze über Servituten angewendet, während es doch vollständig unzulässig war, Verhältnisse, welche sich auf Grund einer ganz anderen Rechtsanschauung und unter äusserst mannigfachen Bedingungen entwickelt haben, nach einer fremd-
I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
4. Fortdauernd wurden recht zahlreiche und oft sehr ausgedehnte Nutzungsrechte verliehen. Dieses geschah vor allem zur Hebung des Bergbaues, aber auch Geistlichen, Lehrern, Hintersassen, Gewerbe- treibenden u. s. w. gewährte man noch mit vollen Händen Anteil an den Nutzungen des Waldes.
Auf gleiche Weise suchte man häufig Kolonisten in menschenarme Gegenden zu ziehen. Die Städte erhielten zur Beförderung ihres Wachstumes ebenfalls das Bauholz häufig ganz unentgeltlich oder doch für einen sehr geringen Preis.
5. In denjenigen Gegenden Deutschlands, in welchen Markgenossen- schaften fehlten, wurde das Bedürfnis der Kolonisten und Hintersassen im herrschaftlichen Walde befriedigt. Späterhin haben sich diese mit dem Kolonatsverhältnisse verbundenen Nutzungsrechte in Servitute umgewandelt.
6. Bei dem Mangel einer geordneten Forstwirtschaft und der Ge- ringwertigkeit der Forstnutzungen entstanden fortdauernd Forstberech- tigungen durch Okkupation und Verjährung.
7. In vielen Fällen war die Art der Gegenleistung für den Bezug der Forstprodukte eine Veranlassung zur Entstehung von Servituten. Ursprünglich bestanden diese entweder in Naturalabgaben oder in einer zwar geringen, aber dem damaligen Werte der Forstpro- dukte entsprechenden Geldzahlung. Als nun der Wert dieser Produkte zunahm und an die Stelle der Naturalwirtschaft die Geldwirtschaft trat unterblieb häufig aus verschiedenen Gründen eine angemessene Er- höhung der Gegenleistung oder die Umwandlung der Naturalabgaben in Geld. Durch das sich immer mehr steigernde Miſsverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung erhielt die letzte im Laufe der Zeit den Charakter einer Abgabe für einen Rechtsbezug.
Die Ansprüche auf den Bezug von Waldnutzungen lassen sich dem- nach aus sehr verschiedenen Titeln herleiten: Frühere Eigentumsrechte, markgenossenschaftliche Verhältnisse, Prekarien, Verleihungen und Okku- pation wirkten zusammen, um jene Masse von Forstberechtigungen zu erzeugen, welche bis in die Neuzeit hinein die Waldungen belasteten und an vielen Orten selbst heute noch ein bedeutendes Hemmnis für die Fortschritte der Forstwirtschaft bilden.
Für die Gestaltung des gegenwärtigen Begriffs der Forstberech- tigungen wurde die Einwirkung des römischen Rechtes seit dem Be- ginne des 18. Jahrhunderts höchst bedeutungsvoll. Ohne Rücksicht auf den verschiedenartigen Ursprung der Rechtsansprüche wurden nunmehr für alle gleichmäſsig die römisch-rechtlichen Grundsätze über Servituten angewendet, während es doch vollständig unzulässig war, Verhältnisse, welche sich auf Grund einer ganz anderen Rechtsanschauung und unter äuſserst mannigfachen Bedingungen entwickelt haben, nach einer fremd-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbn="173"facs="#f0191"/><fwtype="header"place="top">I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.</fw><lb/><p>4. Fortdauernd wurden recht zahlreiche und oft sehr ausgedehnte<lb/>
Nutzungsrechte <hirendition="#g">verliehen</hi>. Dieses geschah vor allem zur Hebung<lb/>
des Bergbaues, aber auch Geistlichen, Lehrern, Hintersassen, Gewerbe-<lb/>
treibenden u. s. w. gewährte man noch mit vollen Händen Anteil an<lb/>
den Nutzungen des Waldes.</p><lb/><p>Auf gleiche Weise suchte man häufig Kolonisten in menschenarme<lb/>
Gegenden zu ziehen. Die Städte erhielten zur Beförderung ihres<lb/>
Wachstumes ebenfalls das Bauholz häufig ganz unentgeltlich oder doch<lb/>
für einen sehr geringen Preis.</p><lb/><p>5. In denjenigen Gegenden Deutschlands, in welchen Markgenossen-<lb/>
schaften fehlten, wurde das Bedürfnis der Kolonisten und Hintersassen<lb/>
im herrschaftlichen Walde befriedigt. Späterhin haben sich diese mit<lb/>
dem <hirendition="#g">Kolonatsverhältnisse</hi> verbundenen Nutzungsrechte in Servitute<lb/>
umgewandelt.</p><lb/><p>6. Bei dem Mangel einer geordneten Forstwirtschaft und der Ge-<lb/>
ringwertigkeit der Forstnutzungen entstanden fortdauernd Forstberech-<lb/>
tigungen durch <hirendition="#g">Okkupation</hi> und <hirendition="#g">Verjährung</hi>.</p><lb/><p>7. In vielen Fällen war die <hirendition="#g">Art der Gegenleistung für den<lb/>
Bezug der Forstprodukte</hi> eine Veranlassung zur Entstehung von<lb/>
Servituten. Ursprünglich bestanden diese entweder in Naturalabgaben<lb/>
oder in einer zwar geringen, aber dem damaligen Werte der Forstpro-<lb/>
dukte entsprechenden Geldzahlung. Als nun der Wert dieser Produkte<lb/>
zunahm und an die Stelle der Naturalwirtschaft die Geldwirtschaft trat<lb/>
unterblieb häufig aus verschiedenen Gründen eine angemessene Er-<lb/>
höhung der Gegenleistung oder die Umwandlung der Naturalabgaben<lb/>
in Geld. Durch das sich immer mehr steigernde Miſsverhältnis zwischen<lb/>
Leistung und Gegenleistung erhielt die letzte im Laufe der Zeit den<lb/>
Charakter einer Abgabe für einen Rechtsbezug.</p><lb/><p>Die Ansprüche auf den Bezug von Waldnutzungen lassen sich dem-<lb/>
nach aus sehr verschiedenen Titeln herleiten: Frühere Eigentumsrechte,<lb/>
markgenossenschaftliche Verhältnisse, Prekarien, Verleihungen und Okku-<lb/>
pation wirkten zusammen, um jene Masse von Forstberechtigungen zu<lb/>
erzeugen, welche bis in die Neuzeit hinein die Waldungen belasteten<lb/>
und an vielen Orten selbst heute noch ein bedeutendes Hemmnis für<lb/>
die Fortschritte der Forstwirtschaft bilden.</p><lb/><p>Für die Gestaltung des gegenwärtigen Begriffs der Forstberech-<lb/>
tigungen wurde die Einwirkung des römischen Rechtes seit dem Be-<lb/>
ginne des 18. Jahrhunderts höchst bedeutungsvoll. Ohne Rücksicht auf<lb/>
den verschiedenartigen Ursprung der Rechtsansprüche wurden nunmehr<lb/>
für alle gleichmäſsig die römisch-rechtlichen Grundsätze über Servituten<lb/>
angewendet, während es doch vollständig unzulässig war, Verhältnisse,<lb/>
welche sich auf Grund einer ganz anderen Rechtsanschauung und unter<lb/>
äuſserst mannigfachen Bedingungen entwickelt haben, nach einer fremd-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[173/0191]
I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
4. Fortdauernd wurden recht zahlreiche und oft sehr ausgedehnte
Nutzungsrechte verliehen. Dieses geschah vor allem zur Hebung
des Bergbaues, aber auch Geistlichen, Lehrern, Hintersassen, Gewerbe-
treibenden u. s. w. gewährte man noch mit vollen Händen Anteil an
den Nutzungen des Waldes.
Auf gleiche Weise suchte man häufig Kolonisten in menschenarme
Gegenden zu ziehen. Die Städte erhielten zur Beförderung ihres
Wachstumes ebenfalls das Bauholz häufig ganz unentgeltlich oder doch
für einen sehr geringen Preis.
5. In denjenigen Gegenden Deutschlands, in welchen Markgenossen-
schaften fehlten, wurde das Bedürfnis der Kolonisten und Hintersassen
im herrschaftlichen Walde befriedigt. Späterhin haben sich diese mit
dem Kolonatsverhältnisse verbundenen Nutzungsrechte in Servitute
umgewandelt.
6. Bei dem Mangel einer geordneten Forstwirtschaft und der Ge-
ringwertigkeit der Forstnutzungen entstanden fortdauernd Forstberech-
tigungen durch Okkupation und Verjährung.
7. In vielen Fällen war die Art der Gegenleistung für den
Bezug der Forstprodukte eine Veranlassung zur Entstehung von
Servituten. Ursprünglich bestanden diese entweder in Naturalabgaben
oder in einer zwar geringen, aber dem damaligen Werte der Forstpro-
dukte entsprechenden Geldzahlung. Als nun der Wert dieser Produkte
zunahm und an die Stelle der Naturalwirtschaft die Geldwirtschaft trat
unterblieb häufig aus verschiedenen Gründen eine angemessene Er-
höhung der Gegenleistung oder die Umwandlung der Naturalabgaben
in Geld. Durch das sich immer mehr steigernde Miſsverhältnis zwischen
Leistung und Gegenleistung erhielt die letzte im Laufe der Zeit den
Charakter einer Abgabe für einen Rechtsbezug.
Die Ansprüche auf den Bezug von Waldnutzungen lassen sich dem-
nach aus sehr verschiedenen Titeln herleiten: Frühere Eigentumsrechte,
markgenossenschaftliche Verhältnisse, Prekarien, Verleihungen und Okku-
pation wirkten zusammen, um jene Masse von Forstberechtigungen zu
erzeugen, welche bis in die Neuzeit hinein die Waldungen belasteten
und an vielen Orten selbst heute noch ein bedeutendes Hemmnis für
die Fortschritte der Forstwirtschaft bilden.
Für die Gestaltung des gegenwärtigen Begriffs der Forstberech-
tigungen wurde die Einwirkung des römischen Rechtes seit dem Be-
ginne des 18. Jahrhunderts höchst bedeutungsvoll. Ohne Rücksicht auf
den verschiedenartigen Ursprung der Rechtsansprüche wurden nunmehr
für alle gleichmäſsig die römisch-rechtlichen Grundsätze über Servituten
angewendet, während es doch vollständig unzulässig war, Verhältnisse,
welche sich auf Grund einer ganz anderen Rechtsanschauung und unter
äuſserst mannigfachen Bedingungen entwickelt haben, nach einer fremd-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/191>, abgerufen am 03.03.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.