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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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dieses damit gesättigt ist, oder sie ist unlöslich und krystal-
lisirt in demselben Moment, wo sie gebildet wird, nach den
oben erwähnten Gesetzen über die Krystallisation imbibi-
tionsfähiger Körper heraus, bildet daher eine oder mehrere
Schichten um das Kernkörperchen u. s. w. Stellt man sich
die Zellenbildung in dieser Weise vor, so würde man
sich die plastische Kraft der Zellen als identisch mit der
Kraft denken, wodurch die Krystalle wachsen. Nach der
obigen Darstellung über die Krystallisation imbibitionsfähi-
ger Körper reicht man auch wirklich mit dieser Vorstel-
lnngsweise bei den wichtigsten plastischen Erscheinungen
der Zellen aus. Sehen wir aber zu, ob dieser Vergleich
zu der ganzen Charakteristik der plastischen Kraft der Zel-
len (S. oben pag. 231) passt.

Die Anziehungskraft in den Zellen wirkt nicht immer
gleichmässig, sondern der Ansatz der neuen Moleküle kann
stellenweise stärker erfolgen, so dass eine Formverände-
rung der Zellen entsteht. Dies hat seine vollkommene Ana-
logie bei den Krystallen. Wenn hier auch die Winkel nie-
mals verändert werden, so kann doch an einzelnen Flächen
ein stärkerer Ansatz erfolgen, so dass z. B. aus einem Wür-
fel eine vierseitige Säule entsteht. Hier werden auf einer
oder auf zwei entgegengesetzten Flächen des Würfels neue
Schichten abgelagert. Repräsentirt nun bei den Zellen eine
Schichte eine Menge der Schichten eines gewöhnlichen Kry-
stalls, so ist leicht einzusehen, dass statt der neuen Schich-
tenbildung an zwei entgegengesetzten Seiten einer Zelle
ein stärkeres Wachsthum der einen Schichte an diesen Stel-
len, also eine Verlängerung einer runden Zelle in eine Fa-
ser statt finden muss. Ebenso mit den übrigen Formver-
änderungen. Die Theilung der Zellen kann bei gewöhn-
lichen Krystallen keine Analogie haben, weil das einmal
abgelagerte keiner Veränderung mehr fähig ist. Mit der
Vorstellung von imbibitionsfähigen Krystallen lässt sich die-
ses Phänomen aber ebenso gut vereinigen, wie die Ver-
schmelzung mehrerer Zellen auf die oben pag. 218 beschrie-
bene Weise. Auch die Entstehung sekundärer Ablagerun-

dieses damit gesättigt ist, oder sie ist unlöslich und krystal-
lisirt in demselben Moment, wo sie gebildet wird, nach den
oben erwähnten Gesetzen über die Krystallisation imbibi-
tionsfähiger Körper heraus, bildet daher eine oder mehrere
Schichten um das Kernkörperchen u. s. w. Stellt man sich
die Zellenbildung in dieser Weise vor, so würde man
sich die plastische Kraft der Zellen als identisch mit der
Kraft denken, wodurch die Krystalle wachsen. Nach der
obigen Darstellung über die Krystallisation imbibitionsfähi-
ger Körper reicht man auch wirklich mit dieser Vorstel-
lnngsweise bei den wichtigsten plastischen Erscheinungen
der Zellen aus. Sehen wir aber zu, ob dieser Vergleich
zu der ganzen Charakteristik der plastischen Kraft der Zel-
len (S. oben pag. 231) paſst.

Die Anziehungskraft in den Zellen wirkt nicht immer
gleichmäſsig, sondern der Ansatz der neuen Moleküle kann
stellenweise stärker erfolgen, so daſs eine Formverände-
rung der Zellen entsteht. Dies hat seine vollkommene Ana-
logie bei den Krystallen. Wenn hier auch die Winkel nie-
mals verändert werden, so kann doch an einzelnen Flächen
ein stärkerer Ansatz erfolgen, so daſs z. B. aus einem Wür-
fel eine vierseitige Säule entsteht. Hier werden auf einer
oder auf zwei entgegengesetzten Flächen des Würfels neue
Schichten abgelagert. Repräsentirt nun bei den Zellen eine
Schichte eine Menge der Schichten eines gewöhnlichen Kry-
stalls, so ist leicht einzusehen, daſs statt der neuen Schich-
tenbildung an zwei entgegengesetzten Seiten einer Zelle
ein stärkeres Wachsthum der einen Schichte an diesen Stel-
len, also eine Verlängerung einer runden Zelle in eine Fa-
ser statt finden muſs. Ebenso mit den übrigen Formver-
änderungen. Die Theilung der Zellen kann bei gewöhn-
lichen Krystallen keine Analogie haben, weil das einmal
abgelagerte keiner Veränderung mehr fähig ist. Mit der
Vorstellung von imbibitionsfähigen Krystallen läſst sich die-
ses Phänomen aber ebenso gut vereinigen, wie die Ver-
schmelzung mehrerer Zellen auf die oben pag. 218 beschrie-
bene Weise. Auch die Entstehung sekundärer Ablagerun-

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[250/0274] dieses damit gesättigt ist, oder sie ist unlöslich und krystal- lisirt in demselben Moment, wo sie gebildet wird, nach den oben erwähnten Gesetzen über die Krystallisation imbibi- tionsfähiger Körper heraus, bildet daher eine oder mehrere Schichten um das Kernkörperchen u. s. w. Stellt man sich die Zellenbildung in dieser Weise vor, so würde man sich die plastische Kraft der Zellen als identisch mit der Kraft denken, wodurch die Krystalle wachsen. Nach der obigen Darstellung über die Krystallisation imbibitionsfähi- ger Körper reicht man auch wirklich mit dieser Vorstel- lnngsweise bei den wichtigsten plastischen Erscheinungen der Zellen aus. Sehen wir aber zu, ob dieser Vergleich zu der ganzen Charakteristik der plastischen Kraft der Zel- len (S. oben pag. 231) paſst. Die Anziehungskraft in den Zellen wirkt nicht immer gleichmäſsig, sondern der Ansatz der neuen Moleküle kann stellenweise stärker erfolgen, so daſs eine Formverände- rung der Zellen entsteht. Dies hat seine vollkommene Ana- logie bei den Krystallen. Wenn hier auch die Winkel nie- mals verändert werden, so kann doch an einzelnen Flächen ein stärkerer Ansatz erfolgen, so daſs z. B. aus einem Wür- fel eine vierseitige Säule entsteht. Hier werden auf einer oder auf zwei entgegengesetzten Flächen des Würfels neue Schichten abgelagert. Repräsentirt nun bei den Zellen eine Schichte eine Menge der Schichten eines gewöhnlichen Kry- stalls, so ist leicht einzusehen, daſs statt der neuen Schich- tenbildung an zwei entgegengesetzten Seiten einer Zelle ein stärkeres Wachsthum der einen Schichte an diesen Stel- len, also eine Verlängerung einer runden Zelle in eine Fa- ser statt finden muſs. Ebenso mit den übrigen Formver- änderungen. Die Theilung der Zellen kann bei gewöhn- lichen Krystallen keine Analogie haben, weil das einmal abgelagerte keiner Veränderung mehr fähig ist. Mit der Vorstellung von imbibitionsfähigen Krystallen läſst sich die- ses Phänomen aber ebenso gut vereinigen, wie die Ver- schmelzung mehrerer Zellen auf die oben pag. 218 beschrie- bene Weise. Auch die Entstehung sekundärer Ablagerun-

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/274>, abgerufen am 26.11.2024.