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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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ohne unser Zuthun nichts, oder der Krystall löst sich gar
auf; die Flüssigkeit muss abgedampft werden, wenn der
Krystall wachsen soll. Legt man eine Zelle in eine nicht
konzentrirte Auflösung selbst einer von ihr verschiedenen
Substanz, so wächst sie und verändert diese Substanz ohne
unser Zuthun. Gerade dadurch erhält der an den Zellen
vor sich gehende Prozess, so lange man ihn nicht in seine
einzelnen Akte zerlegt, das Magische, was dem Begriff
Leben anklebt.

Man sieht hieraus, wie sehr verschieden die Erschei-
nungen der Zellenbildung und der Krystallbildung sind.
Indessen darf man doch auch die Momente nicht überse-
hen, worin beide Prozesse ähnlich sind. Sie stimmen in
dem Hauptpunkte überein, dass sich auf Kosten einer, in
einer Flüssigkeit aufgelösten Substanz nach bestimmten
Gesetzen feste Körper von einer bestimmten regelmässigen
Form bilden, und zwar ist auch bei den Krystallen, wie
bei den Zellen der Krystall in sofern thätig und positiv
wirksam, als er veranlasst, dass die sich niederschlagenden
Substanzen an ihn und nicht irgendwo anders ansetzen.
Eine Kraft, wodurch die Krystalle die in der umgebenden
Flüssigkeit, aufgelöste Substanz anzuziehn im Stande sind,
muss man also bei ihnen ebenso annehmen, wie bei den
Zellen. Daraus folgt freilich nicht, dass diese beiden an-
ziehenden Kräfte, die Krystallisationskraft, um sie kurz zu
bezeichnen, und die plastische Kraft der Zellen wesentlich
dasselbe sind. Diess würde nur dann anzunehmen sein,
wenn sich nachweisen liesse, dass beide Kräfte nach den-
selben Gesetzen wirken. Diess scheint aber auf den ersten
Blick keineswegs der Fall zu sein: die Erscheinungen der
Krystall- und Zellenbildung sind, wie wir gesehn haben,
sehr verschieden, selbst wenn wir die metabolische Kraft
der Zellen, die möglicher Weise irgend einer andern Ei-
genthümlichkeit der organischen Substanz ihren Ursprung
verdankt, einstweilen ganz aus dem Spiele lassen, und bloss
die plastischen Erscheinungen betrachten.

Indessen wäre es möglich, dass diese Unterschiede nur

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ohne unser Zuthun nichts, oder der Krystall löst sich gar
auf; die Flüssigkeit muſs abgedampft werden, wenn der
Krystall wachsen soll. Legt man eine Zelle in eine nicht
konzentrirte Auflösung selbst einer von ihr verschiedenen
Substanz, so wächst sie und verändert diese Substanz ohne
unser Zuthun. Gerade dadurch erhält der an den Zellen
vor sich gehende Prozeſs, so lange man ihn nicht in seine
einzelnen Akte zerlegt, das Magische, was dem Begriff
Leben anklebt.

Man sieht hieraus, wie sehr verschieden die Erschei-
nungen der Zellenbildung und der Krystallbildung sind.
Indessen darf man doch auch die Momente nicht überse-
hen, worin beide Prozesse ähnlich sind. Sie stimmen in
dem Hauptpunkte überein, daſs sich auf Kosten einer, in
einer Flüssigkeit aufgelösten Substanz nach bestimmten
Gesetzen feste Körper von einer bestimmten regelmäſsigen
Form bilden, und zwar ist auch bei den Krystallen, wie
bei den Zellen der Krystall in sofern thätig und positiv
wirksam, als er veranlaſst, daſs die sich niederschlagenden
Substanzen an ihn und nicht irgendwo anders ansetzen.
Eine Kraft, wodurch die Krystalle die in der umgebenden
Flüssigkeit, aufgelöste Substanz anzuziehn im Stande sind,
muſs man also bei ihnen ebenso annehmen, wie bei den
Zellen. Daraus folgt freilich nicht, daſs diese beiden an-
ziehenden Kräfte, die Krystallisationskraft, um sie kurz zu
bezeichnen, und die plastische Kraft der Zellen wesentlich
dasselbe sind. Dieſs würde nur dann anzunehmen sein,
wenn sich nachweisen lieſse, daſs beide Kräfte nach den-
selben Gesetzen wirken. Dieſs scheint aber auf den ersten
Blick keineswegs der Fall zu sein: die Erscheinungen der
Krystall- und Zellenbildung sind, wie wir gesehn haben,
sehr verschieden, selbst wenn wir die metabolische Kraft
der Zellen, die möglicher Weise irgend einer andern Ei-
genthümlichkeit der organischen Substanz ihren Ursprung
verdankt, einstweilen ganz aus dem Spiele lassen, und bloſs
die plastischen Erscheinungen betrachten.

Indessen wäre es möglich, daſs diese Unterschiede nur

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[241/0265] ohne unser Zuthun nichts, oder der Krystall löst sich gar auf; die Flüssigkeit muſs abgedampft werden, wenn der Krystall wachsen soll. Legt man eine Zelle in eine nicht konzentrirte Auflösung selbst einer von ihr verschiedenen Substanz, so wächst sie und verändert diese Substanz ohne unser Zuthun. Gerade dadurch erhält der an den Zellen vor sich gehende Prozeſs, so lange man ihn nicht in seine einzelnen Akte zerlegt, das Magische, was dem Begriff Leben anklebt. Man sieht hieraus, wie sehr verschieden die Erschei- nungen der Zellenbildung und der Krystallbildung sind. Indessen darf man doch auch die Momente nicht überse- hen, worin beide Prozesse ähnlich sind. Sie stimmen in dem Hauptpunkte überein, daſs sich auf Kosten einer, in einer Flüssigkeit aufgelösten Substanz nach bestimmten Gesetzen feste Körper von einer bestimmten regelmäſsigen Form bilden, und zwar ist auch bei den Krystallen, wie bei den Zellen der Krystall in sofern thätig und positiv wirksam, als er veranlaſst, daſs die sich niederschlagenden Substanzen an ihn und nicht irgendwo anders ansetzen. Eine Kraft, wodurch die Krystalle die in der umgebenden Flüssigkeit, aufgelöste Substanz anzuziehn im Stande sind, muſs man also bei ihnen ebenso annehmen, wie bei den Zellen. Daraus folgt freilich nicht, daſs diese beiden an- ziehenden Kräfte, die Krystallisationskraft, um sie kurz zu bezeichnen, und die plastische Kraft der Zellen wesentlich dasselbe sind. Dieſs würde nur dann anzunehmen sein, wenn sich nachweisen lieſse, daſs beide Kräfte nach den- selben Gesetzen wirken. Dieſs scheint aber auf den ersten Blick keineswegs der Fall zu sein: die Erscheinungen der Krystall- und Zellenbildung sind, wie wir gesehn haben, sehr verschieden, selbst wenn wir die metabolische Kraft der Zellen, die möglicher Weise irgend einer andern Ei- genthümlichkeit der organischen Substanz ihren Ursprung verdankt, einstweilen ganz aus dem Spiele lassen, und bloſs die plastischen Erscheinungen betrachten. Indessen wäre es möglich, daſs diese Unterschiede nur 16

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/265>, abgerufen am 25.11.2024.