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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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falls in überschüssigem Alaun sich nicht, wenigstens nicht
vollständig wieder auflöste. Galläpfeltinktur erzeugte eine
starke Trübung, Weingeist nur eine schwache. Salzsäure
trübte die Flüssigkeit, und sie wurde auch durch über-
schüssige Salzsäure nicht wieder klar. Diese Reaktionen
stimmen überein mit dem, was Güterbock Pyine genannt
hat, nur dass bei der letzteren die Trübung durch Salzsäure
durch überschüssige Salzsäure wieder aufgehoben wurde. Ein
Theil des Filtrats wurde nicht ganz zum Trocknen ab-
gedampft, aber selbst nach 24 Stunden war keine Spur
des Gelatinirens zu bemerken. Um die wahrscheinlich noch
sehr verschiedenen Bestandtheile dieses Filtrats einiger-
massen zu isoliren, wurde die stark abgedampfte Flüssig-
keit durch Zusatz von absolutem Alkohol gefällt, wodurch
ein starker Niederschlag entstand. Dieser wurde durch Fil-
triren und Auswaschen zuerst mit absolutem Alkohol, dann
mit 80 procentigem Weingeist gesondert, getrocknet und
in kochendem Wasser wieder aufgelöst. In dieser Auflö-
sung brachten Essigsäure und Alaun Niederschläge hervor,
die sich in dem überschüssig zugesetzten Fällungsmittel
nicht wieder auflösten. Auch gegen Salzsäure verhielt sich
die Auflösung wie oben.

Dass das Zellgewebe des Fötus verschieden ist vom
Zellgewebe des Erwachsenen, kann gar nicht befremden,
wenn man weiss, dass viele Zellenmembranen auf ihren
verschiedenen Entwicklungsstufen sich chemisch verändern
und das Wachsthum der Zellen keine blosse mechanische
Ausdehnung ist.

Bevor wir das Zellgewebe verlassen, müssen wir noch
einige Processe betrachten, bei denen auch im Erwachse-
nen eine neue Bildung von Zellgewebe vorkommt. Wenn
die Zellenbildung, wie ich schon in meinen ersten Auf-
sätzen (Froriep's Notizen 1838 Nr. 91, 103 u. 112)
den Grundsatz aufstellte, wirklich das Entwicklungsprincip
aller organischen Gebilde ist, so musste dasselbe auf pa-
thologische Processe nicht weniger als auf physiologische
seine Anwendung finden. In der That zeigte sich dies

falls in überschüssigem Alaun sich nicht, wenigstens nicht
vollständig wieder auflöste. Galläpfeltinktur erzeugte eine
starke Trübung, Weingeist nur eine schwache. Salzsäure
trübte die Flüssigkeit, und sie wurde auch durch über-
schüssige Salzsäure nicht wieder klar. Diese Reaktionen
stimmen überein mit dem, was Güterbock Pyine genannt
hat, nur daſs bei der letzteren die Trübung durch Salzsäure
durch überschüssige Salzsäure wieder aufgehoben wurde. Ein
Theil des Filtrats wurde nicht ganz zum Trocknen ab-
gedampft, aber selbst nach 24 Stunden war keine Spur
des Gelatinirens zu bemerken. Um die wahrscheinlich noch
sehr verschiedenen Bestandtheile dieses Filtrats einiger-
maſsen zu isoliren, wurde die stark abgedampfte Flüssig-
keit durch Zusatz von absolutem Alkohol gefällt, wodurch
ein starker Niederschlag entstand. Dieser wurde durch Fil-
triren und Auswaschen zuerst mit absolutem Alkohol, dann
mit 80 procentigem Weingeist gesondert, getrocknet und
in kochendem Wasser wieder aufgelöst. In dieser Auflö-
sung brachten Essigsäure und Alaun Niederschläge hervor,
die sich in dem überschüssig zugesetzten Fällungsmittel
nicht wieder auflösten. Auch gegen Salzsäure verhielt sich
die Auflösung wie oben.

Daſs das Zellgewebe des Fötus verschieden ist vom
Zellgewebe des Erwachsenen, kann gar nicht befremden,
wenn man weiſs, daſs viele Zellenmembranen auf ihren
verschiedenen Entwicklungsstufen sich chemisch verändern
und das Wachsthum der Zellen keine bloſse mechanische
Ausdehnung ist.

Bevor wir das Zellgewebe verlassen, müssen wir noch
einige Processe betrachten, bei denen auch im Erwachse-
nen eine neue Bildung von Zellgewebe vorkommt. Wenn
die Zellenbildung, wie ich schon in meinen ersten Auf-
sätzen (Froriep’s Notizen 1838 Nr. 91, 103 u. 112)
den Grundsatz aufstellte, wirklich das Entwicklungsprincip
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seine Anwendung finden. In der That zeigte sich dies

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[144/0168] falls in überschüssigem Alaun sich nicht, wenigstens nicht vollständig wieder auflöste. Galläpfeltinktur erzeugte eine starke Trübung, Weingeist nur eine schwache. Salzsäure trübte die Flüssigkeit, und sie wurde auch durch über- schüssige Salzsäure nicht wieder klar. Diese Reaktionen stimmen überein mit dem, was Güterbock Pyine genannt hat, nur daſs bei der letzteren die Trübung durch Salzsäure durch überschüssige Salzsäure wieder aufgehoben wurde. Ein Theil des Filtrats wurde nicht ganz zum Trocknen ab- gedampft, aber selbst nach 24 Stunden war keine Spur des Gelatinirens zu bemerken. Um die wahrscheinlich noch sehr verschiedenen Bestandtheile dieses Filtrats einiger- maſsen zu isoliren, wurde die stark abgedampfte Flüssig- keit durch Zusatz von absolutem Alkohol gefällt, wodurch ein starker Niederschlag entstand. Dieser wurde durch Fil- triren und Auswaschen zuerst mit absolutem Alkohol, dann mit 80 procentigem Weingeist gesondert, getrocknet und in kochendem Wasser wieder aufgelöst. In dieser Auflö- sung brachten Essigsäure und Alaun Niederschläge hervor, die sich in dem überschüssig zugesetzten Fällungsmittel nicht wieder auflösten. Auch gegen Salzsäure verhielt sich die Auflösung wie oben. Daſs das Zellgewebe des Fötus verschieden ist vom Zellgewebe des Erwachsenen, kann gar nicht befremden, wenn man weiſs, daſs viele Zellenmembranen auf ihren verschiedenen Entwicklungsstufen sich chemisch verändern und das Wachsthum der Zellen keine bloſse mechanische Ausdehnung ist. Bevor wir das Zellgewebe verlassen, müssen wir noch einige Processe betrachten, bei denen auch im Erwachse- nen eine neue Bildung von Zellgewebe vorkommt. Wenn die Zellenbildung, wie ich schon in meinen ersten Auf- sätzen (Froriep’s Notizen 1838 Nr. 91, 103 u. 112) den Grundsatz aufstellte, wirklich das Entwicklungsprincip aller organischen Gebilde ist, so muſste dasselbe auf pa- thologische Processe nicht weniger als auf physiologische seine Anwendung finden. In der That zeigte sich dies

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/168>, abgerufen am 29.11.2024.