Die hier abgehandelte Klasse der Gewebe und die in der folgenden Klasse zu untersuchenden Zähne werden als unorganisirte Gewebe zusammengefasst, und ihr Wachs- thum durch eine Sekretion von der sogenannten Matrix hergeleitet. Denkt man sich darunter, dass die Hornsub- stanz von der Matrix abgesondert wird und an der Luft erhärtet, so ist die Ansicht offenbar irrig. Was man Horn- substanz nennt, sind entweder bloss die Zellenwände, näm- lich wenn die Zellen platt sind, und kein Zelleninhalt da ist, oder Zellenwände und Zelleninhalt zusammen, wenn die Zellen polyedrisch sind, z. B. bei den Klauen. Alle diese Zellen sind selbstständige Gebilde, die organisch wachsen. Denkt man sich aber darunter, dass die organi- sirte Matrix nur das Cytoblastem liefert (secernirt, wenn man will), so ist nichts Erhebliches dagegen einzuwenden. Die Zellen des Horngewebes bedürfen zu ihrem Wachsthum einer ernährenden Flüssigkeit. Diese wird, wie bei allen Geweben, durch das Blut zugeführt. Da die Blutgefässe aber hier nicht zwischen den Zellen des Horngewebes selbst verlaufen, so muss die ernährende Flüssigkeit von der zunächst liegenden Substanz, in der Blutgefässe sich befinden, geliefert werden, und in diesem Sinne lässt sich diese nächste organisirte Substanz Matrix nennen. Ob nun aber dieses von der Matrix ausschwitzende Cytoblas- tem einen specifischen Charakter hat, und desshalb Horn- zellen sich darin bilden, oder ob sich in dem Cytoblastem Hornzellen bilden aus demselben Grunde, wesshalb an einer anderen Stelle des Körpers Muskelzellen, Zellgewebezellen u. s. w. entstehen, nämlich bedingt durch den Plan des ganzen Organismus, diess lässt sich für jetzt nicht entschei- den. Charakteristisch bleibt es für die ganze Klasse von Zellen, mit Ausnahme der Krystalllinse, die ich in dieser Beziehung nicht untersucht habe, dass die neuen Zellen, so viel es bis jetzt wenigstens scheint, nicht zwi- schen den schon gebildeten, sondern nur in dem Cy- toblastem zunächst der organisirten Substanz, wenn gleich nicht immer in unmittelbarer Berührung mit dersel-
Die hier abgehandelte Klasse der Gewebe und die in der folgenden Klasse zu untersuchenden Zähne werden als unorganisirte Gewebe zusammengefaſst, und ihr Wachs- thum durch eine Sekretion von der sogenannten Matrix hergeleitet. Denkt man sich darunter, daſs die Hornsub- stanz von der Matrix abgesondert wird und an der Luft erhärtet, so ist die Ansicht offenbar irrig. Was man Horn- substanz nennt, sind entweder bloſs die Zellenwände, näm- lich wenn die Zellen platt sind, und kein Zelleninhalt da ist, oder Zellenwände und Zelleninhalt zusammen, wenn die Zellen polyedrisch sind, z. B. bei den Klauen. Alle diese Zellen sind selbstständige Gebilde, die organisch wachsen. Denkt man sich aber darunter, daſs die organi- sirte Matrix nur das Cytoblastem liefert (secernirt, wenn man will), so ist nichts Erhebliches dagegen einzuwenden. Die Zellen des Horngewebes bedürfen zu ihrem Wachsthum einer ernährenden Flüssigkeit. Diese wird, wie bei allen Geweben, durch das Blut zugeführt. Da die Blutgefäſse aber hier nicht zwischen den Zellen des Horngewebes selbst verlaufen, so muſs die ernährende Flüssigkeit von der zunächst liegenden Substanz, in der Blutgefäſse sich befinden, geliefert werden, und in diesem Sinne läſst sich diese nächste organisirte Substanz Matrix nennen. Ob nun aber dieses von der Matrix ausschwitzende Cytoblas- tem einen specifischen Charakter hat, und deſshalb Horn- zellen sich darin bilden, oder ob sich in dem Cytoblastem Hornzellen bilden aus demselben Grunde, weſshalb an einer anderen Stelle des Körpers Muskelzellen, Zellgewebezellen u. s. w. entstehen, nämlich bedingt durch den Plan des ganzen Organismus, dieſs läſst sich für jetzt nicht entschei- den. Charakteristisch bleibt es für die ganze Klasse von Zellen, mit Ausnahme der Krystalllinse, die ich in dieser Beziehung nicht untersucht habe, daſs die neuen Zellen, so viel es bis jetzt wenigstens scheint, nicht zwi- schen den schon gebildeten, sondern nur in dem Cy- toblastem zunächst der organisirten Substanz, wenn gleich nicht immer in unmittelbarer Berührung mit dersel-
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Die hier abgehandelte Klasse der Gewebe und die in
der folgenden Klasse zu untersuchenden Zähne werden
als unorganisirte Gewebe zusammengefaſst, und ihr Wachs-
thum durch eine Sekretion von der sogenannten Matrix
hergeleitet. Denkt man sich darunter, daſs die Hornsub-
stanz von der Matrix abgesondert wird und an der Luft
erhärtet, so ist die Ansicht offenbar irrig. Was man Horn-
substanz nennt, sind entweder bloſs die Zellenwände, näm-
lich wenn die Zellen platt sind, und kein Zelleninhalt da
ist, oder Zellenwände und Zelleninhalt zusammen, wenn
die Zellen polyedrisch sind, z. B. bei den Klauen. Alle
diese Zellen sind selbstständige Gebilde, die organisch
wachsen. Denkt man sich aber darunter, daſs die organi-
sirte Matrix nur das Cytoblastem liefert (secernirt, wenn man
will), so ist nichts Erhebliches dagegen einzuwenden. Die
Zellen des Horngewebes bedürfen zu ihrem Wachsthum
einer ernährenden Flüssigkeit. Diese wird, wie bei allen
Geweben, durch das Blut zugeführt. Da die Blutgefäſse
aber hier nicht zwischen den Zellen des Horngewebes
selbst verlaufen, so muſs die ernährende Flüssigkeit von
der zunächst liegenden Substanz, in der Blutgefäſse sich
befinden, geliefert werden, und in diesem Sinne läſst sich
diese nächste organisirte Substanz Matrix nennen. Ob
nun aber dieses von der Matrix ausschwitzende Cytoblas-
tem einen specifischen Charakter hat, und deſshalb Horn-
zellen sich darin bilden, oder ob sich in dem Cytoblastem
Hornzellen bilden aus demselben Grunde, weſshalb an einer
anderen Stelle des Körpers Muskelzellen, Zellgewebezellen
u. s. w. entstehen, nämlich bedingt durch den Plan des
ganzen Organismus, dieſs läſst sich für jetzt nicht entschei-
den. Charakteristisch bleibt es für die ganze Klasse von
Zellen, mit Ausnahme der Krystalllinse, die ich in dieser
Beziehung nicht untersucht habe, daſs die neuen Zellen,
so viel es bis jetzt wenigstens scheint, nicht zwi-
schen den schon gebildeten, sondern nur in dem Cy-
toblastem zunächst der organisirten Substanz, wenn gleich
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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