sammensetzen, während man bei den Elementar- theilen der Thiere keineswegs ein Gleiches that. Man statuirte also einen wesentlichen Unter- schied in der Art und in den Grundkräften des Wachsthums.
Indessen zeigte sich bald, dass bei den Thie- ren auch Gewebe vorkommen, welche ohne Ge- fässe wachsen und zwar erstens bei der Bildung des Eies und den frühern Entwicklungsstadien des Embryo vor der Blutbildung, zweitens bei einigen Geweben des Erwachsenen, z. B. der Epidermis. Bei dem Ei, wo sich unzweifel- hafte Beweise eines wirklichen Lebens zeigten, waren alle Physiologen darin einverstanden, dass dort ein sogenanntes pflanzenähnliches Wachs- thum statt finde. Diese Pflanzenähnlichkeit be- zog sich auf ein Wachsthum der Eitheile ohne Gefässe: Form und Entwicklungsweise der Ele- mentartheile waren dabei gleichgültig. Man hielt sich aber nicht berechtigt aus der Analogie des Eies auf ein pflanzenähnliches Wachsthum der Elementartheile der gefässlosen Gewebe des Er- wachsenen zu schliessen; es machte sich viel- mehr die Ansicht geltend, dass diese Gewebe durch eine Sekretion von der Oberfläche der or- ganisirten Gewebe entständen und wüchsen. So beim Epithelium, der Krystalllinse u. s. w. Diese Ansicht bestand noch fort, als auch die Struktur dieser Gewebe genauer bekannt wurde. Auch wurde durch das pflanzenähnliche Wachsthum der Bestandtheile des Eies die postulirte we-
sammensetzen, während man bei den Elementar- theilen der Thiere keineswegs ein Gleiches that. Man statuirte also einen wesentlichen Unter- schied in der Art und in den Grundkräften des Wachsthums.
Indessen zeigte sich bald, daſs bei den Thie- ren auch Gewebe vorkommen, welche ohne Ge- fäſse wachsen und zwar erstens bei der Bildung des Eies und den frühern Entwicklungsstadien des Embryo vor der Blutbildung, zweitens bei einigen Geweben des Erwachsenen, z. B. der Epidermis. Bei dem Ei, wo sich unzweifel- hafte Beweise eines wirklichen Lebens zeigten, waren alle Physiologen darin einverstanden, daſs dort ein sogenanntes pflanzenähnliches Wachs- thum statt finde. Diese Pflanzenähnlichkeit be- zog sich auf ein Wachsthum der Eitheile ohne Gefäſse: Form und Entwicklungsweise der Ele- mentartheile waren dabei gleichgültig. Man hielt sich aber nicht berechtigt aus der Analogie des Eies auf ein pflanzenähnliches Wachsthum der Elementartheile der gefäſslosen Gewebe des Er- wachsenen zu schlieſsen; es machte sich viel- mehr die Ansicht geltend, daſs diese Gewebe durch eine Sekretion von der Oberfläche der or- ganisirten Gewebe entständen und wüchsen. So beim Epithelium, der Krystalllinse u. s. w. Diese Ansicht bestand noch fort, als auch die Struktur dieser Gewebe genauer bekannt wurde. Auch wurde durch das pflanzenähnliche Wachsthum der Bestandtheile des Eies die postulirte we-
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[V/0011]
sammensetzen, während man bei den Elementar-
theilen der Thiere keineswegs ein Gleiches that.
Man statuirte also einen wesentlichen Unter-
schied in der Art und in den Grundkräften des
Wachsthums.
Indessen zeigte sich bald, daſs bei den Thie-
ren auch Gewebe vorkommen, welche ohne Ge-
fäſse wachsen und zwar erstens bei der Bildung
des Eies und den frühern Entwicklungsstadien
des Embryo vor der Blutbildung, zweitens bei
einigen Geweben des Erwachsenen, z. B. der
Epidermis. Bei dem Ei, wo sich unzweifel-
hafte Beweise eines wirklichen Lebens zeigten,
waren alle Physiologen darin einverstanden, daſs
dort ein sogenanntes pflanzenähnliches Wachs-
thum statt finde. Diese Pflanzenähnlichkeit be-
zog sich auf ein Wachsthum der Eitheile ohne
Gefäſse: Form und Entwicklungsweise der Ele-
mentartheile waren dabei gleichgültig. Man hielt
sich aber nicht berechtigt aus der Analogie des
Eies auf ein pflanzenähnliches Wachsthum der
Elementartheile der gefäſslosen Gewebe des Er-
wachsenen zu schlieſsen; es machte sich viel-
mehr die Ansicht geltend, daſs diese Gewebe
durch eine Sekretion von der Oberfläche der or-
ganisirten Gewebe entständen und wüchsen. So
beim Epithelium, der Krystalllinse u. s. w. Diese
Ansicht bestand noch fort, als auch die Struktur
dieser Gewebe genauer bekannt wurde. Auch
wurde durch das pflanzenähnliche Wachsthum
der Bestandtheile des Eies die postulirte we-
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/11>, abgerufen am 03.02.2025.
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