lange abwesenden Vater zu suchen. Zuerst gehe nach Pylos im Lande Elis, frage dort den ehrwürdigen Greis Nestor; erfährst du da nichts, so wende dich nach Sparta zum Helden Menelaus, denn dieser ist der letzte von den Grie¬ chen, der heimgekehrt ist. Hörst du vielleicht dort, daß dein Vater lebe, daß er wiederkehre; nun dann ertrag' es noch ein Jahr. Vernimmst du aber, daß er gestorben sey: alsdann kehre heim, opfre Todtenopfer und erricht' ihm ein Denkmal. Findest du die Freier noch immer in deinem Hause, so sinne darauf, wie du sie durch List oder öffentlich tödtest. Bist du doch nicht mehr unmündig und dem Knabenalter längst entwachsen! Hörest du nicht, welchen Ruhm der Jüngling Orestes unter den Menschen geärntet hat, daß er seines Vaters Mörder, Aegisthus, erschlagen? Du bist so groß und stattlich; halte dich wohl; mach' daß auch dich einst spätere Geschlechter loben!" Telemach dankte dem Gastfreunde für seinen guten Rath und seine väter¬ liche Gesinnung, und da dieser sich zum Aufbruch an¬ schickte, wollte er ihm ein Gastgeschenk mit auf den Weg geben; der verstellte Mentes versprach aber wieder zu kommen und auf dem Rückweg es abzuholen.
Dann enteilte die Göttin und verschwand; denn wie ein Vogel durchflog sie den Kamin, Telemach staunte über dem Verschwinden des Fremden tief in der Seele; er ahnte, daß es ein Gott gewesen, und sann in sich ge¬ kehrt seinem Rathe nach.
Im Saale dauerte indessen Saitenspiel und Gesang fort: der Sänger meldete die traurige Heimfahrt der Griechen von Troja, und alle Freier horchten. Droben im Söller saß inzwischen die einsame Penelope, und der Hall des Liedes drang zu ihr empor. Da stieg auch
lange abweſenden Vater zu ſuchen. Zuerſt gehe nach Pylos im Lande Elis, frage dort den ehrwürdigen Greis Neſtor; erfährſt du da nichts, ſo wende dich nach Sparta zum Helden Menelaus, denn dieſer iſt der letzte von den Grie¬ chen, der heimgekehrt iſt. Hörſt du vielleicht dort, daß dein Vater lebe, daß er wiederkehre; nun dann ertrag' es noch ein Jahr. Vernimmſt du aber, daß er geſtorben ſey: alsdann kehre heim, opfre Todtenopfer und erricht' ihm ein Denkmal. Findeſt du die Freier noch immer in deinem Hauſe, ſo ſinne darauf, wie du ſie durch Liſt oder öffentlich tödteſt. Biſt du doch nicht mehr unmündig und dem Knabenalter längſt entwachſen! Höreſt du nicht, welchen Ruhm der Jüngling Oreſtes unter den Menſchen geärntet hat, daß er ſeines Vaters Mörder, Aegiſthus, erſchlagen? Du biſt ſo groß und ſtattlich; halte dich wohl; mach' daß auch dich einſt ſpätere Geſchlechter loben!“ Telemach dankte dem Gaſtfreunde für ſeinen guten Rath und ſeine väter¬ liche Geſinnung, und da dieſer ſich zum Aufbruch an¬ ſchickte, wollte er ihm ein Gaſtgeſchenk mit auf den Weg geben; der verſtellte Mentes verſprach aber wieder zu kommen und auf dem Rückweg es abzuholen.
Dann enteilte die Göttin und verſchwand; denn wie ein Vogel durchflog ſie den Kamin, Telemach ſtaunte über dem Verſchwinden des Fremden tief in der Seele; er ahnte, daß es ein Gott geweſen, und ſann in ſich ge¬ kehrt ſeinem Rathe nach.
Im Saale dauerte indeſſen Saitenſpiel und Geſang fort: der Sänger meldete die traurige Heimfahrt der Griechen von Troja, und alle Freier horchten. Droben im Söller ſaß inzwiſchen die einſame Penelope, und der Hall des Liedes drang zu ihr empor. Da ſtieg auch
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lange abweſenden Vater zu ſuchen. Zuerſt gehe nach
Pylos im Lande Elis, frage dort den ehrwürdigen Greis
Neſtor; erfährſt du da nichts, ſo wende dich nach Sparta
zum Helden Menelaus, denn dieſer iſt der letzte von den Grie¬
chen, der heimgekehrt iſt. Hörſt du vielleicht dort, daß dein
Vater lebe, daß er wiederkehre; nun dann ertrag' es noch
ein Jahr. Vernimmſt du aber, daß er geſtorben ſey: alsdann
kehre heim, opfre Todtenopfer und erricht' ihm ein Denkmal.
Findeſt du die Freier noch immer in deinem Hauſe, ſo
ſinne darauf, wie du ſie durch Liſt oder öffentlich tödteſt.
Biſt du doch nicht mehr unmündig und dem Knabenalter
längſt entwachſen! Höreſt du nicht, welchen Ruhm der
Jüngling Oreſtes unter den Menſchen geärntet hat, daß
er ſeines Vaters Mörder, Aegiſthus, erſchlagen? Du
biſt ſo groß und ſtattlich; halte dich wohl; mach' daß
auch dich einſt ſpätere Geſchlechter loben!“ Telemach dankte
dem Gaſtfreunde für ſeinen guten Rath und ſeine väter¬
liche Geſinnung, und da dieſer ſich zum Aufbruch an¬
ſchickte, wollte er ihm ein Gaſtgeſchenk mit auf den Weg
geben; der verſtellte Mentes verſprach aber wieder zu
kommen und auf dem Rückweg es abzuholen.
Dann enteilte die Göttin und verſchwand; denn wie ein
Vogel durchflog ſie den Kamin, Telemach ſtaunte über
dem Verſchwinden des Fremden tief in der Seele; er
ahnte, daß es ein Gott geweſen, und ſann in ſich ge¬
kehrt ſeinem Rathe nach.
Im Saale dauerte indeſſen Saitenſpiel und Geſang
fort: der Sänger meldete die traurige Heimfahrt der
Griechen von Troja, und alle Freier horchten. Droben
im Söller ſaß inzwiſchen die einſame Penelope, und der
Hall des Liedes drang zu ihr empor. Da ſtieg auch
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/94>, abgerufen am 24.11.2024.
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