lebt, wenn anders ich selbst vom Lebenshauch beseelt bin; ich bin Orestes, bin dein Bruder, erkenne mich an die¬ sem Mahlzeichen, mit dem der Vater mich am Arme gezeichnet! Glaubst du nun, daß ich lebe?" -- "O Lichtstrahl in der Nacht!" rief Elektra und lag in seinen Armen.
In diesem Augenblicke kam der Mann aus dem Pallaste, welcher der Königin die falsche Todesbotschaft aus Phocis überbracht hatte; es war der Pfleger des jungen Orestes, dem einst Elektra selbst den Knaben über¬ geben, und der ihn auf ihren Befehl ins Land der Pho¬ cier geleitet hatte. Als er mit kurzen Worten der Jung¬ frau dieses kund that, reichte sie ihm erfreut die Hand und sprach: "O du einziger Retter dieses Hauses! Welchen Dienst haben mir diese theuren Hände, diese treu bemüh¬ ten Füße geleistet! Wie verbargst du dich so lange un¬ entdeckt? Wie habt ihr doch Alles angelegt und verab¬ redet?" -- Aber der Pfleger stand ihren ungestümen Fragen nicht Rede. "Es wird die Zeit kommen, da ich dir Alles mit Gemächlichkeit erzählen kann, edle Königs¬ tochter! Jetzt aber drängt die Stunde zum Angriff, zur Rache! Noch ist Klytämnestra allein im Hause, noch bewacht sie kein Mann drinnen; denn Aegisth verweilt noch in der Ferne! wenn ihr aber noch einen Augenblick zögert, so habt ihr mit Vielen und Ueberlegenen den Kampf zu wagen!" Orestes stimmte ein und eilte mit seinem treuen Freunde Pylades, dem Sohne des Königes Strophius aus Phocis, der an seiner Seite gekommen war, und mit allen andern Begleitern in den Pallast, und Elektra, nachdem sie flehend den Altar Apollo's umfaßt hatte, folgte ihnen. --
lebt, wenn anders ich ſelbſt vom Lebenshauch beſeelt bin; ich bin Oreſtes, bin dein Bruder, erkenne mich an die¬ ſem Mahlzeichen, mit dem der Vater mich am Arme gezeichnet! Glaubſt du nun, daß ich lebe?“ — „O Lichtſtrahl in der Nacht!“ rief Elektra und lag in ſeinen Armen.
In dieſem Augenblicke kam der Mann aus dem Pallaſte, welcher der Königin die falſche Todesbotſchaft aus Phocis überbracht hatte; es war der Pfleger des jungen Oreſtes, dem einſt Elektra ſelbſt den Knaben über¬ geben, und der ihn auf ihren Befehl ins Land der Pho¬ cier geleitet hatte. Als er mit kurzen Worten der Jung¬ frau dieſes kund that, reichte ſie ihm erfreut die Hand und ſprach: „O du einziger Retter dieſes Hauſes! Welchen Dienſt haben mir dieſe theuren Hände, dieſe treu bemüh¬ ten Füße geleiſtet! Wie verbargſt du dich ſo lange un¬ entdeckt? Wie habt ihr doch Alles angelegt und verab¬ redet?“ — Aber der Pfleger ſtand ihren ungeſtümen Fragen nicht Rede. „Es wird die Zeit kommen, da ich dir Alles mit Gemächlichkeit erzählen kann, edle Königs¬ tochter! Jetzt aber drängt die Stunde zum Angriff, zur Rache! Noch iſt Klytämneſtra allein im Hauſe, noch bewacht ſie kein Mann drinnen; denn Aegiſth verweilt noch in der Ferne! wenn ihr aber noch einen Augenblick zögert, ſo habt ihr mit Vielen und Ueberlegenen den Kampf zu wagen!“ Oreſtes ſtimmte ein und eilte mit ſeinem treuen Freunde Pylades, dem Sohne des Königes Strophius aus Phocis, der an ſeiner Seite gekommen war, und mit allen andern Begleitern in den Pallaſt, und Elektra, nachdem ſie flehend den Altar Apollo's umfaßt hatte, folgte ihnen. —
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lebt, wenn anders ich ſelbſt vom Lebenshauch beſeelt bin;
ich bin Oreſtes, bin dein Bruder, erkenne mich an die¬
ſem Mahlzeichen, mit dem der Vater mich am Arme
gezeichnet! Glaubſt du nun, daß ich lebe?“ — „O
Lichtſtrahl in der Nacht!“ rief Elektra und lag in ſeinen
Armen.
In dieſem Augenblicke kam der Mann aus dem
Pallaſte, welcher der Königin die falſche Todesbotſchaft
aus Phocis überbracht hatte; es war der Pfleger des
jungen Oreſtes, dem einſt Elektra ſelbſt den Knaben über¬
geben, und der ihn auf ihren Befehl ins Land der Pho¬
cier geleitet hatte. Als er mit kurzen Worten der Jung¬
frau dieſes kund that, reichte ſie ihm erfreut die Hand und
ſprach: „O du einziger Retter dieſes Hauſes! Welchen
Dienſt haben mir dieſe theuren Hände, dieſe treu bemüh¬
ten Füße geleiſtet! Wie verbargſt du dich ſo lange un¬
entdeckt? Wie habt ihr doch Alles angelegt und verab¬
redet?“ — Aber der Pfleger ſtand ihren ungeſtümen
Fragen nicht Rede. „Es wird die Zeit kommen, da ich
dir Alles mit Gemächlichkeit erzählen kann, edle Königs¬
tochter! Jetzt aber drängt die Stunde zum Angriff, zur
Rache! Noch iſt Klytämneſtra allein im Hauſe, noch
bewacht ſie kein Mann drinnen; denn Aegiſth verweilt
noch in der Ferne! wenn ihr aber noch einen Augenblick
zögert, ſo habt ihr mit Vielen und Ueberlegenen den
Kampf zu wagen!“ Oreſtes ſtimmte ein und eilte mit
ſeinem treuen Freunde Pylades, dem Sohne des Königes
Strophius aus Phocis, der an ſeiner Seite gekommen
war, und mit allen andern Begleitern in den Pallaſt, und
Elektra, nachdem ſie flehend den Altar Apollo's umfaßt
hatte, folgte ihnen. —
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/49>, abgerufen am 24.11.2024.
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