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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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war seine Lust, dieß war sein Trost: noch aus allen
Gefechten hatte es ihn siegreich zurückgetragen. Auch
das Streitroß schien über den Jammer seines Herrn zu
trauern, es stand mit gesenktem Haupte da, und die
Mähne floß regungslos über den Hals. "Wir haben
lange gelebt, guter Rhöbus," redete der wunde Held
sein Pferd an, "wenn irgend etwas auf der Erde lang
ist; aber heute noch wirst du als Sieger mit mir den
Lausus rächen, und Haupt und Rüstung des Mörders
blutig heimtragen, oder wir fallen mit einander, denn
du wirst, hoff' ich, keinen Trojaner tragen wollen!"
Schnell waffnete sich der Greis, so gut es die Wunde
erlaubte, wieder; das Erz des Helmes umleuchtete sein
Haupt, der Roßschweif flatterte in den Lüften, seine Hand
hielt ein Bündel Speere; so trug ihn Schmerz, Wahn¬
sinn und Muth hoch zu Rosse wieder in die Schlacht.

"Das gebe Jupiter und Apollo," rief Aeneas er¬
freut, als er den Gegner wieder auf sich zu kommen sah,
"daß du den Zweikampf mit mir erneurest!" Und nun
eilte er ihm mit gehobenem Speer entgegen. Mezentius
rief dagegen: "Glaubst du mich noch schrecken zu kön¬
nen, nachdem du mir den Sohn entrissen hast? Ich
fürchte den Tod nicht, ich frage nach keinem Gott, ster¬
ben will ich, aber dir sende ich zuvor diese Gabe!"
Sprachs und sandte einen ersten Speer nach seinem
Feind, und einen zweiten und einen dritten, indem er
ihn dreimal dazu mit seinem Roß umkreiste. Aeneas
drehte seinen Schild nach den Würfen, und fing die
Geschosse, eins um das andere mit der goldnen Schutz¬
waffe auf. Dann brach er hervor und schleuderte seine
eigene Lanze dem Streitrosse des Feindes in die Schläfe.

war ſeine Luſt, dieß war ſein Troſt: noch aus allen
Gefechten hatte es ihn ſiegreich zurückgetragen. Auch
das Streitroß ſchien über den Jammer ſeines Herrn zu
trauern, es ſtand mit geſenktem Haupte da, und die
Mähne floß regungslos über den Hals. „Wir haben
lange gelebt, guter Rhöbus,“ redete der wunde Held
ſein Pferd an, „wenn irgend etwas auf der Erde lang
iſt; aber heute noch wirſt du als Sieger mit mir den
Lauſus rächen, und Haupt und Rüſtung des Mörders
blutig heimtragen, oder wir fallen mit einander, denn
du wirſt, hoff' ich, keinen Trojaner tragen wollen!“
Schnell waffnete ſich der Greis, ſo gut es die Wunde
erlaubte, wieder; das Erz des Helmes umleuchtete ſein
Haupt, der Roßſchweif flatterte in den Lüften, ſeine Hand
hielt ein Bündel Speere; ſo trug ihn Schmerz, Wahn¬
ſinn und Muth hoch zu Roſſe wieder in die Schlacht.

„Das gebe Jupiter und Apollo,“ rief Aeneas er¬
freut, als er den Gegner wieder auf ſich zu kommen ſah,
„daß du den Zweikampf mit mir erneureſt!“ Und nun
eilte er ihm mit gehobenem Speer entgegen. Mezentius
rief dagegen: „Glaubſt du mich noch ſchrecken zu kön¬
nen, nachdem du mir den Sohn entriſſen haſt? Ich
fürchte den Tod nicht, ich frage nach keinem Gott, ſter¬
ben will ich, aber dir ſende ich zuvor dieſe Gabe!“
Sprachs und ſandte einen erſten Speer nach ſeinem
Feind, und einen zweiten und einen dritten, indem er
ihn dreimal dazu mit ſeinem Roß umkreiſte. Aeneas
drehte ſeinen Schild nach den Würfen, und fing die
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waffe auf. Dann brach er hervor und ſchleuderte ſeine
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[400/0422] war ſeine Luſt, dieß war ſein Troſt: noch aus allen Gefechten hatte es ihn ſiegreich zurückgetragen. Auch das Streitroß ſchien über den Jammer ſeines Herrn zu trauern, es ſtand mit geſenktem Haupte da, und die Mähne floß regungslos über den Hals. „Wir haben lange gelebt, guter Rhöbus,“ redete der wunde Held ſein Pferd an, „wenn irgend etwas auf der Erde lang iſt; aber heute noch wirſt du als Sieger mit mir den Lauſus rächen, und Haupt und Rüſtung des Mörders blutig heimtragen, oder wir fallen mit einander, denn du wirſt, hoff' ich, keinen Trojaner tragen wollen!“ Schnell waffnete ſich der Greis, ſo gut es die Wunde erlaubte, wieder; das Erz des Helmes umleuchtete ſein Haupt, der Roßſchweif flatterte in den Lüften, ſeine Hand hielt ein Bündel Speere; ſo trug ihn Schmerz, Wahn¬ ſinn und Muth hoch zu Roſſe wieder in die Schlacht. „Das gebe Jupiter und Apollo,“ rief Aeneas er¬ freut, als er den Gegner wieder auf ſich zu kommen ſah, „daß du den Zweikampf mit mir erneureſt!“ Und nun eilte er ihm mit gehobenem Speer entgegen. Mezentius rief dagegen: „Glaubſt du mich noch ſchrecken zu kön¬ nen, nachdem du mir den Sohn entriſſen haſt? Ich fürchte den Tod nicht, ich frage nach keinem Gott, ſter¬ ben will ich, aber dir ſende ich zuvor dieſe Gabe!“ Sprachs und ſandte einen erſten Speer nach ſeinem Feind, und einen zweiten und einen dritten, indem er ihn dreimal dazu mit ſeinem Roß umkreiſte. Aeneas drehte ſeinen Schild nach den Würfen, und fing die Geſchoſſe, eins um das andere mit der goldnen Schutz¬ waffe auf. Dann brach er hervor und ſchleuderte ſeine eigene Lanze dem Streitroſſe des Feindes in die Schläfe.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/422>, abgerufen am 22.11.2024.