Wenn er zurück ist, ängstigt mich nichts mehr. Zwei silberne Becher, zwei köstliche Dreifüße, zwei Talente Goldes, den schönen alten Krug, den Dido meinem Vater geschenkt hat, das Alles sollt ihr jetzt schon haben, und wenn wir siegen, noch viel mehr. Hast du das herrliche Roß gesehen, Nisus, das Turnus reitet, und seine goldene Rüstung? Sie seyen dein. Zwölf Gefangene wird euch mein Vater verleihen, Männer mit vollen Waffenrüstungen, und Frauen, und vom Felde des La¬ tinus herrliche Güter. "Du aber," so sprach er zu Eu¬ ryalus gewendet, "verehrter Jüngling, dessen Jugend meine Jahre nachstreben, dich begrüße ich schon jetzt von ganzem Herzen als Kampfgenossen und unzertrennlichen Freund." Darauf nahm Euryalus das Wort: "Es soll kein Tag kommen," sprach er, "an dem ich mich mei¬ nes tapfern Entschlusses unwürdig zeige. Aber vor allen Geschenken bitte ich dich um eines, Julus. Meine Mutter, vom alten Königsgeschlechte des Priamus stam¬ mend wie du, hat sich nicht abhalten lassen, mit mir auszuwandern, und ich verlasse sie ohne Abschied, denn ich könnte ihren Thränen nicht widerstehen. Nimm du dich der Verlassenen an, tröste sie in der Noth, wenn das Schicksal mich nicht zurückkehren läßt!" In der Seele des Askanius erwachte bei diesen Worten die Liebe zum Vater noch heftiger, er fing laut zu weinen an, und versprach ihm unter Thränen Alles. Auch die Helden ergriff tiefe Rührung; Mnestheus zog sich die Löwenhaut von der Schulter, und warf sie dem Nisus um; Aletes tauschte mit ihm den Helm, und Euryalus empfing aus der Hand des Julus sein eigenes Schwert mit goldenem Griff, in der Scheide von Elfenbein.
Wenn er zurück iſt, ängſtigt mich nichts mehr. Zwei ſilberne Becher, zwei köſtliche Dreifüße, zwei Talente Goldes, den ſchönen alten Krug, den Dido meinem Vater geſchenkt hat, das Alles ſollt ihr jetzt ſchon haben, und wenn wir ſiegen, noch viel mehr. Haſt du das herrliche Roß geſehen, Niſus, das Turnus reitet, und ſeine goldene Rüſtung? Sie ſeyen dein. Zwölf Gefangene wird euch mein Vater verleihen, Männer mit vollen Waffenrüſtungen, und Frauen, und vom Felde des La¬ tinus herrliche Güter. „Du aber,“ ſo ſprach er zu Eu¬ ryalus gewendet, „verehrter Jüngling, deſſen Jugend meine Jahre nachſtreben, dich begrüße ich ſchon jetzt von ganzem Herzen als Kampfgenoſſen und unzertrennlichen Freund.“ Darauf nahm Euryalus das Wort: „Es ſoll kein Tag kommen,“ ſprach er, „an dem ich mich mei¬ nes tapfern Entſchluſſes unwürdig zeige. Aber vor allen Geſchenken bitte ich dich um eines, Julus. Meine Mutter, vom alten Königsgeſchlechte des Priamus ſtam¬ mend wie du, hat ſich nicht abhalten laſſen, mit mir auszuwandern, und ich verlaſſe ſie ohne Abſchied, denn ich könnte ihren Thränen nicht widerſtehen. Nimm du dich der Verlaſſenen an, tröſte ſie in der Noth, wenn das Schickſal mich nicht zurückkehren läßt!“ In der Seele des Askanius erwachte bei dieſen Worten die Liebe zum Vater noch heftiger, er fing laut zu weinen an, und verſprach ihm unter Thränen Alles. Auch die Helden ergriff tiefe Rührung; Mneſtheus zog ſich die Löwenhaut von der Schulter, und warf ſie dem Niſus um; Aletes tauſchte mit ihm den Helm, und Euryalus empfing aus der Hand des Julus ſein eigenes Schwert mit goldenem Griff, in der Scheide von Elfenbein.
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Wenn er zurück iſt, ängſtigt mich nichts mehr. Zwei
ſilberne Becher, zwei köſtliche Dreifüße, zwei Talente
Goldes, den ſchönen alten Krug, den Dido meinem
Vater geſchenkt hat, das Alles ſollt ihr jetzt ſchon haben,
und wenn wir ſiegen, noch viel mehr. Haſt du das
herrliche Roß geſehen, Niſus, das Turnus reitet, und
ſeine goldene Rüſtung? Sie ſeyen dein. Zwölf Gefangene
wird euch mein Vater verleihen, Männer mit vollen
Waffenrüſtungen, und Frauen, und vom Felde des La¬
tinus herrliche Güter. „Du aber,“ ſo ſprach er zu Eu¬
ryalus gewendet, „verehrter Jüngling, deſſen Jugend
meine Jahre nachſtreben, dich begrüße ich ſchon jetzt von
ganzem Herzen als Kampfgenoſſen und unzertrennlichen
Freund.“ Darauf nahm Euryalus das Wort: „Es ſoll
kein Tag kommen,“ ſprach er, „an dem ich mich mei¬
nes tapfern Entſchluſſes unwürdig zeige. Aber vor allen
Geſchenken bitte ich dich um eines, Julus. Meine
Mutter, vom alten Königsgeſchlechte des Priamus ſtam¬
mend wie du, hat ſich nicht abhalten laſſen, mit mir
auszuwandern, und ich verlaſſe ſie ohne Abſchied, denn
ich könnte ihren Thränen nicht widerſtehen. Nimm du
dich der Verlaſſenen an, tröſte ſie in der Noth, wenn
das Schickſal mich nicht zurückkehren läßt!“ In der
Seele des Askanius erwachte bei dieſen Worten die
Liebe zum Vater noch heftiger, er fing laut zu weinen
an, und verſprach ihm unter Thränen Alles. Auch die
Helden ergriff tiefe Rührung; Mneſtheus zog ſich die
Löwenhaut von der Schulter, und warf ſie dem Niſus
um; Aletes tauſchte mit ihm den Helm, und Euryalus
empfing aus der Hand des Julus ſein eigenes Schwert
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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