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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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bedroht. Nicht weit von hier, im Tuskerlande, haben
sich arkadische Pelasger, vom alten Könige Pallas ab¬
stammend, unter ihrem Fürsten Evander angesiedelt, und
auf einem hohen Hügel die Stadt Pallanteum, nach
dem Namen ihres Ahnherrn gegründet. Ob es gleich
Griechen sind, so darfst du sie doch nicht scheuen, denn
es sind unversöhnliche Feinde des Latinervolks. Mit die¬
sen sollst du dich verbünden, und sie werden deine Kampf¬
genossen werden. Opfere der Göttermutter Juno, sobald
du erwachst, und überwinde ihren Zorn durch Demuth.
Alsdann begieb dich auf den Weg zu Evander."

Der Gott verschwand, und der erwachte Aeneas
befolgte seinen Rath. Zwei Schiffe wurden aus der
Flotte herausgewählt und mit auserlesenen Freunden be¬
mannt. Noch ehe der Held mit ihnen abging, erfüllte
sich das verkündigte Zeichen. Am Saume des Waldes,
unter einer mächtigen Eiche, schneeweiß schimmernd, er¬
blickte man ein Schwein mit dreißig Jungen. Der Mah¬
nung des Stromgottes eingedenk, opferte Aeneas die
Mutter und ihre ganze Zucht der mächtigen Göttin
Juno, und versöhnte durch ein so herrliches Opfer ihr
grollendes Herz. Dann schiffte er sich auf der Tiber
ein, die, von dem Flußgotte gebändigt, glatt und eben
dalag, wie der Spiegel eines Landsees. Die Wellen
selbst staunten und der Uferwald wunderte sich, als sie
bunte Verdecke und Männer mit hellen Schilden den
Strom fast ohne Ruderschlag heraufziehen sahen. Jene
aber fuhren Tag und Nacht durch lange Krümmungen
zwischen grünenden Hainen auf dem spiegelhellen Was¬
ser dahin. Endlich am andern Morgen sahen sie von
ferne Mauern, Häuser und eine Burg auf hohem Berge

bedroht. Nicht weit von hier, im Tuskerlande, haben
ſich arkadiſche Pelasger, vom alten Könige Pallas ab¬
ſtammend, unter ihrem Fürſten Evander angeſiedelt, und
auf einem hohen Hügel die Stadt Pallanteum, nach
dem Namen ihres Ahnherrn gegründet. Ob es gleich
Griechen ſind, ſo darfſt du ſie doch nicht ſcheuen, denn
es ſind unverſöhnliche Feinde des Latinervolks. Mit die¬
ſen ſollſt du dich verbünden, und ſie werden deine Kampf¬
genoſſen werden. Opfere der Göttermutter Juno, ſobald
du erwachſt, und überwinde ihren Zorn durch Demuth.
Alsdann begieb dich auf den Weg zu Evander.“

Der Gott verſchwand, und der erwachte Aeneas
befolgte ſeinen Rath. Zwei Schiffe wurden aus der
Flotte herausgewählt und mit auserleſenen Freunden be¬
mannt. Noch ehe der Held mit ihnen abging, erfüllte
ſich das verkündigte Zeichen. Am Saume des Waldes,
unter einer mächtigen Eiche, ſchneeweiß ſchimmernd, er¬
blickte man ein Schwein mit dreißig Jungen. Der Mah¬
nung des Stromgottes eingedenk, opferte Aeneas die
Mutter und ihre ganze Zucht der mächtigen Göttin
Juno, und verſöhnte durch ein ſo herrliches Opfer ihr
grollendes Herz. Dann ſchiffte er ſich auf der Tiber
ein, die, von dem Flußgotte gebändigt, glatt und eben
dalag, wie der Spiegel eines Landſees. Die Wellen
ſelbſt ſtaunten und der Uferwald wunderte ſich, als ſie
bunte Verdecke und Männer mit hellen Schilden den
Strom faſt ohne Ruderſchlag heraufziehen ſahen. Jene
aber fuhren Tag und Nacht durch lange Krümmungen
zwiſchen grünenden Hainen auf dem ſpiegelhellen Waſ¬
ſer dahin. Endlich am andern Morgen ſahen ſie von
ferne Mauern, Häuſer und eine Burg auf hohem Berge

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[363/0385] bedroht. Nicht weit von hier, im Tuskerlande, haben ſich arkadiſche Pelasger, vom alten Könige Pallas ab¬ ſtammend, unter ihrem Fürſten Evander angeſiedelt, und auf einem hohen Hügel die Stadt Pallanteum, nach dem Namen ihres Ahnherrn gegründet. Ob es gleich Griechen ſind, ſo darfſt du ſie doch nicht ſcheuen, denn es ſind unverſöhnliche Feinde des Latinervolks. Mit die¬ ſen ſollſt du dich verbünden, und ſie werden deine Kampf¬ genoſſen werden. Opfere der Göttermutter Juno, ſobald du erwachſt, und überwinde ihren Zorn durch Demuth. Alsdann begieb dich auf den Weg zu Evander.“ Der Gott verſchwand, und der erwachte Aeneas befolgte ſeinen Rath. Zwei Schiffe wurden aus der Flotte herausgewählt und mit auserleſenen Freunden be¬ mannt. Noch ehe der Held mit ihnen abging, erfüllte ſich das verkündigte Zeichen. Am Saume des Waldes, unter einer mächtigen Eiche, ſchneeweiß ſchimmernd, er¬ blickte man ein Schwein mit dreißig Jungen. Der Mah¬ nung des Stromgottes eingedenk, opferte Aeneas die Mutter und ihre ganze Zucht der mächtigen Göttin Juno, und verſöhnte durch ein ſo herrliches Opfer ihr grollendes Herz. Dann ſchiffte er ſich auf der Tiber ein, die, von dem Flußgotte gebändigt, glatt und eben dalag, wie der Spiegel eines Landſees. Die Wellen ſelbſt ſtaunten und der Uferwald wunderte ſich, als ſie bunte Verdecke und Männer mit hellen Schilden den Strom faſt ohne Ruderſchlag heraufziehen ſahen. Jene aber fuhren Tag und Nacht durch lange Krümmungen zwiſchen grünenden Hainen auf dem ſpiegelhellen Waſ¬ ſer dahin. Endlich am andern Morgen ſahen ſie von ferne Mauern, Häuſer und eine Burg auf hohem Berge

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/385>, abgerufen am 22.11.2024.