Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Mitleid Flehender, das ganze Haus mit Gewinsel an. Jam¬
mernd entdeckte zuerst Silvia ihren Liebling, und rief
mit lautem Geschrei die Bauern der Umgegend zu Hülfe.
Diese kamen mit angebrannten Pfählen und Keulen be¬
waffnet: Tyrrhus selbst rief seinen Gesellen herbei, der
just eine stämmige Eiche mit dem Beil spaltete; und
als Alekto den rechten Zeitpunkt ersehen, stellte sie sich
auf den Giebel des Hofgebäudes und ließ durch das ge¬
wundene Horn den lauten Hirtenruf in die Gegend hin¬
austönen. Von allen Seiten strömte jetzt tobendes
Bauernvolk herbei, aber auch dem Askanius kam die
trojanische Mannschaft zu Hülfe. Bald waren es
auf der andern Seite auch nicht mehr blos mit Prügeln
bewaffnete Haufen; es hatten sich zwei ordentliche Schlacht¬
reihen gebildet: Schwerter wurden gezogen, Bogen ge¬
spannt.

Der erste Pfeilschuß von Seiten der jagenden Tro¬
janer, die sich gegen die anstürmenden Feinde zur Wehr
setzten, traf den ältesten Sohn des Tyrrhus, Almo, in
die Kehle, daß ihm Stimme und Leben zugleich schwand.
Nun begann ein allgemeines Gemetzel unter den Hirten.
Der ehrlichste und begüterste Bauer in ganz Latium, der
alte Galäsus, der fünf Rinder- und fünf Schaafheerden
besaß, und hundert Pflüge über seine Aecker gehen hatte,
war aus den Schaaren des Bauernvolkes hervorgetreten,
um den Frieden zu vermitteln; aber er wurde nicht an¬
gehört und ein Pfeilregen bedeckte ihn, unter dem er ster¬
bend erlag. Jetzt stürzten die überwältigten Hirten aus
dem Kampfe in die Stadt, und trugen ihre Erschlagenen,
den Almo, den Galäsus und viele Andere wehklagend
durch die Thore. Sie riefen die Götter laut um Hülfe

Mitleid Flehender, das ganze Haus mit Gewinſel an. Jam¬
mernd entdeckte zuerſt Silvia ihren Liebling, und rief
mit lautem Geſchrei die Bauern der Umgegend zu Hülfe.
Dieſe kamen mit angebrannten Pfählen und Keulen be¬
waffnet: Tyrrhus ſelbſt rief ſeinen Geſellen herbei, der
juſt eine ſtämmige Eiche mit dem Beil ſpaltete; und
als Alekto den rechten Zeitpunkt erſehen, ſtellte ſie ſich
auf den Giebel des Hofgebäudes und ließ durch das ge¬
wundene Horn den lauten Hirtenruf in die Gegend hin¬
austönen. Von allen Seiten ſtrömte jetzt tobendes
Bauernvolk herbei, aber auch dem Askanius kam die
trojaniſche Mannſchaft zu Hülfe. Bald waren es
auf der andern Seite auch nicht mehr blos mit Prügeln
bewaffnete Haufen; es hatten ſich zwei ordentliche Schlacht¬
reihen gebildet: Schwerter wurden gezogen, Bogen ge¬
ſpannt.

Der erſte Pfeilſchuß von Seiten der jagenden Tro¬
janer, die ſich gegen die anſtürmenden Feinde zur Wehr
ſetzten, traf den älteſten Sohn des Tyrrhus, Almo, in
die Kehle, daß ihm Stimme und Leben zugleich ſchwand.
Nun begann ein allgemeines Gemetzel unter den Hirten.
Der ehrlichſte und begüterſte Bauer in ganz Latium, der
alte Galäſus, der fünf Rinder- und fünf Schaafheerden
beſaß, und hundert Pflüge über ſeine Aecker gehen hatte,
war aus den Schaaren des Bauernvolkes hervorgetreten,
um den Frieden zu vermitteln; aber er wurde nicht an¬
gehört und ein Pfeilregen bedeckte ihn, unter dem er ſter¬
bend erlag. Jetzt ſtürzten die überwältigten Hirten aus
dem Kampfe in die Stadt, und trugen ihre Erſchlagenen,
den Almo, den Galäſus und viele Andere wehklagend
durch die Thore. Sie riefen die Götter laut um Hülfe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0381" n="359"/>
Mitleid Flehender, das ganze Haus mit Gewin&#x017F;el an. Jam¬<lb/>
mernd entdeckte zuer&#x017F;t Silvia ihren Liebling, und rief<lb/>
mit lautem Ge&#x017F;chrei die Bauern der Umgegend zu Hülfe.<lb/>
Die&#x017F;e kamen mit angebrannten Pfählen und Keulen be¬<lb/>
waffnet: Tyrrhus &#x017F;elb&#x017F;t rief &#x017F;einen Ge&#x017F;ellen herbei, der<lb/>
ju&#x017F;t eine &#x017F;tämmige Eiche mit dem Beil &#x017F;paltete; und<lb/>
als Alekto den rechten Zeitpunkt er&#x017F;ehen, &#x017F;tellte &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
auf den Giebel des Hofgebäudes und ließ durch das ge¬<lb/>
wundene Horn den lauten Hirtenruf in die Gegend hin¬<lb/>
austönen. Von allen Seiten &#x017F;trömte jetzt tobendes<lb/>
Bauernvolk herbei, aber auch dem Askanius kam die<lb/>
trojani&#x017F;che Mann&#x017F;chaft zu Hülfe. Bald waren es<lb/>
auf der andern Seite auch nicht mehr blos mit Prügeln<lb/>
bewaffnete Haufen; es hatten &#x017F;ich zwei ordentliche Schlacht¬<lb/>
reihen gebildet: Schwerter wurden gezogen, Bogen ge¬<lb/>
&#x017F;pannt.</p><lb/>
            <p>Der er&#x017F;te Pfeil&#x017F;chuß von Seiten der jagenden Tro¬<lb/>
janer, die &#x017F;ich gegen die an&#x017F;türmenden Feinde zur Wehr<lb/>
&#x017F;etzten, traf den älte&#x017F;ten Sohn des Tyrrhus, Almo, in<lb/>
die Kehle, daß ihm Stimme und Leben zugleich &#x017F;chwand.<lb/>
Nun begann ein allgemeines Gemetzel unter den Hirten.<lb/>
Der ehrlich&#x017F;te und begüter&#x017F;te Bauer in ganz Latium, der<lb/>
alte Galä&#x017F;us, der fünf Rinder- und fünf Schaafheerden<lb/>
be&#x017F;aß, und hundert Pflüge über &#x017F;eine Aecker gehen hatte,<lb/>
war aus den Schaaren des Bauernvolkes hervorgetreten,<lb/>
um den Frieden zu vermitteln; aber er wurde nicht an¬<lb/>
gehört und ein Pfeilregen bedeckte ihn, unter dem er &#x017F;ter¬<lb/>
bend erlag. Jetzt &#x017F;türzten die überwältigten Hirten aus<lb/>
dem Kampfe in die Stadt, und trugen ihre Er&#x017F;chlagenen,<lb/>
den Almo, den Galä&#x017F;us und viele Andere wehklagend<lb/>
durch die Thore. Sie riefen die Götter laut um Hülfe<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0381] Mitleid Flehender, das ganze Haus mit Gewinſel an. Jam¬ mernd entdeckte zuerſt Silvia ihren Liebling, und rief mit lautem Geſchrei die Bauern der Umgegend zu Hülfe. Dieſe kamen mit angebrannten Pfählen und Keulen be¬ waffnet: Tyrrhus ſelbſt rief ſeinen Geſellen herbei, der juſt eine ſtämmige Eiche mit dem Beil ſpaltete; und als Alekto den rechten Zeitpunkt erſehen, ſtellte ſie ſich auf den Giebel des Hofgebäudes und ließ durch das ge¬ wundene Horn den lauten Hirtenruf in die Gegend hin¬ austönen. Von allen Seiten ſtrömte jetzt tobendes Bauernvolk herbei, aber auch dem Askanius kam die trojaniſche Mannſchaft zu Hülfe. Bald waren es auf der andern Seite auch nicht mehr blos mit Prügeln bewaffnete Haufen; es hatten ſich zwei ordentliche Schlacht¬ reihen gebildet: Schwerter wurden gezogen, Bogen ge¬ ſpannt. Der erſte Pfeilſchuß von Seiten der jagenden Tro¬ janer, die ſich gegen die anſtürmenden Feinde zur Wehr ſetzten, traf den älteſten Sohn des Tyrrhus, Almo, in die Kehle, daß ihm Stimme und Leben zugleich ſchwand. Nun begann ein allgemeines Gemetzel unter den Hirten. Der ehrlichſte und begüterſte Bauer in ganz Latium, der alte Galäſus, der fünf Rinder- und fünf Schaafheerden beſaß, und hundert Pflüge über ſeine Aecker gehen hatte, war aus den Schaaren des Bauernvolkes hervorgetreten, um den Frieden zu vermitteln; aber er wurde nicht an¬ gehört und ein Pfeilregen bedeckte ihn, unter dem er ſter¬ bend erlag. Jetzt ſtürzten die überwältigten Hirten aus dem Kampfe in die Stadt, und trugen ihre Erſchlagenen, den Almo, den Galäſus und viele Andere wehklagend durch die Thore. Sie riefen die Götter laut um Hülfe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/381
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/381>, abgerufen am 22.11.2024.