Töchterchen, das Loos deiner Schützlinge bleibt unver¬ rückt. Laviniums Mauern in Italien werden sich erhe¬ ben, in mächtigem Kriege wird Aeneas dort siegen, trotzige Völker bändigen, Gesetz und Ordnung gründen. Drei Jahre wird er in Latium herrschen, sein Sohn Askanius oder Julius wird den Sitz der Herrschaft von Lavinium nach Alba longa verlegen. Drei Jahr¬ hunderte wird dort das Geschlecht des Priamus auf dem Throne sitzen, bis eine Priesterin der Vesta aus dem Königshause dem Kriegsgott Zwillingsknaben gebiert. Von diesen wird Romulus, von einer Wölfin gesäugt, seinem Vater Mars neue Mauern bauen, und der Stifter des Römervolks werden. Die Römer aber mache ich zu Herren der Welt, und ihrer Herrschaft sey kein Ziel gesetzt. Juno selbst, welche deinen Sohn jetzo quält, wird sich mit diesen seinen Enkeln versöhnen, und sie mit mir begünstigen, und der größte Römer wird ein Nachkomme des Julus seyn und Julius heißen. Sein Ruhm wird zu den Sternen sich erheben, er selbst, dein Nachkomme, Tochter, wird in den Himmel unter die Götter aufgenommen werden. Unter den Menschen aber wird nach beendigten Kriegen der ewige Friede wohnen, eiserne Riegel werden die Pforten der Zwietracht schließen, die, mit hundert Ketten gefesselt, vergebens mit den blutigen Zähnen knirschen wird."
So sprach Jupiter und sandte sofort seinen Sohn, den Götterboten Merkur (Hermes) nach Karthago, um dort den Trojanern gastliche Herberge zu bereiten. Dieses Land war ein uralter Sitz phönizischer Pflanzer, und Juno beschirmte das Reich mit besonderer Huld. Ihre Rüstung, ihr Wagen waren dort aufbewahrt, und längst
Töchterchen, das Loos deiner Schützlinge bleibt unver¬ rückt. Laviniums Mauern in Italien werden ſich erhe¬ ben, in mächtigem Kriege wird Aeneas dort ſiegen, trotzige Völker bändigen, Geſetz und Ordnung gründen. Drei Jahre wird er in Latium herrſchen, ſein Sohn Askanius oder Julius wird den Sitz der Herrſchaft von Lavinium nach Alba longa verlegen. Drei Jahr¬ hunderte wird dort das Geſchlecht des Priamus auf dem Throne ſitzen, bis eine Prieſterin der Veſta aus dem Königshauſe dem Kriegsgott Zwillingsknaben gebiert. Von dieſen wird Romulus, von einer Wölfin geſäugt, ſeinem Vater Mars neue Mauern bauen, und der Stifter des Römervolks werden. Die Römer aber mache ich zu Herren der Welt, und ihrer Herrſchaft ſey kein Ziel geſetzt. Juno ſelbſt, welche deinen Sohn jetzo quält, wird ſich mit dieſen ſeinen Enkeln verſöhnen, und ſie mit mir begünſtigen, und der größte Römer wird ein Nachkomme des Julus ſeyn und Julius heißen. Sein Ruhm wird zu den Sternen ſich erheben, er ſelbſt, dein Nachkomme, Tochter, wird in den Himmel unter die Götter aufgenommen werden. Unter den Menſchen aber wird nach beendigten Kriegen der ewige Friede wohnen, eiſerne Riegel werden die Pforten der Zwietracht ſchließen, die, mit hundert Ketten gefeſſelt, vergebens mit den blutigen Zähnen knirſchen wird.“
So ſprach Jupiter und ſandte ſofort ſeinen Sohn, den Götterboten Merkur (Hermes) nach Karthago, um dort den Trojanern gaſtliche Herberge zu bereiten. Dieſes Land war ein uralter Sitz phöniziſcher Pflanzer, und Juno beſchirmte das Reich mit beſonderer Huld. Ihre Rüſtung, ihr Wagen waren dort aufbewahrt, und längſt
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Töchterchen, das Loos deiner Schützlinge bleibt unver¬
rückt. Laviniums Mauern in Italien werden ſich erhe¬
ben, in mächtigem Kriege wird Aeneas dort ſiegen,
trotzige Völker bändigen, Geſetz und Ordnung gründen.
Drei Jahre wird er in Latium herrſchen, ſein Sohn
Askanius oder Julius wird den Sitz der Herrſchaft
von Lavinium nach Alba longa verlegen. Drei Jahr¬
hunderte wird dort das Geſchlecht des Priamus auf
dem Throne ſitzen, bis eine Prieſterin der Veſta aus
dem Königshauſe dem Kriegsgott Zwillingsknaben gebiert.
Von dieſen wird Romulus, von einer Wölfin geſäugt,
ſeinem Vater Mars neue Mauern bauen, und der
Stifter des Römervolks werden. Die Römer aber mache
ich zu Herren der Welt, und ihrer Herrſchaft ſey kein
Ziel geſetzt. Juno ſelbſt, welche deinen Sohn jetzo quält,
wird ſich mit dieſen ſeinen Enkeln verſöhnen, und ſie
mit mir begünſtigen, und der größte Römer wird ein
Nachkomme des Julus ſeyn und Julius heißen. Sein
Ruhm wird zu den Sternen ſich erheben, er ſelbſt, dein
Nachkomme, Tochter, wird in den Himmel unter die
Götter aufgenommen werden. Unter den Menſchen aber
wird nach beendigten Kriegen der ewige Friede wohnen,
eiſerne Riegel werden die Pforten der Zwietracht ſchließen,
die, mit hundert Ketten gefeſſelt, vergebens mit den
blutigen Zähnen knirſchen wird.“
So ſprach Jupiter und ſandte ſofort ſeinen Sohn,
den Götterboten Merkur (Hermes) nach Karthago, um
dort den Trojanern gaſtliche Herberge zu bereiten. Dieſes
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Juno beſchirmte das Reich mit beſonderer Huld. Ihre
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/339>, abgerufen am 25.11.2024.
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