bemächtigen konnten, und mit dem ekelhaften Abfluß ihres Leibes besudelten sie jeden Ort, an dem sie erschienen.
Von diesen Bewohnerinnen des ihnen gänzlich un¬ bekannten Ufers hatten Aeneas und seine Fluchtgenossen keine Ahnung. Sie liefen in den Hafen ein, der vor ihnen lag, und waren ganz fröhlich, als sie sich wieder auf festem Lande befanden. Der erste Anblick des Ge¬ stades zeigte ihnen auch nichts Unheimliches: Heerden von Rindern und Ziegen gingen lustig auf der Weide, ohne alle Hüter. Der ausgestandene Hunger hieß die Gelandeten nicht lange zögern: sie fuhren mit dem Schwert unter das Vieh, brachten Jupiter und den Göttern ein Schlachtopfer dar, und setzten sich selbst zum leckeren Schmaus am Ufer in die Runde. Sie erfreuten sich aber des Mahles noch nicht lange, als sie plötzlich von den nahen Hügeln her einen lauten Flügelschlag wie von vielen Vögeln vernahmen. Als wären sie vom Sturm¬ winde herbeigeführt, erschienen plötzlich die Harpyien, fielen über die Speisen her, zerrten daran herum, und besudelten Alles mit ihrer abscheulichen Berührung. Allent¬ halben ertönte ihre gräßliche Stimme und verbreitete sich ihr scheußlicher Pesthauch. Die Tafelnden flüchteten sich mit ihrer Opfermahlzeit an eine abgelegene Stelle, unter einen hohlen Felsen, der rings von schattigen Bäu¬ men eingeschlossen war. Hier zündeten sie Feuer auf neuen Rasenaltären an, und stellten auch ihr Mahl wie¬ der auf. Aber aus den heimlichsten Winkeln, und von ganz anderer Himmelsgegend her kam wieder derselbe sausende Schwarm, machte sich mit seinen Krallenfüßen an die Beute, und befleckte das Mahl auf alle Weise. Aeneas und die Seinigen griffen endlich zu dem letzten
bemächtigen konnten, und mit dem ekelhaften Abfluß ihres Leibes beſudelten ſie jeden Ort, an dem ſie erſchienen.
Von dieſen Bewohnerinnen des ihnen gänzlich un¬ bekannten Ufers hatten Aeneas und ſeine Fluchtgenoſſen keine Ahnung. Sie liefen in den Hafen ein, der vor ihnen lag, und waren ganz fröhlich, als ſie ſich wieder auf feſtem Lande befanden. Der erſte Anblick des Ge¬ ſtades zeigte ihnen auch nichts Unheimliches: Heerden von Rindern und Ziegen gingen luſtig auf der Weide, ohne alle Hüter. Der ausgeſtandene Hunger hieß die Gelandeten nicht lange zögern: ſie fuhren mit dem Schwert unter das Vieh, brachten Jupiter und den Göttern ein Schlachtopfer dar, und ſetzten ſich ſelbſt zum leckeren Schmaus am Ufer in die Runde. Sie erfreuten ſich aber des Mahles noch nicht lange, als ſie plötzlich von den nahen Hügeln her einen lauten Flügelſchlag wie von vielen Vögeln vernahmen. Als wären ſie vom Sturm¬ winde herbeigeführt, erſchienen plötzlich die Harpyien, fielen über die Speiſen her, zerrten daran herum, und beſudelten Alles mit ihrer abſcheulichen Berührung. Allent¬ halben ertönte ihre gräßliche Stimme und verbreitete ſich ihr ſcheußlicher Peſthauch. Die Tafelnden flüchteten ſich mit ihrer Opfermahlzeit an eine abgelegene Stelle, unter einen hohlen Felſen, der rings von ſchattigen Bäu¬ men eingeſchloſſen war. Hier zündeten ſie Feuer auf neuen Raſenaltären an, und ſtellten auch ihr Mahl wie¬ der auf. Aber aus den heimlichſten Winkeln, und von ganz anderer Himmelsgegend her kam wieder derſelbe ſauſende Schwarm, machte ſich mit ſeinen Krallenfüßen an die Beute, und befleckte das Mahl auf alle Weiſe. Aeneas und die Seinigen griffen endlich zu dem letzten
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bemächtigen konnten, und mit dem ekelhaften Abfluß ihres
Leibes beſudelten ſie jeden Ort, an dem ſie erſchienen.
Von dieſen Bewohnerinnen des ihnen gänzlich un¬
bekannten Ufers hatten Aeneas und ſeine Fluchtgenoſſen
keine Ahnung. Sie liefen in den Hafen ein, der vor
ihnen lag, und waren ganz fröhlich, als ſie ſich wieder
auf feſtem Lande befanden. Der erſte Anblick des Ge¬
ſtades zeigte ihnen auch nichts Unheimliches: Heerden
von Rindern und Ziegen gingen luſtig auf der Weide,
ohne alle Hüter. Der ausgeſtandene Hunger hieß die
Gelandeten nicht lange zögern: ſie fuhren mit dem Schwert
unter das Vieh, brachten Jupiter und den Göttern ein
Schlachtopfer dar, und ſetzten ſich ſelbſt zum leckeren
Schmaus am Ufer in die Runde. Sie erfreuten ſich
aber des Mahles noch nicht lange, als ſie plötzlich von
den nahen Hügeln her einen lauten Flügelſchlag wie von
vielen Vögeln vernahmen. Als wären ſie vom Sturm¬
winde herbeigeführt, erſchienen plötzlich die Harpyien,
fielen über die Speiſen her, zerrten daran herum, und
beſudelten Alles mit ihrer abſcheulichen Berührung. Allent¬
halben ertönte ihre gräßliche Stimme und verbreitete ſich
ihr ſcheußlicher Peſthauch. Die Tafelnden flüchteten
ſich mit ihrer Opfermahlzeit an eine abgelegene Stelle,
unter einen hohlen Felſen, der rings von ſchattigen Bäu¬
men eingeſchloſſen war. Hier zündeten ſie Feuer auf
neuen Raſenaltären an, und ſtellten auch ihr Mahl wie¬
der auf. Aber aus den heimlichſten Winkeln, und von
ganz anderer Himmelsgegend her kam wieder derſelbe
ſauſende Schwarm, machte ſich mit ſeinen Krallenfüßen
an die Beute, und befleckte das Mahl auf alle Weiſe.
Aeneas und die Seinigen griffen endlich zu dem letzten
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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