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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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der Tapferkeit beginnen ihrer drei: Vater, Sohn und
Enkel!" Da nahte Pallas Athene dem Greis, und flü¬
sterte ihm ins Ohr: "Sohn des Akrisius, mir lieb vor
allen deinen Streitgenossen, richte dein Gebet an Jupi¬
ter und Jupiters Tochter: dann wage einen kühnen Lan¬
zenschwung." So sprach Athene und erfüllte die Brust
des Alten mit Muth. Er flehte zu Zeus und Athene,
und sandte die Lanze ab. Der Wurf des Laertes fehlte
nicht: er traf das Helmvisir des feindlichen Anführers
Eupithes, und dieses vermochte den kräftig geschwunge¬
nen Speer nicht zu hemmen, er durchbohrte die Wange
des Feindes, und der Vater des Antinous rasselte mit
seinen Waffen getödtet in den Staub. Odysseus aber,
und Telemach und alle ihre Genossen wütheten im Vor¬
derkampfe mit Schwert und Lanze, und sie hätten alle
Feinde vertilgt, und keiner hätte die Heimath wiederge¬
schaut, wenn nicht plötzlich Pallas Athene ihre Götter¬
stimme hätte ertönen lassen, und ihr lauter Zuruf alle
Streiter mitten im Kampfe gehemmt hätte. "Laßt ab,
ihr Ithaker, laßt ab," rief sie, "vom unseligen Kriege;
schonet Menschenblut und trennet euch!"

Entsetzen ergriff die Herangekommenen bei diesem
Donnerlaute, die Waffen fielen den Erschrockenenen aus
der Hand und rollten auf die Erde, wie vom Sturm¬
wind umgewendet drehten sich die Feinde und flohen der
Stadt zu, nur darauf bedacht, ihr Leben zu retten.
Odysseus und die Seinigen aber waren beim Rufe der
Bundesgenossin nicht erschrocken: hoch schwangen sie Lan¬
zen und Schwerter, und Odysseus flog an der Spitze
der Verfolgenden, fürchterlich schreiend vorwärts, wie
ein Adler, der einem Raube zustürzt. Vor ihnen allen

der Tapferkeit beginnen ihrer drei: Vater, Sohn und
Enkel!“ Da nahte Pallas Athene dem Greis, und flü¬
ſterte ihm ins Ohr: „Sohn des Akriſius, mir lieb vor
allen deinen Streitgenoſſen, richte dein Gebet an Jupi¬
ter und Jupiters Tochter: dann wage einen kühnen Lan¬
zenſchwung.“ So ſprach Athene und erfüllte die Bruſt
des Alten mit Muth. Er flehte zu Zeus und Athene,
und ſandte die Lanze ab. Der Wurf des Laertes fehlte
nicht: er traf das Helmviſir des feindlichen Anführers
Eupithes, und dieſes vermochte den kräftig geſchwunge¬
nen Speer nicht zu hemmen, er durchbohrte die Wange
des Feindes, und der Vater des Antinous raſſelte mit
ſeinen Waffen getödtet in den Staub. Odyſſeus aber,
und Telemach und alle ihre Genoſſen wütheten im Vor¬
derkampfe mit Schwert und Lanze, und ſie hätten alle
Feinde vertilgt, und keiner hätte die Heimath wiederge¬
ſchaut, wenn nicht plötzlich Pallas Athene ihre Götter¬
ſtimme hätte ertönen laſſen, und ihr lauter Zuruf alle
Streiter mitten im Kampfe gehemmt hätte. „Laßt ab,
ihr Ithaker, laßt ab,“ rief ſie, „vom unſeligen Kriege;
ſchonet Menſchenblut und trennet euch!“

Entſetzen ergriff die Herangekommenen bei dieſem
Donnerlaute, die Waffen fielen den Erſchrockenenen aus
der Hand und rollten auf die Erde, wie vom Sturm¬
wind umgewendet drehten ſich die Feinde und flohen der
Stadt zu, nur darauf bedacht, ihr Leben zu retten.
Odyſſeus und die Seinigen aber waren beim Rufe der
Bundesgenoſſin nicht erſchrocken: hoch ſchwangen ſie Lan¬
zen und Schwerter, und Odyſſeus flog an der Spitze
der Verfolgenden, fürchterlich ſchreiend vorwärts, wie
ein Adler, der einem Raube zuſtürzt. Vor ihnen allen

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[288/0310] der Tapferkeit beginnen ihrer drei: Vater, Sohn und Enkel!“ Da nahte Pallas Athene dem Greis, und flü¬ ſterte ihm ins Ohr: „Sohn des Akriſius, mir lieb vor allen deinen Streitgenoſſen, richte dein Gebet an Jupi¬ ter und Jupiters Tochter: dann wage einen kühnen Lan¬ zenſchwung.“ So ſprach Athene und erfüllte die Bruſt des Alten mit Muth. Er flehte zu Zeus und Athene, und ſandte die Lanze ab. Der Wurf des Laertes fehlte nicht: er traf das Helmviſir des feindlichen Anführers Eupithes, und dieſes vermochte den kräftig geſchwunge¬ nen Speer nicht zu hemmen, er durchbohrte die Wange des Feindes, und der Vater des Antinous raſſelte mit ſeinen Waffen getödtet in den Staub. Odyſſeus aber, und Telemach und alle ihre Genoſſen wütheten im Vor¬ derkampfe mit Schwert und Lanze, und ſie hätten alle Feinde vertilgt, und keiner hätte die Heimath wiederge¬ ſchaut, wenn nicht plötzlich Pallas Athene ihre Götter¬ ſtimme hätte ertönen laſſen, und ihr lauter Zuruf alle Streiter mitten im Kampfe gehemmt hätte. „Laßt ab, ihr Ithaker, laßt ab,“ rief ſie, „vom unſeligen Kriege; ſchonet Menſchenblut und trennet euch!“ Entſetzen ergriff die Herangekommenen bei dieſem Donnerlaute, die Waffen fielen den Erſchrockenenen aus der Hand und rollten auf die Erde, wie vom Sturm¬ wind umgewendet drehten ſich die Feinde und flohen der Stadt zu, nur darauf bedacht, ihr Leben zu retten. Odyſſeus und die Seinigen aber waren beim Rufe der Bundesgenoſſin nicht erſchrocken: hoch ſchwangen ſie Lan¬ zen und Schwerter, und Odyſſeus flog an der Spitze der Verfolgenden, fürchterlich ſchreiend vorwärts, wie ein Adler, der einem Raube zuſtürzt. Vor ihnen allen

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/310>, abgerufen am 22.11.2024.