war, nahm ein ergrauter Held, Halitherses, der Sohn Mastors, der allein unter Allen auf die Vergangen¬ heit zurückzublicken und hinüber zu schauen in die Zu¬ kunft verstand, in der Versammlung das Wort, und sprach: "Höret, ihr Einwohner von Ithaka, was ich euch zu Gemüthe führen will. Ihr selbst seyd schuld an Allem, was geschehen ist. Warum waret ihr so träge, warum habt ihr meinen und Mentors Rath nicht befolgt, und habt eure üppigen Söhne nicht im Zaume gehalten, als sie Tag für Tag hingingen, dem abwesenden Manne sein Gut verpraßten, und unwürdige Forderungen an seine Gemahlin richteten, als käme er nimmermehr zurück? Ihr selbst habt euch Alles dasjenige zuzuschreiben, was jetzt im Palaste vorgefallen ist. Und wenn ihr klug seyd, so werdet ihr mit nichten den Mann verfolgen, der sich nur der Feinde seines Hauses erwehrt hat. Thut ihr es, so komme das Unheil über euch, das ihr euch selbst herbeiziehet."
Halitherses trat unter das Volk zurück, und unter der Versammlung entstand Getümmel und Zwiespalt. Die eine Hälfte erhob sich zornig und stürmisch, die andere beharrte bei der Berathung. Die aufgeregte Hälfte hielt es mit den Vorschlägen des Eupithes; dieser Theil der Bürger warf sich in die Rüstungen, kam auf dem Blach¬ felde vor der Stadt zusammen, und nun stellte sich Eu¬ pithes an die Spitze der Heerschaar und machte sich mit ihr auf, den Tod seines Sohnes und der andern Freier zu rächen.
Sobald Pallas Athene vom Olymp herab den Aus¬ zug dieses Haufens gewahr wurde, trat sie vor ihren Vater Jupiter und sprach: "Herr der Götter, eröffne
war, nahm ein ergrauter Held, Halitherſes, der Sohn Maſtors, der allein unter Allen auf die Vergangen¬ heit zurückzublicken und hinüber zu ſchauen in die Zu¬ kunft verſtand, in der Verſammlung das Wort, und ſprach: „Höret, ihr Einwohner von Ithaka, was ich euch zu Gemüthe führen will. Ihr ſelbſt ſeyd ſchuld an Allem, was geſchehen iſt. Warum waret ihr ſo träge, warum habt ihr meinen und Mentors Rath nicht befolgt, und habt eure üppigen Söhne nicht im Zaume gehalten, als ſie Tag für Tag hingingen, dem abweſenden Manne ſein Gut verpraßten, und unwürdige Forderungen an ſeine Gemahlin richteten, als käme er nimmermehr zurück? Ihr ſelbſt habt euch Alles dasjenige zuzuſchreiben, was jetzt im Palaſte vorgefallen iſt. Und wenn ihr klug ſeyd, ſo werdet ihr mit nichten den Mann verfolgen, der ſich nur der Feinde ſeines Hauſes erwehrt hat. Thut ihr es, ſo komme das Unheil über euch, das ihr euch ſelbſt herbeiziehet.“
Halitherſes trat unter das Volk zurück, und unter der Verſammlung entſtand Getümmel und Zwieſpalt. Die eine Hälfte erhob ſich zornig und ſtürmiſch, die andere beharrte bei der Berathung. Die aufgeregte Hälfte hielt es mit den Vorſchlägen des Eupithes; dieſer Theil der Bürger warf ſich in die Rüſtungen, kam auf dem Blach¬ felde vor der Stadt zuſammen, und nun ſtellte ſich Eu¬ pithes an die Spitze der Heerſchaar und machte ſich mit ihr auf, den Tod ſeines Sohnes und der andern Freier zu rächen.
Sobald Pallas Athene vom Olymp herab den Aus¬ zug dieſes Haufens gewahr wurde, trat ſie vor ihren Vater Jupiter und ſprach: „Herr der Götter, eröffne
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0307"n="285"/>
war, nahm ein ergrauter Held, Halitherſes, der Sohn<lb/>
Maſtors, der allein unter Allen auf die Vergangen¬<lb/>
heit zurückzublicken und hinüber zu ſchauen in die Zu¬<lb/>
kunft verſtand, in der Verſammlung das Wort, und<lb/>ſprach: „Höret, ihr Einwohner von Ithaka, was ich<lb/>
euch zu Gemüthe führen will. Ihr ſelbſt ſeyd ſchuld an<lb/>
Allem, was geſchehen iſt. Warum waret ihr ſo träge,<lb/>
warum habt ihr meinen und Mentors Rath nicht befolgt,<lb/>
und habt eure üppigen Söhne nicht im Zaume gehalten,<lb/>
als ſie Tag für Tag hingingen, dem abweſenden Manne<lb/>ſein Gut verpraßten, und unwürdige Forderungen an<lb/>ſeine Gemahlin richteten, als käme er nimmermehr zurück?<lb/>
Ihr ſelbſt habt euch Alles dasjenige zuzuſchreiben, was<lb/>
jetzt im Palaſte vorgefallen iſt. Und wenn ihr klug ſeyd,<lb/>ſo werdet ihr mit nichten den Mann verfolgen, der ſich<lb/>
nur der Feinde ſeines Hauſes erwehrt hat. Thut ihr<lb/>
es, ſo komme das Unheil über euch, das ihr euch ſelbſt<lb/>
herbeiziehet.“</p><lb/><p>Halitherſes trat unter das Volk zurück, und unter<lb/>
der Verſammlung entſtand Getümmel und Zwieſpalt. Die<lb/>
eine Hälfte erhob ſich zornig und ſtürmiſch, die andere<lb/>
beharrte bei der Berathung. Die aufgeregte Hälfte hielt<lb/>
es mit den Vorſchlägen des Eupithes; dieſer Theil der<lb/>
Bürger warf ſich in die Rüſtungen, kam auf dem Blach¬<lb/>
felde vor der Stadt zuſammen, und nun ſtellte ſich Eu¬<lb/>
pithes an die Spitze der Heerſchaar und machte ſich mit<lb/>
ihr auf, den Tod ſeines Sohnes und der andern Freier<lb/>
zu rächen.</p><lb/><p>Sobald Pallas Athene vom Olymp herab den Aus¬<lb/>
zug dieſes Haufens gewahr wurde, trat ſie vor ihren<lb/>
Vater Jupiter und ſprach: „Herr der Götter, eröffne<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[285/0307]
war, nahm ein ergrauter Held, Halitherſes, der Sohn
Maſtors, der allein unter Allen auf die Vergangen¬
heit zurückzublicken und hinüber zu ſchauen in die Zu¬
kunft verſtand, in der Verſammlung das Wort, und
ſprach: „Höret, ihr Einwohner von Ithaka, was ich
euch zu Gemüthe führen will. Ihr ſelbſt ſeyd ſchuld an
Allem, was geſchehen iſt. Warum waret ihr ſo träge,
warum habt ihr meinen und Mentors Rath nicht befolgt,
und habt eure üppigen Söhne nicht im Zaume gehalten,
als ſie Tag für Tag hingingen, dem abweſenden Manne
ſein Gut verpraßten, und unwürdige Forderungen an
ſeine Gemahlin richteten, als käme er nimmermehr zurück?
Ihr ſelbſt habt euch Alles dasjenige zuzuſchreiben, was
jetzt im Palaſte vorgefallen iſt. Und wenn ihr klug ſeyd,
ſo werdet ihr mit nichten den Mann verfolgen, der ſich
nur der Feinde ſeines Hauſes erwehrt hat. Thut ihr
es, ſo komme das Unheil über euch, das ihr euch ſelbſt
herbeiziehet.“
Halitherſes trat unter das Volk zurück, und unter
der Verſammlung entſtand Getümmel und Zwieſpalt. Die
eine Hälfte erhob ſich zornig und ſtürmiſch, die andere
beharrte bei der Berathung. Die aufgeregte Hälfte hielt
es mit den Vorſchlägen des Eupithes; dieſer Theil der
Bürger warf ſich in die Rüſtungen, kam auf dem Blach¬
felde vor der Stadt zuſammen, und nun ſtellte ſich Eu¬
pithes an die Spitze der Heerſchaar und machte ſich mit
ihr auf, den Tod ſeines Sohnes und der andern Freier
zu rächen.
Sobald Pallas Athene vom Olymp herab den Aus¬
zug dieſes Haufens gewahr wurde, trat ſie vor ihren
Vater Jupiter und ſprach: „Herr der Götter, eröffne
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/307>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.