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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Agamemnons Ende.

Als der König Agamemnon im Sturme von dem
Vorgebirge Malea zurückgeworfen worden war, trieb ihn
der Wind mit seinem Schiffzuge nach dem südlichen
Gestade des Landes, wo einst sein Oheim Thyestes ge¬
herrscht hatte, und jetzt der Fürstensitz des Aegisthus war.
Er warf die Anker aus und wartete günstigen Fahrwind
in einer sicheren Hafenbucht ab. Ausgeschickte Kund¬
schafter brachten ihm die Nachricht, daß der König des
Landes, Aegisthus, mit seiner Gemahlin Klytämnestra,
seit diese von Aulis zurückgekehrt, in nachbarlicher Freund¬
schaft gelebt habe, ja daß derselbe, schon seit geraumer
Zeit nach Mycene berufen, in der Königin Namen das
Reich Agamemnons verwalte. Der Völkerfürst erfreute
sich dieser Nachricht und suchte nichts Arges darunter.
Er dankte den Göttern, daß der alte Rachegeist aus
seinem Hause verschwunden sey. Ihm selbst, der so viel
Griechen- und Barbarenblut vor Troja nothgedrungen
vergossen hatte, war der Durst nach Blutrache ver¬
gangen, und sein Inneres dachte nicht daran, den Mör¬
der seines Vaters, der doch selbst nur gerechte Rache
genommen hatte, zu strafen. Auch das Herz seiner Ge¬
mahlin glaubte er durch den langen Zeitraum beschwich¬
tiget. Unter fröhlichen Hoffnungen lichtete er die Anker
bei günstigem Wind und lief mit seinen Kriegern wohl¬
behalten in den Hafen seiner Heimat ein.

Sobald er hier den Göttern ein Dankopfer für
Rettung und beglückte Fahrt am Ufer dargebracht hatte,

Agamemnons Ende.

Als der König Agamemnon im Sturme von dem
Vorgebirge Malea zurückgeworfen worden war, trieb ihn
der Wind mit ſeinem Schiffzuge nach dem ſüdlichen
Geſtade des Landes, wo einſt ſein Oheim Thyeſtes ge¬
herrſcht hatte, und jetzt der Fürſtenſitz des Aegiſthus war.
Er warf die Anker aus und wartete günſtigen Fahrwind
in einer ſicheren Hafenbucht ab. Ausgeſchickte Kund¬
ſchafter brachten ihm die Nachricht, daß der König des
Landes, Aegiſthus, mit ſeiner Gemahlin Klytämneſtra,
ſeit dieſe von Aulis zurückgekehrt, in nachbarlicher Freund¬
ſchaft gelebt habe, ja daß derſelbe, ſchon ſeit geraumer
Zeit nach Mycene berufen, in der Königin Namen das
Reich Agamemnons verwalte. Der Völkerfürſt erfreute
ſich dieſer Nachricht und ſuchte nichts Arges darunter.
Er dankte den Göttern, daß der alte Rachegeiſt aus
ſeinem Hauſe verſchwunden ſey. Ihm ſelbſt, der ſo viel
Griechen- und Barbarenblut vor Troja nothgedrungen
vergoſſen hatte, war der Durſt nach Blutrache ver¬
gangen, und ſein Inneres dachte nicht daran, den Mör¬
der ſeines Vaters, der doch ſelbſt nur gerechte Rache
genommen hatte, zu ſtrafen. Auch das Herz ſeiner Ge¬
mahlin glaubte er durch den langen Zeitraum beſchwich¬
tiget. Unter fröhlichen Hoffnungen lichtete er die Anker
bei günſtigem Wind und lief mit ſeinen Kriegern wohl¬
behalten in den Hafen ſeiner Heimat ein.

Sobald er hier den Göttern ein Dankopfer für
Rettung und beglückte Fahrt am Ufer dargebracht hatte,

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[8/0030] Agamemnons Ende. Als der König Agamemnon im Sturme von dem Vorgebirge Malea zurückgeworfen worden war, trieb ihn der Wind mit ſeinem Schiffzuge nach dem ſüdlichen Geſtade des Landes, wo einſt ſein Oheim Thyeſtes ge¬ herrſcht hatte, und jetzt der Fürſtenſitz des Aegiſthus war. Er warf die Anker aus und wartete günſtigen Fahrwind in einer ſicheren Hafenbucht ab. Ausgeſchickte Kund¬ ſchafter brachten ihm die Nachricht, daß der König des Landes, Aegiſthus, mit ſeiner Gemahlin Klytämneſtra, ſeit dieſe von Aulis zurückgekehrt, in nachbarlicher Freund¬ ſchaft gelebt habe, ja daß derſelbe, ſchon ſeit geraumer Zeit nach Mycene berufen, in der Königin Namen das Reich Agamemnons verwalte. Der Völkerfürſt erfreute ſich dieſer Nachricht und ſuchte nichts Arges darunter. Er dankte den Göttern, daß der alte Rachegeiſt aus ſeinem Hauſe verſchwunden ſey. Ihm ſelbſt, der ſo viel Griechen- und Barbarenblut vor Troja nothgedrungen vergoſſen hatte, war der Durſt nach Blutrache ver¬ gangen, und ſein Inneres dachte nicht daran, den Mör¬ der ſeines Vaters, der doch ſelbſt nur gerechte Rache genommen hatte, zu ſtrafen. Auch das Herz ſeiner Ge¬ mahlin glaubte er durch den langen Zeitraum beſchwich¬ tiget. Unter fröhlichen Hoffnungen lichtete er die Anker bei günſtigem Wind und lief mit ſeinen Kriegern wohl¬ behalten in den Hafen ſeiner Heimat ein. Sobald er hier den Göttern ein Dankopfer für Rettung und beglückte Fahrt am Ufer dargebracht hatte,

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/30>, abgerufen am 21.11.2024.