den Hirten: "Betretet ihr einstweilen das Haus und schlachtet ein auserlesenes Mastschwein für unser Mit¬ tagsmahl. Ich selbst will aufs Feld hinaus gehen, wo der gute Vater ohne Zweifel bei der Arbeit ist, und ihn auf die Probe stellen, ob er mich wohl noch erkennt. Es wird nicht lange währen, so kehre ich mit ihm zu¬ rück, und wir feiern dann zusammen das fröhliche Mahl." Odysseus reichte seinen Genossen Schwert und Speer, und diese wandten sich der Wohnung zu.
Er nun schlug den Weg nach den Pflanzungen seines Vaters ein, und kam zuerst durch den Wurzgar¬ ten. Vergebens sah er sich hier nach dem Oberknechte Dolius, seinen Söhnen und den übrigen Knechten um. Sie waren Alle ins Feld hinausgegangen, um Dorn¬ sträucher zu suchen, und damit die Einfriedigung um die Baumpflanzung herzustellen. Als der König in dieser letzteren angekommen war, fand er endlich den alten Vater selbst, zwischen den schönen Reihengängen seiner Bäume stehend, wie er eben beschäftigt war, ein kleines Bäumchen umzugraben. Der Greis sah einem alten Knechte nicht unähnlich: er hatte einen groben, schmutzi¬ gen, an vielen Stellen geflickten Leibrock an; um die Beine trug er ein paar alte Felle von Ochsenleder, um sich damit gegen die Dornen zu schützen; an den Hän¬ den Handschuhe; auf dem Kopf eine Mütze von Gais¬ fell. Als Odysseus seinen Vater in diesem elenden Aufzuge erblickte, gebeugt vom Alter, die Spuren des tiefsten Kummers auf dem Gesichte, mußte sich der Held vor Schmerz an den Stamm eines Birnbaums lehnen, und weinte bitterlich. Am liebsten hätte er den Vater unter Küssen umarmt, und ihm auf einmal gesagt, daß
den Hirten: „Betretet ihr einſtweilen das Haus und ſchlachtet ein auserleſenes Maſtſchwein für unſer Mit¬ tagsmahl. Ich ſelbſt will aufs Feld hinaus gehen, wo der gute Vater ohne Zweifel bei der Arbeit iſt, und ihn auf die Probe ſtellen, ob er mich wohl noch erkennt. Es wird nicht lange währen, ſo kehre ich mit ihm zu¬ rück, und wir feiern dann zuſammen das fröhliche Mahl.“ Odyſſeus reichte ſeinen Genoſſen Schwert und Speer, und dieſe wandten ſich der Wohnung zu.
Er nun ſchlug den Weg nach den Pflanzungen ſeines Vaters ein, und kam zuerſt durch den Wurzgar¬ ten. Vergebens ſah er ſich hier nach dem Oberknechte Dolius, ſeinen Söhnen und den übrigen Knechten um. Sie waren Alle ins Feld hinausgegangen, um Dorn¬ ſträucher zu ſuchen, und damit die Einfriedigung um die Baumpflanzung herzuſtellen. Als der König in dieſer letzteren angekommen war, fand er endlich den alten Vater ſelbſt, zwiſchen den ſchönen Reihengängen ſeiner Bäume ſtehend, wie er eben beſchäftigt war, ein kleines Bäumchen umzugraben. Der Greis ſah einem alten Knechte nicht unähnlich: er hatte einen groben, ſchmutzi¬ gen, an vielen Stellen geflickten Leibrock an; um die Beine trug er ein paar alte Felle von Ochſenleder, um ſich damit gegen die Dornen zu ſchützen; an den Hän¬ den Handſchuhe; auf dem Kopf eine Mütze von Gais¬ fell. Als Odyſſeus ſeinen Vater in dieſem elenden Aufzuge erblickte, gebeugt vom Alter, die Spuren des tiefſten Kummers auf dem Geſichte, mußte ſich der Held vor Schmerz an den Stamm eines Birnbaums lehnen, und weinte bitterlich. Am liebſten hätte er den Vater unter Küſſen umarmt, und ihm auf einmal geſagt, daß
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den Hirten: „Betretet ihr einſtweilen das Haus und
ſchlachtet ein auserleſenes Maſtſchwein für unſer Mit¬
tagsmahl. Ich ſelbſt will aufs Feld hinaus gehen, wo
der gute Vater ohne Zweifel bei der Arbeit iſt, und ihn
auf die Probe ſtellen, ob er mich wohl noch erkennt.
Es wird nicht lange währen, ſo kehre ich mit ihm zu¬
rück, und wir feiern dann zuſammen das fröhliche Mahl.“
Odyſſeus reichte ſeinen Genoſſen Schwert und Speer,
und dieſe wandten ſich der Wohnung zu.
Er nun ſchlug den Weg nach den Pflanzungen
ſeines Vaters ein, und kam zuerſt durch den Wurzgar¬
ten. Vergebens ſah er ſich hier nach dem Oberknechte
Dolius, ſeinen Söhnen und den übrigen Knechten um.
Sie waren Alle ins Feld hinausgegangen, um Dorn¬
ſträucher zu ſuchen, und damit die Einfriedigung um
die Baumpflanzung herzuſtellen. Als der König in dieſer
letzteren angekommen war, fand er endlich den alten
Vater ſelbſt, zwiſchen den ſchönen Reihengängen ſeiner
Bäume ſtehend, wie er eben beſchäftigt war, ein kleines
Bäumchen umzugraben. Der Greis ſah einem alten
Knechte nicht unähnlich: er hatte einen groben, ſchmutzi¬
gen, an vielen Stellen geflickten Leibrock an; um die
Beine trug er ein paar alte Felle von Ochſenleder, um
ſich damit gegen die Dornen zu ſchützen; an den Hän¬
den Handſchuhe; auf dem Kopf eine Mütze von Gais¬
fell. Als Odyſſeus ſeinen Vater in dieſem elenden
Aufzuge erblickte, gebeugt vom Alter, die Spuren des
tiefſten Kummers auf dem Geſichte, mußte ſich der Held
vor Schmerz an den Stamm eines Birnbaums lehnen,
und weinte bitterlich. Am liebſten hätte er den Vater
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/299>, abgerufen am 25.11.2024.
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