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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Schutz stehe; aber Athene stachelte die Freier heimlich
zum Spott. Es war unter ihnen ein schlechtgesinnter
Mann, mit Namen Ktesippus, aus der Insel Same: "Ihr
Freier, höret," sprach dieser mit höhnischem Lächeln,
"zwar hat der Fremdling längst seinen Antheil, so gut
wie wir selber, und es wäre auch nicht recht, wenn
Telemach einen so vornehmen Gast überginge! Doch
will ich ihm noch ein besonderes Gastgeschenk verehren,
er mag die Schaffnerin damit bezahlen, die ihm den
Schmutz vom Leibe gewaschen hat!" So höhnend zog
er einen Kuhfuß aus dem Korbe, und schleuderte ihn
mit seiner nervigten Hand nach dem Bettler. Aber
Odysseus beugte mit dem Haupte aus und drängte den
Zorn mit einem gräßlichen Lächeln in die Brust zurück;
der Knochen fuhr an die Mauer.

Jetzt stand Telemach auf und rief: "Schätze dich
glücklich, Ktesippus, daß du den Fremdling nicht getrof¬
fen hast: wäre es geschehen, ich hätte dir die Lanze
durch den Leib gestoßen, und dein Vater hätte dir eine
Leichenfeier statt der Hochzeit rüsten können! Drum er¬
laube sich keiner mehr eine Ungebühr in meiner Woh¬
nung, lieber bringet mich selbst um, als daß ihr die
Fremdlinge beleidiget, es wäre mir auch besser, zu ster¬
ben, als immer so schändliche Thaten mit anzusehen!"
Alle verstummten, als sie so ernstliche Worte hörten;
endlich stand Agelaus, der Sohn des Damastrus, unter
ihnen auf und sprach: "Telemach hat recht! Aber er und
seine Mutter sollen jetzt ein Wort in Güte mit sich reden
lassen. So lange noch irgend eine Hoffnung vorhanden
war, daß Odysseus jemals in seine Heimath zurückkeh¬
ren könne, so war es begreiflich, wenn man die Freier

Schutz ſtehe; aber Athene ſtachelte die Freier heimlich
zum Spott. Es war unter ihnen ein ſchlechtgeſinnter
Mann, mit Namen Kteſippus, aus der Inſel Same: „Ihr
Freier, höret,“ ſprach dieſer mit höhniſchem Lächeln,
„zwar hat der Fremdling längſt ſeinen Antheil, ſo gut
wie wir ſelber, und es wäre auch nicht recht, wenn
Telemach einen ſo vornehmen Gaſt überginge! Doch
will ich ihm noch ein beſonderes Gaſtgeſchenk verehren,
er mag die Schaffnerin damit bezahlen, die ihm den
Schmutz vom Leibe gewaſchen hat!“ So höhnend zog
er einen Kuhfuß aus dem Korbe, und ſchleuderte ihn
mit ſeiner nervigten Hand nach dem Bettler. Aber
Odyſſeus beugte mit dem Haupte aus und drängte den
Zorn mit einem gräßlichen Lächeln in die Bruſt zurück;
der Knochen fuhr an die Mauer.

Jetzt ſtand Telemach auf und rief: „Schätze dich
glücklich, Kteſippus, daß du den Fremdling nicht getrof¬
fen haſt: wäre es geſchehen, ich hätte dir die Lanze
durch den Leib geſtoßen, und dein Vater hätte dir eine
Leichenfeier ſtatt der Hochzeit rüſten können! Drum er¬
laube ſich keiner mehr eine Ungebühr in meiner Woh¬
nung, lieber bringet mich ſelbſt um, als daß ihr die
Fremdlinge beleidiget, es wäre mir auch beſſer, zu ſter¬
ben, als immer ſo ſchändliche Thaten mit anzuſehen!”
Alle verſtummten, als ſie ſo ernſtliche Worte hörten;
endlich ſtand Agelaus, der Sohn des Damaſtrus, unter
ihnen auf und ſprach: „Telemach hat recht! Aber er und
ſeine Mutter ſollen jetzt ein Wort in Güte mit ſich reden
laſſen. So lange noch irgend eine Hoffnung vorhanden
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[248/0270] Schutz ſtehe; aber Athene ſtachelte die Freier heimlich zum Spott. Es war unter ihnen ein ſchlechtgeſinnter Mann, mit Namen Kteſippus, aus der Inſel Same: „Ihr Freier, höret,“ ſprach dieſer mit höhniſchem Lächeln, „zwar hat der Fremdling längſt ſeinen Antheil, ſo gut wie wir ſelber, und es wäre auch nicht recht, wenn Telemach einen ſo vornehmen Gaſt überginge! Doch will ich ihm noch ein beſonderes Gaſtgeſchenk verehren, er mag die Schaffnerin damit bezahlen, die ihm den Schmutz vom Leibe gewaſchen hat!“ So höhnend zog er einen Kuhfuß aus dem Korbe, und ſchleuderte ihn mit ſeiner nervigten Hand nach dem Bettler. Aber Odyſſeus beugte mit dem Haupte aus und drängte den Zorn mit einem gräßlichen Lächeln in die Bruſt zurück; der Knochen fuhr an die Mauer. Jetzt ſtand Telemach auf und rief: „Schätze dich glücklich, Kteſippus, daß du den Fremdling nicht getrof¬ fen haſt: wäre es geſchehen, ich hätte dir die Lanze durch den Leib geſtoßen, und dein Vater hätte dir eine Leichenfeier ſtatt der Hochzeit rüſten können! Drum er¬ laube ſich keiner mehr eine Ungebühr in meiner Woh¬ nung, lieber bringet mich ſelbſt um, als daß ihr die Fremdlinge beleidiget, es wäre mir auch beſſer, zu ſter¬ ben, als immer ſo ſchändliche Thaten mit anzuſehen!” Alle verſtummten, als ſie ſo ernſtliche Worte hörten; endlich ſtand Agelaus, der Sohn des Damaſtrus, unter ihnen auf und ſprach: „Telemach hat recht! Aber er und ſeine Mutter ſollen jetzt ein Wort in Güte mit ſich reden laſſen. So lange noch irgend eine Hoffnung vorhanden war, daß Odyſſeus jemals in ſeine Heimath zurückkeh¬ ren könne, ſo war es begreiflich, wenn man die Freier

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/270>, abgerufen am 22.11.2024.