Laub vorwärfe, so könnte er, mit Ziegenkäse gefüttert, noch Fleisch um seine dürren Lenden sich wachsen sehen! Aber freilich, er hat nichts gelernt, er kann nichts, als sich den gefräßigen Bauch füllen." So rief Jener und gab ihm in der Bosheit einen Fersentritt in die Hüfte; aber Odysseus wich nicht aus dem Fußsteig. Im Her¬ zen besann er sich freilich, ob er ihm nicht mit seinem Stab einen Streich über das Haupt versetzen sollte, daß er nicht mehr aufstände; aber er bezwang sein Herz und duldete die Schmach. Eumäus hingegen schalt den Unverschämten ins Gesicht und sprach, nach dem Brun¬ nen gewendet: "Ihr heiligen Quellnymphen, Jupiters Töchter! hat euch jemals Odysseus köstliche Opfer dar¬ gebracht, so gewähret mir meine Bitte, daß endlich ein¬ mal der Held Odysseus heimkehre! Er würde diesem trotzigen Müßiggänger den Uebermuth bald vertreiben; ist ein solcher doch der unbrauchbarste Hirte von der Welt, und versteht nichts, als den ganzen Tag in der Stadt herumzulungern!" "Du Hund," erwiederte Me¬ lanthius schimpfend, "du wärest werth, daß man dich auf den Inseln drüben als Sklave verkaufte und ein gutes Stück Geld aus dir löste. Möchte doch der Bo¬ gen Apollo's oder der Dolch der Freier deinen Telemach treffen, auf welchen du pochest, daß er zu Grunde ginge wie sein Vater!" Mit solchen Scheltworten ging er an ihnen vorüber und setzte sich im Palaste mitten unter die Freier, gerade dem Eurymachus gegenüber, an die Tafel; denn diese hatten ihn gern und theilten ihm stets von ihrem Schmause mit.
Jetzt waren auch Odysseus und der Sauhirt vor dem Königspalast angekommen. Als jener sein Haus
Laub vorwärfe, ſo könnte er, mit Ziegenkäſe gefüttert, noch Fleiſch um ſeine dürren Lenden ſich wachſen ſehen! Aber freilich, er hat nichts gelernt, er kann nichts, als ſich den gefräßigen Bauch füllen.“ So rief Jener und gab ihm in der Bosheit einen Ferſentritt in die Hüfte; aber Odyſſeus wich nicht aus dem Fußſteig. Im Her¬ zen beſann er ſich freilich, ob er ihm nicht mit ſeinem Stab einen Streich über das Haupt verſetzen ſollte, daß er nicht mehr aufſtände; aber er bezwang ſein Herz und duldete die Schmach. Eumäus hingegen ſchalt den Unverſchämten ins Geſicht und ſprach, nach dem Brun¬ nen gewendet: „Ihr heiligen Quellnymphen, Jupiters Töchter! hat euch jemals Odyſſeus köſtliche Opfer dar¬ gebracht, ſo gewähret mir meine Bitte, daß endlich ein¬ mal der Held Odyſſeus heimkehre! Er würde dieſem trotzigen Müßiggänger den Uebermuth bald vertreiben; iſt ein ſolcher doch der unbrauchbarſte Hirte von der Welt, und verſteht nichts, als den ganzen Tag in der Stadt herumzulungern!“ „Du Hund,“ erwiederte Me¬ lanthius ſchimpfend, „du wäreſt werth, daß man dich auf den Inſeln drüben als Sklave verkaufte und ein gutes Stück Geld aus dir löste. Möchte doch der Bo¬ gen Apollo's oder der Dolch der Freier deinen Telemach treffen, auf welchen du pocheſt, daß er zu Grunde ginge wie ſein Vater!“ Mit ſolchen Scheltworten ging er an ihnen vorüber und ſetzte ſich im Palaſte mitten unter die Freier, gerade dem Eurymachus gegenüber, an die Tafel; denn dieſe hatten ihn gern und theilten ihm ſtets von ihrem Schmauſe mit.
Jetzt waren auch Odyſſeus und der Sauhirt vor dem Königspalaſt angekommen. Als jener ſein Haus
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Laub vorwärfe, ſo könnte er, mit Ziegenkäſe gefüttert,
noch Fleiſch um ſeine dürren Lenden ſich wachſen ſehen!
Aber freilich, er hat nichts gelernt, er kann nichts, als
ſich den gefräßigen Bauch füllen.“ So rief Jener und
gab ihm in der Bosheit einen Ferſentritt in die Hüfte;
aber Odyſſeus wich nicht aus dem Fußſteig. Im Her¬
zen beſann er ſich freilich, ob er ihm nicht mit ſeinem
Stab einen Streich über das Haupt verſetzen ſollte, daß
er nicht mehr aufſtände; aber er bezwang ſein Herz
und duldete die Schmach. Eumäus hingegen ſchalt den
Unverſchämten ins Geſicht und ſprach, nach dem Brun¬
nen gewendet: „Ihr heiligen Quellnymphen, Jupiters
Töchter! hat euch jemals Odyſſeus köſtliche Opfer dar¬
gebracht, ſo gewähret mir meine Bitte, daß endlich ein¬
mal der Held Odyſſeus heimkehre! Er würde dieſem
trotzigen Müßiggänger den Uebermuth bald vertreiben;
iſt ein ſolcher doch der unbrauchbarſte Hirte von der
Welt, und verſteht nichts, als den ganzen Tag in der
Stadt herumzulungern!“ „Du Hund,“ erwiederte Me¬
lanthius ſchimpfend, „du wäreſt werth, daß man dich
auf den Inſeln drüben als Sklave verkaufte und ein
gutes Stück Geld aus dir löste. Möchte doch der Bo¬
gen Apollo's oder der Dolch der Freier deinen Telemach
treffen, auf welchen du pocheſt, daß er zu Grunde ginge
wie ſein Vater!“ Mit ſolchen Scheltworten ging er an
ihnen vorüber und ſetzte ſich im Palaſte mitten unter
die Freier, gerade dem Eurymachus gegenüber, an die
Tafel; denn dieſe hatten ihn gern und theilten ihm ſtets
von ihrem Schmauſe mit.
Jetzt waren auch Odyſſeus und der Sauhirt vor
dem Königspalaſt angekommen. Als jener ſein Haus
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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