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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Noch kein anderer Sterblicher hat der Stärke meines
Zaubers widerstanden. Bist du vielleicht der erfindungs¬
reiche Odysseus selbst, dessen Ankunft, wenn er von Troja
zurückkehrte, mir Hermes schon lange geweissagt hat?
Wenn du es bist, so stecke dein Schwert in die Scheide,
und laß uns Freunde werden!" Ich aber veränderte
meine drohende Stellung nicht, und antwortete: "Wie
kannst du verlangen, Circe, daß ich mich freundlich ge¬
gen dich erweisen soll, da du meine Begleiter in deinem
Hause zu Schweinen umgewandelt hast? Muß ich nicht
vermuthen, daß du nur darum dich so zuvorkommend
gegen mich beträgst, um auch meinem Leibe irgend ein
Leid anzuthun? Ich kann nur alsdann dein Freund
werden, wenn du mir einen heiligen Eid schwörst, mir
auf keinerlei Weise schaden zu wollen!" Die Göttin be¬
schwur auf der Stelle, was ich verlangte, und nun war
auch ich zufrieden und überließ mich sorglos der Nacht¬
ruhe.

Früh Morgens waren vier Dienerinnen, lauter
schöne und edelgeborene Nymphen, damit beschäftigt, die
Säle ihrer Herrin in Ordnung zu bringen. Die eine
bedeckte die Thronsessel mit herrlichen purpurnen Polstern,
eine zweite stellte silberne Tische vor die Sessel und
setzte goldene Körbe darauf, die dritte mischte in einem
silbernen Kruge den Wein und vertheilte goldene Becher
auf den Tischen umher; von der vierten endlich wurde
frisches Quellwasser herbeigetragen, der Kessel auf den
Dreifuß gesetzt und die Glut darunter geschürt, bis das
Wasser kochte. Dieses mußte mir zu einem erquickenden
Bade dienen, und als ich darauf gesalbt und angekleidet
war, sollte ich in Circe's Gesellschaft das Morgenmahl

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Noch kein anderer Sterblicher hat der Stärke meines
Zaubers widerſtanden. Biſt du vielleicht der erfindungs¬
reiche Odyſſeus ſelbſt, deſſen Ankunft, wenn er von Troja
zurückkehrte, mir Hermes ſchon lange geweiſſagt hat?
Wenn du es biſt, ſo ſtecke dein Schwert in die Scheide,
und laß uns Freunde werden!“ Ich aber veränderte
meine drohende Stellung nicht, und antwortete: „Wie
kannſt du verlangen, Circe, daß ich mich freundlich ge¬
gen dich erweiſen ſoll, da du meine Begleiter in deinem
Hauſe zu Schweinen umgewandelt haſt? Muß ich nicht
vermuthen, daß du nur darum dich ſo zuvorkommend
gegen mich beträgſt, um auch meinem Leibe irgend ein
Leid anzuthun? Ich kann nur alsdann dein Freund
werden, wenn du mir einen heiligen Eid ſchwörſt, mir
auf keinerlei Weiſe ſchaden zu wollen!“ Die Göttin be¬
ſchwur auf der Stelle, was ich verlangte, und nun war
auch ich zufrieden und überließ mich ſorglos der Nacht¬
ruhe.

Früh Morgens waren vier Dienerinnen, lauter
ſchöne und edelgeborene Nymphen, damit beſchäftigt, die
Säle ihrer Herrin in Ordnung zu bringen. Die eine
bedeckte die Thronſeſſel mit herrlichen purpurnen Polſtern,
eine zweite ſtellte ſilberne Tiſche vor die Seſſel und
ſetzte goldene Körbe darauf, die dritte miſchte in einem
ſilbernen Kruge den Wein und vertheilte goldene Becher
auf den Tiſchen umher; von der vierten endlich wurde
friſches Quellwaſſer herbeigetragen, der Keſſel auf den
Dreifuß geſetzt und die Glut darunter geſchürt, bis das
Waſſer kochte. Dieſes mußte mir zu einem erquickenden
Bade dienen, und als ich darauf geſalbt und angekleidet
war, ſollte ich in Circe's Geſellſchaft das Morgenmahl

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[147/0169] Noch kein anderer Sterblicher hat der Stärke meines Zaubers widerſtanden. Biſt du vielleicht der erfindungs¬ reiche Odyſſeus ſelbſt, deſſen Ankunft, wenn er von Troja zurückkehrte, mir Hermes ſchon lange geweiſſagt hat? Wenn du es biſt, ſo ſtecke dein Schwert in die Scheide, und laß uns Freunde werden!“ Ich aber veränderte meine drohende Stellung nicht, und antwortete: „Wie kannſt du verlangen, Circe, daß ich mich freundlich ge¬ gen dich erweiſen ſoll, da du meine Begleiter in deinem Hauſe zu Schweinen umgewandelt haſt? Muß ich nicht vermuthen, daß du nur darum dich ſo zuvorkommend gegen mich beträgſt, um auch meinem Leibe irgend ein Leid anzuthun? Ich kann nur alsdann dein Freund werden, wenn du mir einen heiligen Eid ſchwörſt, mir auf keinerlei Weiſe ſchaden zu wollen!“ Die Göttin be¬ ſchwur auf der Stelle, was ich verlangte, und nun war auch ich zufrieden und überließ mich ſorglos der Nacht¬ ruhe. Früh Morgens waren vier Dienerinnen, lauter ſchöne und edelgeborene Nymphen, damit beſchäftigt, die Säle ihrer Herrin in Ordnung zu bringen. Die eine bedeckte die Thronſeſſel mit herrlichen purpurnen Polſtern, eine zweite ſtellte ſilberne Tiſche vor die Seſſel und ſetzte goldene Körbe darauf, die dritte miſchte in einem ſilbernen Kruge den Wein und vertheilte goldene Becher auf den Tiſchen umher; von der vierten endlich wurde friſches Quellwaſſer herbeigetragen, der Keſſel auf den Dreifuß geſetzt und die Glut darunter geſchürt, bis das Waſſer kochte. Dieſes mußte mir zu einem erquickenden Bade dienen, und als ich darauf geſalbt und angekleidet war, ſollte ich in Circe's Geſellſchaft das Morgenmahl 10 *

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/169>, abgerufen am 22.11.2024.