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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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aber überlieferte er das Gold und alle Kostbarkeiten seines
Verbündeten und endlich den Knaben Polydorus selbst.

Ajax kehrte mit seiner Beute nicht sogleich zum grie¬
chischen Schiffslager zurück, sondern wandte sich auf seinen
Schiffen nach der phrygischen Küste. Dort griff er das
Reich des Königes Teuthras an, tödtete den König, der
ihm an der Spitze eines Heerhaufens entgegenzog, in der
Schlacht, und schleppte die Tochter des Teuthras, die
königliche Jungfrau Tekmessa, die edelgesinnt und von
herrlicher Gestalt war, als Kriegsbeute mit sich fort.
Doch ward sie ihm bald wegen ihrer Schönheit und ihres
Edelsinnes lieb; er hielt sie hoch wie eine Gemahlin
und hätte sich feierlich mit ihr vermählt, wenn es Grie¬
chengebrauch gewesen wäre, eine Barbarin zu freien.

Achilles und der Telamonier trafen von ihren glück¬
lichen Streifzügen, ihre Lastschiffe voll Beute, zu gleicher
Zeit im griechischen Schiffslager vor Troja wieder ein.
Alle Danaer gingen ihnen unter Lobgesängen entgegen;
bald umringte sie eine ganze Versammlung von Streitern;
man stellte die Helden in die Mitte, und unter jubelndem
Zuruf wurde ihnen als Lohn der Siege ein Olivenkranz
aufs Haupt gesetzt. Alsdann hielten die Helden einen
Rath, um über die mitgebrachte Beute, die von den
Griechen als Gemeingut angesehen wurde, einen Beschluß
zu fassen. Da wurden denn auch die gefangenen Frauen
vorgeführt, und alle Danaer staunten über ihre Schönheit.
Der Besitz der holden Briseistochter wurde dem Achilles,
dem Helden Ajax der Besitz der königlichen Tekmessa bestätigt.
Ueberdieß durfte der Pelide auch die Gespielin seiner
Geliebten, die holde Jungfrau Diomedea, behalten, welche
sich von der Königstochter nicht trennen wollte, mit der

aber überlieferte er das Gold und alle Koſtbarkeiten ſeines
Verbündeten und endlich den Knaben Polydorus ſelbſt.

Ajax kehrte mit ſeiner Beute nicht ſogleich zum grie¬
chiſchen Schiffslager zurück, ſondern wandte ſich auf ſeinen
Schiffen nach der phrygiſchen Küſte. Dort griff er das
Reich des Königes Teuthras an, tödtete den König, der
ihm an der Spitze eines Heerhaufens entgegenzog, in der
Schlacht, und ſchleppte die Tochter des Teuthras, die
königliche Jungfrau Tekmeſſa, die edelgeſinnt und von
herrlicher Geſtalt war, als Kriegsbeute mit ſich fort.
Doch ward ſie ihm bald wegen ihrer Schönheit und ihres
Edelſinnes lieb; er hielt ſie hoch wie eine Gemahlin
und hätte ſich feierlich mit ihr vermählt, wenn es Grie¬
chengebrauch geweſen wäre, eine Barbarin zu freien.

Achilles und der Telamonier trafen von ihren glück¬
lichen Streifzügen, ihre Laſtſchiffe voll Beute, zu gleicher
Zeit im griechiſchen Schiffslager vor Troja wieder ein.
Alle Danaer gingen ihnen unter Lobgeſängen entgegen;
bald umringte ſie eine ganze Verſammlung von Streitern;
man ſtellte die Helden in die Mitte, und unter jubelndem
Zuruf wurde ihnen als Lohn der Siege ein Olivenkranz
aufs Haupt geſetzt. Alsdann hielten die Helden einen
Rath, um über die mitgebrachte Beute, die von den
Griechen als Gemeingut angeſehen wurde, einen Beſchluß
zu faſſen. Da wurden denn auch die gefangenen Frauen
vorgeführt, und alle Danaer ſtaunten über ihre Schönheit.
Der Beſitz der holden Briſeistochter wurde dem Achilles,
dem Helden Ajax der Beſitz der königlichen Tekmeſſa beſtätigt.
Ueberdieß durfte der Pelide auch die Geſpielin ſeiner
Geliebten, die holde Jungfrau Diomedea, behalten, welche
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[76/0098] aber überlieferte er das Gold und alle Koſtbarkeiten ſeines Verbündeten und endlich den Knaben Polydorus ſelbſt. Ajax kehrte mit ſeiner Beute nicht ſogleich zum grie¬ chiſchen Schiffslager zurück, ſondern wandte ſich auf ſeinen Schiffen nach der phrygiſchen Küſte. Dort griff er das Reich des Königes Teuthras an, tödtete den König, der ihm an der Spitze eines Heerhaufens entgegenzog, in der Schlacht, und ſchleppte die Tochter des Teuthras, die königliche Jungfrau Tekmeſſa, die edelgeſinnt und von herrlicher Geſtalt war, als Kriegsbeute mit ſich fort. Doch ward ſie ihm bald wegen ihrer Schönheit und ihres Edelſinnes lieb; er hielt ſie hoch wie eine Gemahlin und hätte ſich feierlich mit ihr vermählt, wenn es Grie¬ chengebrauch geweſen wäre, eine Barbarin zu freien. Achilles und der Telamonier trafen von ihren glück¬ lichen Streifzügen, ihre Laſtſchiffe voll Beute, zu gleicher Zeit im griechiſchen Schiffslager vor Troja wieder ein. Alle Danaer gingen ihnen unter Lobgeſängen entgegen; bald umringte ſie eine ganze Verſammlung von Streitern; man ſtellte die Helden in die Mitte, und unter jubelndem Zuruf wurde ihnen als Lohn der Siege ein Olivenkranz aufs Haupt geſetzt. Alsdann hielten die Helden einen Rath, um über die mitgebrachte Beute, die von den Griechen als Gemeingut angeſehen wurde, einen Beſchluß zu faſſen. Da wurden denn auch die gefangenen Frauen vorgeführt, und alle Danaer ſtaunten über ihre Schönheit. Der Beſitz der holden Briſeistochter wurde dem Achilles, dem Helden Ajax der Beſitz der königlichen Tekmeſſa beſtätigt. Ueberdieß durfte der Pelide auch die Geſpielin ſeiner Geliebten, die holde Jungfrau Diomedea, behalten, welche ſich von der Königstochter nicht trennen wollte, mit der

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/98>, abgerufen am 22.11.2024.