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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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und von anderer Hand getroffenen feindlichen Helden.
Knirschend vor Wuth sprang jetzt Achilles vom Wagen,
eilte auf den Gegner zu und hieb mit gezücktem Schwerte
auf ihn ein; aber selbst der Stahl prallte stumpf an dem
zu Eisen gehärteten Körper ab. Da erhub Achilles in der
Verzweiflung den zehnhäutigen Schild und zerpochte dem
unverwüstlichen Feinde, ganz auf ihn eingedrungen, drei,
viermal die Schläfe mit der Schildbuckel. Jetzt erst fing
Cygnus an zu weichen, und Nebel schwamm ihm vor den
Augen; er wandte seine Schritte rückwärts, strauchelte
über einen Stein und darüber ergriff ihn Achilles mit der
Hand im Nacken, und warf ihn vollends zu Boden. Dann
stemmte er sich mit Schild und Knieen auf die Brust des
Liegenden und schnürte dem Feinde mit seinem eigenen
Helmbande die Kehle zu.

Der Fall ihres göttlichen Führers nahm den Koloni¬
ten plötzlich den Muth; sie verließen den Kampfplatz in
wilder Flucht und bald war von dem ganzen Ueberfalle
nichts mehr zu sehen, als die vielen Leichen von Griechen
und Barbaren, die auf dem Felde um den halbvollendeten
Grabhügel des Helden Protesilaus zerstreut umherlagen
und den um viele der Ihrigen trauernden Argivern neue
Arbeit machten.

Die Folge dieses Ueberfalls war, daß die Griechen
in die Landschaft des erschlagenen Königes Cygnus ein¬
fielen und aus der Hauptstadt Metora die Kinder dessel¬
ben als Beute hinwegführten. Dann griffen sie das be¬
nachbarte Cilla an, eroberten auch diese feste Stadt
mit unermeßlicher Kriegsbeute, und kehrten so beladen zu
ihrem wohlbewachten Schiffslager zurück.


und von anderer Hand getroffenen feindlichen Helden.
Knirſchend vor Wuth ſprang jetzt Achilles vom Wagen,
eilte auf den Gegner zu und hieb mit gezücktem Schwerte
auf ihn ein; aber ſelbſt der Stahl prallte ſtumpf an dem
zu Eiſen gehärteten Körper ab. Da erhub Achilles in der
Verzweiflung den zehnhäutigen Schild und zerpochte dem
unverwüſtlichen Feinde, ganz auf ihn eingedrungen, drei,
viermal die Schläfe mit der Schildbuckel. Jetzt erſt fing
Cygnus an zu weichen, und Nebel ſchwamm ihm vor den
Augen; er wandte ſeine Schritte rückwärts, ſtrauchelte
über einen Stein und darüber ergriff ihn Achilles mit der
Hand im Nacken, und warf ihn vollends zu Boden. Dann
ſtemmte er ſich mit Schild und Knieen auf die Bruſt des
Liegenden und ſchnürte dem Feinde mit ſeinem eigenen
Helmbande die Kehle zu.

Der Fall ihres göttlichen Führers nahm den Koloni¬
ten plötzlich den Muth; ſie verließen den Kampfplatz in
wilder Flucht und bald war von dem ganzen Ueberfalle
nichts mehr zu ſehen, als die vielen Leichen von Griechen
und Barbaren, die auf dem Felde um den halbvollendeten
Grabhügel des Helden Proteſilaus zerſtreut umherlagen
und den um viele der Ihrigen trauernden Argivern neue
Arbeit machten.

Die Folge dieſes Ueberfalls war, daß die Griechen
in die Landſchaft des erſchlagenen Königes Cygnus ein¬
fielen und aus der Hauptſtadt Metora die Kinder deſſel¬
ben als Beute hinwegführten. Dann griffen ſie das be¬
nachbarte Cilla an, eroberten auch dieſe feſte Stadt
mit unermeßlicher Kriegsbeute, und kehrten ſo beladen zu
ihrem wohlbewachten Schiffslager zurück.


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[70/0092] und von anderer Hand getroffenen feindlichen Helden. Knirſchend vor Wuth ſprang jetzt Achilles vom Wagen, eilte auf den Gegner zu und hieb mit gezücktem Schwerte auf ihn ein; aber ſelbſt der Stahl prallte ſtumpf an dem zu Eiſen gehärteten Körper ab. Da erhub Achilles in der Verzweiflung den zehnhäutigen Schild und zerpochte dem unverwüſtlichen Feinde, ganz auf ihn eingedrungen, drei, viermal die Schläfe mit der Schildbuckel. Jetzt erſt fing Cygnus an zu weichen, und Nebel ſchwamm ihm vor den Augen; er wandte ſeine Schritte rückwärts, ſtrauchelte über einen Stein und darüber ergriff ihn Achilles mit der Hand im Nacken, und warf ihn vollends zu Boden. Dann ſtemmte er ſich mit Schild und Knieen auf die Bruſt des Liegenden und ſchnürte dem Feinde mit ſeinem eigenen Helmbande die Kehle zu. Der Fall ihres göttlichen Führers nahm den Koloni¬ ten plötzlich den Muth; ſie verließen den Kampfplatz in wilder Flucht und bald war von dem ganzen Ueberfalle nichts mehr zu ſehen, als die vielen Leichen von Griechen und Barbaren, die auf dem Felde um den halbvollendeten Grabhügel des Helden Proteſilaus zerſtreut umherlagen und den um viele der Ihrigen trauernden Argivern neue Arbeit machten. Die Folge dieſes Ueberfalls war, daß die Griechen in die Landſchaft des erſchlagenen Königes Cygnus ein¬ fielen und aus der Hauptſtadt Metora die Kinder deſſel¬ ben als Beute hinwegführten. Dann griffen ſie das be¬ nachbarte Cilla an, eroberten auch dieſe feſte Stadt mit unermeßlicher Kriegsbeute, und kehrten ſo beladen zu ihrem wohlbewachten Schiffslager zurück.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/92>, abgerufen am 23.11.2024.