den Helden flohen die Trojaner wie eine Heerde von Hirschen vor einer Hundekoppel daher; zuletzt wurde die Flucht der Feinde allgemein, und die Trojaner schlossen sich wieder in ihre Thore ein. Die Griechen aber begaben sich in Ruhe wieder zu ihren Schiffen und fuhren in Vollendung ihres Lagerbaues gemächlich fort. Achilles und Ajax wurden von Agamemnon zu Wächtern der Schiffe bestimmt, und diese setzten wieder andere Helden zu Wäch¬ tern über einzelne Abtheilungen der Flotte.
Alsdann wandten sie sich zum Begräbnisse des Prote¬ silaus, legten den Leichnam auf einen schön geschmückten und aufgethürmten Scheiterhaufen und begruben seine Gebeine auf einer Halbinsel des Strandes unter schönen, hohen Ulmbäumen. Noch waren sie mit der Bestattung nicht ganz fertig, als ein zweiter Ueberfall die sorglos Feiernden erschreckte.
In Kolonis bei Troja herrschte der König Cygnus, der, von einer Nymphe dem Meeresgotte Neptunus gebo¬ ren, auf der Insel Tenedos wunderbarer Weise von einem Schwan großgezogen worden war, daher er auch seinen Namen Cygnus, d. h. Schwan, bekommen hatte. Dieser war den Trojanern verbündet, und ohne besonders dazu von Priamus aufgefordert zu seyn, hielt er sich verpflich¬ tet, als er die Landung der fremden Kriegsvölker vor Troja gewahr wurde, seinen alten Freunden zu Hülfe zu kommen. Daher sammelte er in seinem Königreich einen ansehnlichen Heerhaufen, legte sich in der Nähe des grie¬ chischen Schiffslagers in einen Hinterhalt und war mit seiner Schaar eben erst in diesem Versteck angekommen, als die Griechen aus dem ersten Treffen mit den Troja¬ nern als Sieger zurückgekehrt, ihrem gefallenen Helden
5 *
den Helden flohen die Trojaner wie eine Heerde von Hirſchen vor einer Hundekoppel daher; zuletzt wurde die Flucht der Feinde allgemein, und die Trojaner ſchloſſen ſich wieder in ihre Thore ein. Die Griechen aber begaben ſich in Ruhe wieder zu ihren Schiffen und fuhren in Vollendung ihres Lagerbaues gemächlich fort. Achilles und Ajax wurden von Agamemnon zu Wächtern der Schiffe beſtimmt, und dieſe ſetzten wieder andere Helden zu Wäch¬ tern über einzelne Abtheilungen der Flotte.
Alsdann wandten ſie ſich zum Begräbniſſe des Prote¬ ſilaus, legten den Leichnam auf einen ſchön geſchmückten und aufgethürmten Scheiterhaufen und begruben ſeine Gebeine auf einer Halbinſel des Strandes unter ſchönen, hohen Ulmbäumen. Noch waren ſie mit der Beſtattung nicht ganz fertig, als ein zweiter Ueberfall die ſorglos Feiernden erſchreckte.
In Kolonis bei Troja herrſchte der König Cygnus, der, von einer Nymphe dem Meeresgotte Neptunus gebo¬ ren, auf der Inſel Tenedos wunderbarer Weiſe von einem Schwan großgezogen worden war, daher er auch ſeinen Namen Cygnus, d. h. Schwan, bekommen hatte. Dieſer war den Trojanern verbündet, und ohne beſonders dazu von Priamus aufgefordert zu ſeyn, hielt er ſich verpflich¬ tet, als er die Landung der fremden Kriegsvölker vor Troja gewahr wurde, ſeinen alten Freunden zu Hülfe zu kommen. Daher ſammelte er in ſeinem Königreich einen anſehnlichen Heerhaufen, legte ſich in der Nähe des grie¬ chiſchen Schiffslagers in einen Hinterhalt und war mit ſeiner Schaar eben erſt in dieſem Verſteck angekommen, als die Griechen aus dem erſten Treffen mit den Troja¬ nern als Sieger zurückgekehrt, ihrem gefallenen Helden
5 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0089"n="67"/>
den Helden flohen die Trojaner wie eine Heerde von<lb/>
Hirſchen vor einer Hundekoppel daher; zuletzt wurde die<lb/>
Flucht der Feinde allgemein, und die Trojaner ſchloſſen<lb/>ſich wieder in ihre Thore ein. Die Griechen aber begaben<lb/>ſich in Ruhe wieder zu ihren Schiffen und fuhren in<lb/>
Vollendung ihres Lagerbaues gemächlich fort. Achilles<lb/>
und Ajax wurden von Agamemnon zu Wächtern der Schiffe<lb/>
beſtimmt, und dieſe ſetzten wieder andere Helden zu Wäch¬<lb/>
tern über einzelne Abtheilungen der Flotte.</p><lb/><p>Alsdann wandten ſie ſich zum Begräbniſſe des Prote¬<lb/>ſilaus, legten den Leichnam auf einen ſchön geſchmückten<lb/>
und aufgethürmten Scheiterhaufen und begruben ſeine<lb/>
Gebeine auf einer Halbinſel des Strandes unter ſchönen,<lb/>
hohen Ulmbäumen. Noch waren ſie mit der Beſtattung<lb/>
nicht ganz fertig, als ein zweiter Ueberfall die ſorglos<lb/>
Feiernden erſchreckte.</p><lb/><p>In Kolonis bei Troja herrſchte der König Cygnus,<lb/>
der, von einer Nymphe dem Meeresgotte Neptunus gebo¬<lb/>
ren, auf der Inſel Tenedos wunderbarer Weiſe von einem<lb/>
Schwan großgezogen worden war, daher er auch ſeinen<lb/>
Namen Cygnus, d. h. Schwan, bekommen hatte. Dieſer<lb/>
war den Trojanern verbündet, und ohne beſonders dazu<lb/>
von Priamus aufgefordert zu ſeyn, hielt er ſich verpflich¬<lb/>
tet, als er die Landung der fremden Kriegsvölker vor<lb/>
Troja gewahr wurde, ſeinen alten Freunden zu Hülfe zu<lb/>
kommen. Daher ſammelte er in ſeinem Königreich einen<lb/>
anſehnlichen Heerhaufen, legte ſich in der Nähe des grie¬<lb/>
chiſchen Schiffslagers in einen Hinterhalt und war mit<lb/>ſeiner Schaar eben erſt in dieſem Verſteck angekommen,<lb/>
als die Griechen aus dem erſten Treffen mit den Troja¬<lb/>
nern als Sieger zurückgekehrt, ihrem gefallenen Helden<lb/><fwtype="sig"place="bottom">5 *<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[67/0089]
den Helden flohen die Trojaner wie eine Heerde von
Hirſchen vor einer Hundekoppel daher; zuletzt wurde die
Flucht der Feinde allgemein, und die Trojaner ſchloſſen
ſich wieder in ihre Thore ein. Die Griechen aber begaben
ſich in Ruhe wieder zu ihren Schiffen und fuhren in
Vollendung ihres Lagerbaues gemächlich fort. Achilles
und Ajax wurden von Agamemnon zu Wächtern der Schiffe
beſtimmt, und dieſe ſetzten wieder andere Helden zu Wäch¬
tern über einzelne Abtheilungen der Flotte.
Alsdann wandten ſie ſich zum Begräbniſſe des Prote¬
ſilaus, legten den Leichnam auf einen ſchön geſchmückten
und aufgethürmten Scheiterhaufen und begruben ſeine
Gebeine auf einer Halbinſel des Strandes unter ſchönen,
hohen Ulmbäumen. Noch waren ſie mit der Beſtattung
nicht ganz fertig, als ein zweiter Ueberfall die ſorglos
Feiernden erſchreckte.
In Kolonis bei Troja herrſchte der König Cygnus,
der, von einer Nymphe dem Meeresgotte Neptunus gebo¬
ren, auf der Inſel Tenedos wunderbarer Weiſe von einem
Schwan großgezogen worden war, daher er auch ſeinen
Namen Cygnus, d. h. Schwan, bekommen hatte. Dieſer
war den Trojanern verbündet, und ohne beſonders dazu
von Priamus aufgefordert zu ſeyn, hielt er ſich verpflich¬
tet, als er die Landung der fremden Kriegsvölker vor
Troja gewahr wurde, ſeinen alten Freunden zu Hülfe zu
kommen. Daher ſammelte er in ſeinem Königreich einen
anſehnlichen Heerhaufen, legte ſich in der Nähe des grie¬
chiſchen Schiffslagers in einen Hinterhalt und war mit
ſeiner Schaar eben erſt in dieſem Verſteck angekommen,
als die Griechen aus dem erſten Treffen mit den Troja¬
nern als Sieger zurückgekehrt, ihrem gefallenen Helden
5 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/89>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.