die Erstürmung Troja's. Seyd guten Muths, ihr See¬ gefährten, denn noch an diesem Tage verlassen wir die Bucht von Aulis!" So sprach er, und sah zu, wie das Opferthier allmählig vom Feuer verkohlt ward. Als der letzte Funke erloschen war, unterbrach die Stille der Luft ein Sausen des Windes, die Blicke des Heeres kehrten sich nach dem Hafen, und sahen hier die Schiffe im bewegten Meere schwanken. Mit lautem Jubelrufe ward aus Dianens Haine aufgebrochen, und alles Volk eilte nach den Zelten.
Als Agamemnon in dem seinigen ankam, fand er seine Gattin Klytämnestra nicht mehr dort; ihr treuer Diener war ihm vorausgeeilt und hatte die ohnmächtig auf dem Boden Liegende mit der Nachricht von der Ret¬ tung ihrer Tochter erweckt und aufgerichtet. Mit einem flüchtigen Gefühl des Dankes und der Freude erhob die zur Besinnung gekommene Königin ihre Hände gen Him¬ mel, dann aber rief sie mit bitterem Schmerze: "Mein Kind ist mir doch geraubt! Er ist doch der Mörder mei¬ ner Mutterfreude! Laß uns eilen, daß meine Augen den Kindesmörder nicht schauen!" Der Diener eilte, den Wagen und das Gefolge zu bestellen, und als Aga¬ memnon von dem Opferfeste zurückkam, war seine Ge¬ mahlin schon fern auf dem Wege nach Mycene.
die Erſtürmung Troja's. Seyd guten Muths, ihr See¬ gefährten, denn noch an dieſem Tage verlaſſen wir die Bucht von Aulis!“ So ſprach er, und ſah zu, wie das Opferthier allmählig vom Feuer verkohlt ward. Als der letzte Funke erloſchen war, unterbrach die Stille der Luft ein Sauſen des Windes, die Blicke des Heeres kehrten ſich nach dem Hafen, und ſahen hier die Schiffe im bewegten Meere ſchwanken. Mit lautem Jubelrufe ward aus Dianens Haine aufgebrochen, und alles Volk eilte nach den Zelten.
Als Agamemnon in dem ſeinigen ankam, fand er ſeine Gattin Klytämneſtra nicht mehr dort; ihr treuer Diener war ihm vorausgeeilt und hatte die ohnmächtig auf dem Boden Liegende mit der Nachricht von der Ret¬ tung ihrer Tochter erweckt und aufgerichtet. Mit einem flüchtigen Gefühl des Dankes und der Freude erhob die zur Beſinnung gekommene Königin ihre Hände gen Him¬ mel, dann aber rief ſie mit bitterem Schmerze: „Mein Kind iſt mir doch geraubt! Er iſt doch der Mörder mei¬ ner Mutterfreude! Laß uns eilen, daß meine Augen den Kindesmörder nicht ſchauen!“ Der Diener eilte, den Wagen und das Gefolge zu beſtellen, und als Aga¬ memnon von dem Opferfeſte zurückkam, war ſeine Ge¬ mahlin ſchon fern auf dem Wege nach Mycene.
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die Erſtürmung Troja's. Seyd guten Muths, ihr See¬
gefährten, denn noch an dieſem Tage verlaſſen wir die
Bucht von Aulis!“ So ſprach er, und ſah zu, wie das
Opferthier allmählig vom Feuer verkohlt ward. Als der
letzte Funke erloſchen war, unterbrach die Stille der Luft
ein Sauſen des Windes, die Blicke des Heeres kehrten
ſich nach dem Hafen, und ſahen hier die Schiffe im
bewegten Meere ſchwanken. Mit lautem Jubelrufe ward
aus Dianens Haine aufgebrochen, und alles Volk eilte
nach den Zelten.
Als Agamemnon in dem ſeinigen ankam, fand er
ſeine Gattin Klytämneſtra nicht mehr dort; ihr treuer
Diener war ihm vorausgeeilt und hatte die ohnmächtig
auf dem Boden Liegende mit der Nachricht von der Ret¬
tung ihrer Tochter erweckt und aufgerichtet. Mit einem
flüchtigen Gefühl des Dankes und der Freude erhob die
zur Beſinnung gekommene Königin ihre Hände gen Him¬
mel, dann aber rief ſie mit bitterem Schmerze: „Mein
Kind iſt mir doch geraubt! Er iſt doch der Mörder mei¬
ner Mutterfreude! Laß uns eilen, daß meine Augen
den Kindesmörder nicht ſchauen!“ Der Diener eilte, den
Wagen und das Gefolge zu beſtellen, und als Aga¬
memnon von dem Opferfeſte zurückkam, war ſeine Ge¬
mahlin ſchon fern auf dem Wege nach Mycene.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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