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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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mit freundlichen Worten zu begrüßen. Aber Achilles trat
verwundert zurück. "Von welcher Hochzeit redest du,
Fürstin?" sprach er. "Niemals habe ich um dein Kind
gefreit, nie ist ein Einladungswort zur Vermählung von
deinem Gemahl Agamemnon an mich gelangt!" So
begann das Räthsel sich vor Klytämnestra's Augen aufzu¬
hellen, und sie stand unentschlossen und voll Beschämung
vor Achilles. Dieser aber sagte mit jugendlicher Gut¬
müthigkeit: "Laß dich's nicht kümmern, Königin, wenn
auch Jemand seinen Scherz mit dir getrieben hätte, nimm
es leicht, und verzeih mir, wenn mein Erstaunen dir wehe
gethan hat." Und so wollte er mit ehrerbietigem Gruße
davon eilen, den Feldherrn aufzusuchen, da öffnete eben
ein Diener das Zelt Agamemnon's, und rief mit verstörter
Miene den beiden Sprechenden entgegen; es war der
vertraute Sklave Agamemnon's und Klytämnestra's, den
Menelaus mit dem Briefe ergriffen hatte. "Höre," sprach
er leise, doch athemlos, "was dir dein treuer Diener zu
vertrauen hat: deine Tochter will der Vater eigenhändig
tödten!" Und nun erfuhr die zitternde Mutter das ganze
Geheimniß aus dem Munde des getreuen Sklaven. Kly¬
tämnestra warf sich dem jungen Sohne des Peleus zu
Füßen, und seine Kniee wie eine Schutzflehende umfassend
rief sie: "Ich erröthe nicht, so vor dir im Staube zu
liegen, ich, die Sterbliche, vor dem Göttersprößling.
Weiche, Stolz! vor der Mutterpflicht. Du aber, o Sohn
der Göttin, rette mich und mein Kind von der Verzweif¬
lung! Dir, als ihrem Gatten, habe ich sie bekränzt hier¬
her geführt; zwar eitler Weise, dennoch heissest du mir
meines Mädchens Bräutigam! Bei allem, was dir theuer
ist, bei deiner göttlichen Mutter beschwöre ich dich, hilf

mit freundlichen Worten zu begrüßen. Aber Achilles trat
verwundert zurück. „Von welcher Hochzeit redeſt du,
Fürſtin?“ ſprach er. „Niemals habe ich um dein Kind
gefreit, nie iſt ein Einladungswort zur Vermählung von
deinem Gemahl Agamemnon an mich gelangt!“ So
begann das Räthſel ſich vor Klytämneſtra's Augen aufzu¬
hellen, und ſie ſtand unentſchloſſen und voll Beſchämung
vor Achilles. Dieſer aber ſagte mit jugendlicher Gut¬
müthigkeit: „Laß dich's nicht kümmern, Königin, wenn
auch Jemand ſeinen Scherz mit dir getrieben hätte, nimm
es leicht, und verzeih mir, wenn mein Erſtaunen dir wehe
gethan hat.“ Und ſo wollte er mit ehrerbietigem Gruße
davon eilen, den Feldherrn aufzuſuchen, da öffnete eben
ein Diener das Zelt Agamemnon's, und rief mit verſtörter
Miene den beiden Sprechenden entgegen; es war der
vertraute Sklave Agamemnon's und Klytämneſtra's, den
Menelaus mit dem Briefe ergriffen hatte. „Höre,“ ſprach
er leiſe, doch athemlos, „was dir dein treuer Diener zu
vertrauen hat: deine Tochter will der Vater eigenhändig
tödten!“ Und nun erfuhr die zitternde Mutter das ganze
Geheimniß aus dem Munde des getreuen Sklaven. Kly¬
tämneſtra warf ſich dem jungen Sohne des Peleus zu
Füßen, und ſeine Kniee wie eine Schutzflehende umfaſſend
rief ſie: „Ich erröthe nicht, ſo vor dir im Staube zu
liegen, ich, die Sterbliche, vor dem Götterſprößling.
Weiche, Stolz! vor der Mutterpflicht. Du aber, o Sohn
der Göttin, rette mich und mein Kind von der Verzweif¬
lung! Dir, als ihrem Gatten, habe ich ſie bekränzt hier¬
her geführt; zwar eitler Weiſe, dennoch heiſſeſt du mir
meines Mädchens Bräutigam! Bei allem, was dir theuer
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[36/0058] mit freundlichen Worten zu begrüßen. Aber Achilles trat verwundert zurück. „Von welcher Hochzeit redeſt du, Fürſtin?“ ſprach er. „Niemals habe ich um dein Kind gefreit, nie iſt ein Einladungswort zur Vermählung von deinem Gemahl Agamemnon an mich gelangt!“ So begann das Räthſel ſich vor Klytämneſtra's Augen aufzu¬ hellen, und ſie ſtand unentſchloſſen und voll Beſchämung vor Achilles. Dieſer aber ſagte mit jugendlicher Gut¬ müthigkeit: „Laß dich's nicht kümmern, Königin, wenn auch Jemand ſeinen Scherz mit dir getrieben hätte, nimm es leicht, und verzeih mir, wenn mein Erſtaunen dir wehe gethan hat.“ Und ſo wollte er mit ehrerbietigem Gruße davon eilen, den Feldherrn aufzuſuchen, da öffnete eben ein Diener das Zelt Agamemnon's, und rief mit verſtörter Miene den beiden Sprechenden entgegen; es war der vertraute Sklave Agamemnon's und Klytämneſtra's, den Menelaus mit dem Briefe ergriffen hatte. „Höre,“ ſprach er leiſe, doch athemlos, „was dir dein treuer Diener zu vertrauen hat: deine Tochter will der Vater eigenhändig tödten!“ Und nun erfuhr die zitternde Mutter das ganze Geheimniß aus dem Munde des getreuen Sklaven. Kly¬ tämneſtra warf ſich dem jungen Sohne des Peleus zu Füßen, und ſeine Kniee wie eine Schutzflehende umfaſſend rief ſie: „Ich erröthe nicht, ſo vor dir im Staube zu liegen, ich, die Sterbliche, vor dem Götterſprößling. Weiche, Stolz! vor der Mutterpflicht. Du aber, o Sohn der Göttin, rette mich und mein Kind von der Verzweif¬ lung! Dir, als ihrem Gatten, habe ich ſie bekränzt hier¬ her geführt; zwar eitler Weiſe, dennoch heiſſeſt du mir meines Mädchens Bräutigam! Bei allem, was dir theuer iſt, bei deiner göttlichen Mutter beſchwöre ich dich, hilf

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/58>, abgerufen am 27.11.2024.