Landsleuten kann ich nicht zurückkehren. Ich bin in eurer Hand, und von euch hängt es ab, ob ihr mir großmüthig das Leben schenken, oder mir den Tod geben wollt, der mich von der Hand meiner eigenen Volksgenossen bedroht hat."
Die Trojaner waren gerührt, Priamus sprach gütige Worte zu dem Heuchler, hieß ihn die argen Griechen vergessen, und versprach ihm eine Zufluchtsstätte in seiner Stadt, wenn er ihnen nur offenbaren wolle, was für eine Beschaffenheit es mit dem hölzernen Rosse habe, dem er so eben den Beinamen eines heiligen gegeben. Sinon hob seine, der Fesseln entledigten Hände gen Himmel und betete mit trügerischer Andacht: "Ihr Götter, denen ich schon geweiht war, du Altar und du verfluchtes Schwert, das mich bedrohte, ihr seyd mir Zeugen, daß die Bande, die mich an mein Volk bisher knüpften, zerrissen sind, und daß ich nicht frevle, wenn ich ihre Geheimnisse auf¬ decke! Von jeher war alle Hoffnung der Danaer in die¬ sem Kriege auf die Hülfe der Göttin Pallas Athene gebaut. Seitdem aber aus dem Tempel, den sie bei euch zu Troja hat, ihr Bild, das Palladium, entwendet worden -- und zwar, was ihr Trojaner wohl zum erstenmal erfahret, durch die Hände schlauer Griechen, -- ging Alles rückwärts, die Göttin war erzürnt, und das Glück hatte die Waffen der Da¬ naer verlassen. Da erklärte Kalchas, der Seher, auf der Stelle müßte man mit den Schiffen umkehren, um im Vaterlande selbst neue Befehle der Götter einzuholen. Ehe das Palladium an seine Stelle zurückgebracht sey, dürften sie auf keinen glücklichen Ausgang des Feldzuges hoffen. Dieß bewog die Danaer, die Flucht zu beschließen, welche sie nun auch wirklich ausgeführt haben. Zuvor aber er¬ bauten sie noch, auf den Rath ihres Propheten, dieses
Landsleuten kann ich nicht zurückkehren. Ich bin in eurer Hand, und von euch hängt es ab, ob ihr mir großmüthig das Leben ſchenken, oder mir den Tod geben wollt, der mich von der Hand meiner eigenen Volksgenoſſen bedroht hat.“
Die Trojaner waren gerührt, Priamus ſprach gütige Worte zu dem Heuchler, hieß ihn die argen Griechen vergeſſen, und verſprach ihm eine Zufluchtsſtätte in ſeiner Stadt, wenn er ihnen nur offenbaren wolle, was für eine Beſchaffenheit es mit dem hölzernen Roſſe habe, dem er ſo eben den Beinamen eines heiligen gegeben. Sinon hob ſeine, der Feſſeln entledigten Hände gen Himmel und betete mit trügeriſcher Andacht: „Ihr Götter, denen ich ſchon geweiht war, du Altar und du verfluchtes Schwert, das mich bedrohte, ihr ſeyd mir Zeugen, daß die Bande, die mich an mein Volk bisher knüpften, zerriſſen ſind, und daß ich nicht frevle, wenn ich ihre Geheimniſſe auf¬ decke! Von jeher war alle Hoffnung der Danaer in die¬ ſem Kriege auf die Hülfe der Göttin Pallas Athene gebaut. Seitdem aber aus dem Tempel, den ſie bei euch zu Troja hat, ihr Bild, das Palladium, entwendet worden — und zwar, was ihr Trojaner wohl zum erſtenmal erfahret, durch die Hände ſchlauer Griechen, — ging Alles rückwärts, die Göttin war erzürnt, und das Glück hatte die Waffen der Da¬ naer verlaſſen. Da erklärte Kalchas, der Seher, auf der Stelle müßte man mit den Schiffen umkehren, um im Vaterlande ſelbſt neue Befehle der Götter einzuholen. Ehe das Palladium an ſeine Stelle zurückgebracht ſey, dürften ſie auf keinen glücklichen Ausgang des Feldzuges hoffen. Dieß bewog die Danaer, die Flucht zu beſchließen, welche ſie nun auch wirklich ausgeführt haben. Zuvor aber er¬ bauten ſie noch, auf den Rath ihres Propheten, dieſes
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Landsleuten kann ich nicht zurückkehren. Ich bin in eurer
Hand, und von euch hängt es ab, ob ihr mir großmüthig
das Leben ſchenken, oder mir den Tod geben wollt, der mich
von der Hand meiner eigenen Volksgenoſſen bedroht hat.“
Die Trojaner waren gerührt, Priamus ſprach gütige
Worte zu dem Heuchler, hieß ihn die argen Griechen
vergeſſen, und verſprach ihm eine Zufluchtsſtätte in ſeiner
Stadt, wenn er ihnen nur offenbaren wolle, was für eine
Beſchaffenheit es mit dem hölzernen Roſſe habe, dem er
ſo eben den Beinamen eines heiligen gegeben. Sinon
hob ſeine, der Feſſeln entledigten Hände gen Himmel und
betete mit trügeriſcher Andacht: „Ihr Götter, denen ich
ſchon geweiht war, du Altar und du verfluchtes Schwert,
das mich bedrohte, ihr ſeyd mir Zeugen, daß die Bande,
die mich an mein Volk bisher knüpften, zerriſſen ſind,
und daß ich nicht frevle, wenn ich ihre Geheimniſſe auf¬
decke! Von jeher war alle Hoffnung der Danaer in die¬
ſem Kriege auf die Hülfe der Göttin Pallas Athene gebaut.
Seitdem aber aus dem Tempel, den ſie bei euch zu Troja
hat, ihr Bild, das Palladium, entwendet worden — und
zwar, was ihr Trojaner wohl zum erſtenmal erfahret, durch
die Hände ſchlauer Griechen, — ging Alles rückwärts, die
Göttin war erzürnt, und das Glück hatte die Waffen der Da¬
naer verlaſſen. Da erklärte Kalchas, der Seher, auf der Stelle
müßte man mit den Schiffen umkehren, um im Vaterlande
ſelbſt neue Befehle der Götter einzuholen. Ehe das
Palladium an ſeine Stelle zurückgebracht ſey, dürften ſie
auf keinen glücklichen Ausgang des Feldzuges hoffen.
Dieß bewog die Danaer, die Flucht zu beſchließen, welche
ſie nun auch wirklich ausgeführt haben. Zuvor aber er¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/435>, abgerufen am 22.11.2024.
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