Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

die Fluth gegen die Schiffe und trieben sie ans Land ge¬
gen das tückische Roß. Sie hätten beide zerstört, wenn
das Schicksal es gestattet hätte. Unter den obern Göt¬
tern begann indessen der Kampf, und Mars stürzte der
Minerva zum Kampf entgegen. Damit war das Zeichen
des allgemeinen Streites gegeben, und die Götter warfen
sich gegenseitig auf einander: bei jeder Bewegung klirrten
die goldenen Rüstungen und das Meer rauschte mit seinen
Wogen darein; unter den Füßen der Unsterblichen bebte
die Erde und alle schrieen laut zusammen, so daß der
Schlachtruf der Götter bis zur Unterwelt hinabdrang und
die Titanen im Tartarus davor erbebten. Es hatten aber
die Himmlischen sich zum Kampf eine Zeit ersehen, wo
Jupiter, der Vater der Götter und Menschen, fern auf
einer Reise an den Ocean begriffen war, wohin die Re¬
gierung der Erde ihn gerufen hatte. Doch seinem scharf¬
sichtigen Geiste entging auch aus der Ferne nichts von dem,
was auf der Oberfläche des Erdbodens sich ereignete. Und
so wurde er kaum den Götterkampf inne, als er schnell
von der Fluth des Oceans mit seinen geflügelten Wind¬
rossen auf dem Donnerwagen, den Iris leitete, in den
Olymp zurückkehrte und von dort aus seine Blitze unter
die kämpfenden Götter warf. Da erbebten die Unsterb¬
lichen und hielten inne mit Kämpfen. Themis, die Göt¬
tin des Rechts, die allein dem Streite ferne geblieben
war, trat ein unter die Götter und schied sie von einan¬
der, indem sie ihnen verkündigte, daß Jupiter die gänz¬
liche Vernichtung der Himmlischen beschlossen hätte, wo¬
fern sie nicht gehorchten. Jetzt ward den Göttern bange
für ihre Unsterblichkeit, sie unterdrückten die Erbitterung

die Fluth gegen die Schiffe und trieben ſie ans Land ge¬
gen das tückiſche Roß. Sie hätten beide zerſtört, wenn
das Schickſal es geſtattet hätte. Unter den obern Göt¬
tern begann indeſſen der Kampf, und Mars ſtürzte der
Minerva zum Kampf entgegen. Damit war das Zeichen
des allgemeinen Streites gegeben, und die Götter warfen
ſich gegenſeitig auf einander: bei jeder Bewegung klirrten
die goldenen Rüſtungen und das Meer rauſchte mit ſeinen
Wogen darein; unter den Füßen der Unſterblichen bebte
die Erde und alle ſchrieen laut zuſammen, ſo daß der
Schlachtruf der Götter bis zur Unterwelt hinabdrang und
die Titanen im Tartarus davor erbebten. Es hatten aber
die Himmliſchen ſich zum Kampf eine Zeit erſehen, wo
Jupiter, der Vater der Götter und Menſchen, fern auf
einer Reiſe an den Ocean begriffen war, wohin die Re¬
gierung der Erde ihn gerufen hatte. Doch ſeinem ſcharf¬
ſichtigen Geiſte entging auch aus der Ferne nichts von dem,
was auf der Oberfläche des Erdbodens ſich ereignete. Und
ſo wurde er kaum den Götterkampf inne, als er ſchnell
von der Fluth des Oceans mit ſeinen geflügelten Wind¬
roſſen auf dem Donnerwagen, den Iris leitete, in den
Olymp zurückkehrte und von dort aus ſeine Blitze unter
die kämpfenden Götter warf. Da erbebten die Unſterb¬
lichen und hielten inne mit Kämpfen. Themis, die Göt¬
tin des Rechts, die allein dem Streite ferne geblieben
war, trat ein unter die Götter und ſchied ſie von einan¬
der, indem ſie ihnen verkündigte, daß Jupiter die gänz¬
liche Vernichtung der Himmliſchen beſchloſſen hätte, wo¬
fern ſie nicht gehorchten. Jetzt ward den Göttern bange
für ihre Unſterblichkeit, ſie unterdrückten die Erbitterung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0429" n="407"/>
die Fluth gegen die Schiffe und trieben &#x017F;ie ans Land ge¬<lb/>
gen das tücki&#x017F;che Roß. Sie hätten beide zer&#x017F;tört, wenn<lb/>
das Schick&#x017F;al es ge&#x017F;tattet hätte. Unter den obern Göt¬<lb/>
tern begann inde&#x017F;&#x017F;en der Kampf, und Mars &#x017F;türzte der<lb/>
Minerva zum Kampf entgegen. Damit war das Zeichen<lb/>
des allgemeinen Streites gegeben, und die Götter warfen<lb/>
&#x017F;ich gegen&#x017F;eitig auf einander: bei jeder Bewegung klirrten<lb/>
die goldenen Rü&#x017F;tungen und das Meer rau&#x017F;chte mit &#x017F;einen<lb/>
Wogen darein; unter den Füßen der Un&#x017F;terblichen bebte<lb/>
die Erde und alle &#x017F;chrieen laut zu&#x017F;ammen, &#x017F;o daß der<lb/>
Schlachtruf der Götter bis zur Unterwelt hinabdrang und<lb/>
die Titanen im Tartarus davor erbebten. Es hatten aber<lb/>
die Himmli&#x017F;chen &#x017F;ich zum Kampf eine Zeit er&#x017F;ehen, wo<lb/>
Jupiter, der Vater der Götter und Men&#x017F;chen, fern auf<lb/>
einer Rei&#x017F;e an den Ocean begriffen war, wohin die Re¬<lb/>
gierung der Erde ihn gerufen hatte. Doch &#x017F;einem &#x017F;charf¬<lb/>
&#x017F;ichtigen Gei&#x017F;te entging auch aus der Ferne nichts von dem,<lb/>
was auf der Oberfläche des Erdbodens &#x017F;ich ereignete. Und<lb/>
&#x017F;o wurde er kaum den Götterkampf inne, als er &#x017F;chnell<lb/>
von der Fluth des Oceans mit &#x017F;einen geflügelten Wind¬<lb/>
ro&#x017F;&#x017F;en auf dem Donnerwagen, den Iris leitete, in den<lb/>
Olymp zurückkehrte und von dort aus &#x017F;eine Blitze unter<lb/>
die kämpfenden Götter warf. Da erbebten die Un&#x017F;terb¬<lb/>
lichen und hielten inne mit Kämpfen. Themis, die Göt¬<lb/>
tin des Rechts, die allein dem Streite ferne geblieben<lb/>
war, trat ein unter die Götter und &#x017F;chied &#x017F;ie von einan¬<lb/>
der, indem &#x017F;ie ihnen verkündigte, daß Jupiter die gänz¬<lb/>
liche Vernichtung der Himmli&#x017F;chen be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hätte, wo¬<lb/>
fern &#x017F;ie nicht gehorchten. Jetzt ward den Göttern bange<lb/>
für ihre Un&#x017F;terblichkeit, &#x017F;ie unterdrückten die Erbitterung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0429] die Fluth gegen die Schiffe und trieben ſie ans Land ge¬ gen das tückiſche Roß. Sie hätten beide zerſtört, wenn das Schickſal es geſtattet hätte. Unter den obern Göt¬ tern begann indeſſen der Kampf, und Mars ſtürzte der Minerva zum Kampf entgegen. Damit war das Zeichen des allgemeinen Streites gegeben, und die Götter warfen ſich gegenſeitig auf einander: bei jeder Bewegung klirrten die goldenen Rüſtungen und das Meer rauſchte mit ſeinen Wogen darein; unter den Füßen der Unſterblichen bebte die Erde und alle ſchrieen laut zuſammen, ſo daß der Schlachtruf der Götter bis zur Unterwelt hinabdrang und die Titanen im Tartarus davor erbebten. Es hatten aber die Himmliſchen ſich zum Kampf eine Zeit erſehen, wo Jupiter, der Vater der Götter und Menſchen, fern auf einer Reiſe an den Ocean begriffen war, wohin die Re¬ gierung der Erde ihn gerufen hatte. Doch ſeinem ſcharf¬ ſichtigen Geiſte entging auch aus der Ferne nichts von dem, was auf der Oberfläche des Erdbodens ſich ereignete. Und ſo wurde er kaum den Götterkampf inne, als er ſchnell von der Fluth des Oceans mit ſeinen geflügelten Wind¬ roſſen auf dem Donnerwagen, den Iris leitete, in den Olymp zurückkehrte und von dort aus ſeine Blitze unter die kämpfenden Götter warf. Da erbebten die Unſterb¬ lichen und hielten inne mit Kämpfen. Themis, die Göt¬ tin des Rechts, die allein dem Streite ferne geblieben war, trat ein unter die Götter und ſchied ſie von einan¬ der, indem ſie ihnen verkündigte, daß Jupiter die gänz¬ liche Vernichtung der Himmliſchen beſchloſſen hätte, wo¬ fern ſie nicht gehorchten. Jetzt ward den Göttern bange für ihre Unſterblichkeit, ſie unterdrückten die Erbitterung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/429
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/429>, abgerufen am 25.11.2024.