dem Busen und fing an mit allen seinen Kräften auf das Thier loszuschlagen. In diesem Augenblicke trat Minerva von hinten zu ihm, berührte sein Haupt, und befahl dem Wahnsinne von ihm zu weichen. So fand sich der unglück¬ liche Held wieder, die Geißel in der Hand, vor sich den angebundenen Widder mit zerfleischtem Rücken; dieser An¬ blick sagte ihm genug. Das schmähliche Werkzeug entfiel seiner Hand, die Heldenkraft entschwand ihm, er sank zu Boden von der Ahnung getroffen, daß der Zorn der Göt¬ ter ihn heimgesucht habe. Unaussprechliche Schmerzen be¬ stürmten sein Herz. Als er sich wieder vom Staube erho¬ ben, vermochte er vor Unmuth den Fuß weder vorwärts noch rückwärts zu setzen, sondern stand lange unbeweglich da, wie ein Wartthurm, der in Felsen wurzelt; endlich holte er einen tiefen Seufzer und sprach: "Wehe mir, warum hassen mich die Unsterblichen, warum haben sie mich in so tiefe Schmach gestürzt, dem arglistigen Odysseus zu Liebe? Hier steh' ich, der Mann, dem kein Männer¬ treffen je Unehre gebracht hat, die Hände mit unschuldigem Lämmerblute besudelt, ein Gelächter dem ganzen Heere, ein Spott meiner Feinde!"
Während er so jammerte, suchte ihn im ganzen Lager und bei den Schiffen, seinen kleinen Sohn Eurysaces auf dem Arme, die phrygische Königstochter Tekmessa, die Ajax, da er ihr Vaterland überfallen, als Beute fortgeführt hatte, die er einer Gattin gleich hielt, und die ihn zärtlich liebte. Sie hatte seinen finstern Unmuth im Zelte beobachtet, ohne dessen Grund erforschen zu können, da ihr Ajax auf keine Frage Antwort gegeben hatte. Bald nachdem er das Zelt verlassen hatte, stieg ihr eine finstere Ahnung im Herzen auf, und sie fand endlich bei den Schafhürden das traurige
dem Buſen und fing an mit allen ſeinen Kräften auf das Thier loszuſchlagen. In dieſem Augenblicke trat Minerva von hinten zu ihm, berührte ſein Haupt, und befahl dem Wahnſinne von ihm zu weichen. So fand ſich der unglück¬ liche Held wieder, die Geißel in der Hand, vor ſich den angebundenen Widder mit zerfleiſchtem Rücken; dieſer An¬ blick ſagte ihm genug. Das ſchmähliche Werkzeug entfiel ſeiner Hand, die Heldenkraft entſchwand ihm, er ſank zu Boden von der Ahnung getroffen, daß der Zorn der Göt¬ ter ihn heimgeſucht habe. Unausſprechliche Schmerzen be¬ ſtürmten ſein Herz. Als er ſich wieder vom Staube erho¬ ben, vermochte er vor Unmuth den Fuß weder vorwärts noch rückwärts zu ſetzen, ſondern ſtand lange unbeweglich da, wie ein Wartthurm, der in Felſen wurzelt; endlich holte er einen tiefen Seufzer und ſprach: „Wehe mir, warum haſſen mich die Unſterblichen, warum haben ſie mich in ſo tiefe Schmach geſtürzt, dem argliſtigen Odyſſeus zu Liebe? Hier ſteh' ich, der Mann, dem kein Männer¬ treffen je Unehre gebracht hat, die Hände mit unſchuldigem Lämmerblute beſudelt, ein Gelächter dem ganzen Heere, ein Spott meiner Feinde!“
Während er ſo jammerte, ſuchte ihn im ganzen Lager und bei den Schiffen, ſeinen kleinen Sohn Euryſaces auf dem Arme, die phrygiſche Königstochter Tekmeſſa, die Ajax, da er ihr Vaterland überfallen, als Beute fortgeführt hatte, die er einer Gattin gleich hielt, und die ihn zärtlich liebte. Sie hatte ſeinen finſtern Unmuth im Zelte beobachtet, ohne deſſen Grund erforſchen zu können, da ihr Ajax auf keine Frage Antwort gegeben hatte. Bald nachdem er das Zelt verlaſſen hatte, ſtieg ihr eine finſtere Ahnung im Herzen auf, und ſie fand endlich bei den Schafhürden das traurige
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dem Buſen und fing an mit allen ſeinen Kräften auf das
Thier loszuſchlagen. In dieſem Augenblicke trat Minerva
von hinten zu ihm, berührte ſein Haupt, und befahl dem
Wahnſinne von ihm zu weichen. So fand ſich der unglück¬
liche Held wieder, die Geißel in der Hand, vor ſich den
angebundenen Widder mit zerfleiſchtem Rücken; dieſer An¬
blick ſagte ihm genug. Das ſchmähliche Werkzeug entfiel
ſeiner Hand, die Heldenkraft entſchwand ihm, er ſank zu
Boden von der Ahnung getroffen, daß der Zorn der Göt¬
ter ihn heimgeſucht habe. Unausſprechliche Schmerzen be¬
ſtürmten ſein Herz. Als er ſich wieder vom Staube erho¬
ben, vermochte er vor Unmuth den Fuß weder vorwärts
noch rückwärts zu ſetzen, ſondern ſtand lange unbeweglich
da, wie ein Wartthurm, der in Felſen wurzelt; endlich
holte er einen tiefen Seufzer und ſprach: „Wehe mir,
warum haſſen mich die Unſterblichen, warum haben ſie
mich in ſo tiefe Schmach geſtürzt, dem argliſtigen Odyſſeus
zu Liebe? Hier ſteh' ich, der Mann, dem kein Männer¬
treffen je Unehre gebracht hat, die Hände mit unſchuldigem
Lämmerblute beſudelt, ein Gelächter dem ganzen Heere,
ein Spott meiner Feinde!“
Während er ſo jammerte, ſuchte ihn im ganzen Lager
und bei den Schiffen, ſeinen kleinen Sohn Euryſaces auf
dem Arme, die phrygiſche Königstochter Tekmeſſa, die Ajax,
da er ihr Vaterland überfallen, als Beute fortgeführt hatte,
die er einer Gattin gleich hielt, und die ihn zärtlich liebte.
Sie hatte ſeinen finſtern Unmuth im Zelte beobachtet, ohne
deſſen Grund erforſchen zu können, da ihr Ajax auf keine
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/386>, abgerufen am 25.11.2024.
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