von der Götter Orakel belehrt, ihm selbst in jungen Jahren anvertraut hatte. Wenn je einmal ein Königssohn aus Laomedons Geschlechte eine Gemahlin aus Griechen¬ land ins Haus führen würde, so stehe den Trojanern das äußerste Verderben bevor. "Darum," schloß er seine Rede, "lasset uns den trügerischen Kriegsruhm nicht verführen, Freunde, und unser Leben lieber in Frieden und Ruhe dahinbringen, als auf das Spiel der Schlachten setzen und zuletzt mit sammt der Freiheit verlieren." Aber das Volk murrte über diesen Vorschlag und rief seinem Könige Priamus zu, den furchtsamen Worten eines alten Mannes kein Gehör zu schenken und zu thun, was er im Herzen doch schon beschlossen hätte.
Da ließ Priamus Schiffe rüsten, die auf dem Berge Ida gezimmert worden, und sandte seinen Sohn Hektor ins Phrygerland, Paris und Deiphobus aber ins benach¬ barte Päonien, um verbündete Kriegsvölker zu sammeln; auch Troja's waffenfähige Männer schickten sich zum Kriege an, und so kam bald ein gewaltiges Heer zusammen. Der König stellte dasselbe unter den Befehl seines Sohnes Paris, und gab ihm den Bruder Deiphobus, den Sohn des Panthous, Polydamas, und den Fürsten Aeneas an die Seite; die mächtige Ausrüstung ging in die See und steuerte der griechischen Insel Cythere zu, wo sie zuerst zu landen gedachten. Unterwegs begegnete die Flotte dem Schiffe des griechischen Völkerfürsten und spartanischen Königes Menelaus, der auf einer Fahrt nach Pylos zu dem weisen Fürsten Nestor begriffen war. Dieser staunte, als er den prächtigen Schiffszug erblickte, und auch die Trojaner betrachteten neugierig das schöne griechische Fahr¬ zeug, das festlich ausgeschmückt einen der ersten Fürsten
von der Götter Orakel belehrt, ihm ſelbſt in jungen Jahren anvertraut hatte. Wenn je einmal ein Königsſohn aus Laomedons Geſchlechte eine Gemahlin aus Griechen¬ land ins Haus führen würde, ſo ſtehe den Trojanern das äußerſte Verderben bevor. „Darum,“ ſchloß er ſeine Rede, „laſſet uns den trügeriſchen Kriegsruhm nicht verführen, Freunde, und unſer Leben lieber in Frieden und Ruhe dahinbringen, als auf das Spiel der Schlachten ſetzen und zuletzt mit ſammt der Freiheit verlieren.“ Aber das Volk murrte über dieſen Vorſchlag und rief ſeinem Könige Priamus zu, den furchtſamen Worten eines alten Mannes kein Gehör zu ſchenken und zu thun, was er im Herzen doch ſchon beſchloſſen hätte.
Da ließ Priamus Schiffe rüſten, die auf dem Berge Ida gezimmert worden, und ſandte ſeinen Sohn Hektor ins Phrygerland, Paris und Deiphobus aber ins benach¬ barte Päonien, um verbündete Kriegsvölker zu ſammeln; auch Troja's waffenfähige Männer ſchickten ſich zum Kriege an, und ſo kam bald ein gewaltiges Heer zuſammen. Der König ſtellte daſſelbe unter den Befehl ſeines Sohnes Paris, und gab ihm den Bruder Deiphobus, den Sohn des Panthous, Polydamas, und den Fürſten Aeneas an die Seite; die mächtige Ausrüſtung ging in die See und ſteuerte der griechiſchen Inſel Cythere zu, wo ſie zuerſt zu landen gedachten. Unterwegs begegnete die Flotte dem Schiffe des griechiſchen Völkerfürſten und ſpartaniſchen Königes Menelaus, der auf einer Fahrt nach Pylos zu dem weiſen Fürſten Neſtor begriffen war. Dieſer ſtaunte, als er den prächtigen Schiffszug erblickte, und auch die Trojaner betrachteten neugierig das ſchöne griechiſche Fahr¬ zeug, das feſtlich ausgeſchmückt einen der erſten Fürſten
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von der Götter Orakel belehrt, ihm ſelbſt in jungen
Jahren anvertraut hatte. Wenn je einmal ein Königsſohn
aus Laomedons Geſchlechte eine Gemahlin aus Griechen¬
land ins Haus führen würde, ſo ſtehe den Trojanern das
äußerſte Verderben bevor. „Darum,“ ſchloß er ſeine Rede,
„laſſet uns den trügeriſchen Kriegsruhm nicht verführen,
Freunde, und unſer Leben lieber in Frieden und Ruhe
dahinbringen, als auf das Spiel der Schlachten ſetzen
und zuletzt mit ſammt der Freiheit verlieren.“ Aber das
Volk murrte über dieſen Vorſchlag und rief ſeinem Könige
Priamus zu, den furchtſamen Worten eines alten Mannes
kein Gehör zu ſchenken und zu thun, was er im Herzen
doch ſchon beſchloſſen hätte.
Da ließ Priamus Schiffe rüſten, die auf dem Berge
Ida gezimmert worden, und ſandte ſeinen Sohn Hektor
ins Phrygerland, Paris und Deiphobus aber ins benach¬
barte Päonien, um verbündete Kriegsvölker zu ſammeln;
auch Troja's waffenfähige Männer ſchickten ſich zum Kriege
an, und ſo kam bald ein gewaltiges Heer zuſammen. Der
König ſtellte daſſelbe unter den Befehl ſeines Sohnes
Paris, und gab ihm den Bruder Deiphobus, den Sohn
des Panthous, Polydamas, und den Fürſten Aeneas an
die Seite; die mächtige Ausrüſtung ging in die See und
ſteuerte der griechiſchen Inſel Cythere zu, wo ſie zuerſt zu
landen gedachten. Unterwegs begegnete die Flotte dem
Schiffe des griechiſchen Völkerfürſten und ſpartaniſchen
Königes Menelaus, der auf einer Fahrt nach Pylos zu
dem weiſen Fürſten Neſtor begriffen war. Dieſer ſtaunte,
als er den prächtigen Schiffszug erblickte, und auch die
Trojaner betrachteten neugierig das ſchöne griechiſche Fahr¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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