irgend ein Sterblicher den Göttern, und deßwegen hege ich die Zuversicht zu dir, daß du unter unsern Feinden mit furchtbarem Gemetzel wüthen werdest!" Mit diesen Worten hob der König einen Pokal aus gediegenem Golde und trank ihn dem neuen Bundesgenossen zu. Memnon betrachtete staunend ringsum den herrlichen Be¬ cher, der ein Werk Vulkans und ein Erbstück der trojani¬ schen Königsfamilie war; dann erwiederte er: "Nicht bei'm Schmause ziemt es sich zu prahlen und zuversicht¬ liche Verheissungen zu thun; ich antworte dir daher nicht, o König, sondern freue mich jetzt in Ruhe des Mahles, und will im Geiste das Nöthige vorbereiten. In der Schlacht muß es sich zeigen, ob ein Mann ein Held sey. Nun aber laß uns bald zur Ruhe gehen; denn dem, der die Entscheidung des Kampfes erwartet, schadet ein über¬ mäßiger Genuß des Weines und eine durchschwärmte Nacht!"
Damit erhob sich der besonnene Memnon vom Mahle und Priamus hütete sich, seinen Gast zu längerem Bleiben zu nöthigen. Auch die übrigen Gäste gingen zur Ruhe, und Alles überließ sich dem wohlthuenden Schlafe. Wäh¬ rend nun die Sterblichen auf der Erde schlummerten, saßen die Götter im olympischen Pallaste Jupiters noch beim Schmause und besprachen sich über den Kampf um Troja. Jupiter, der Sohn des Kronos, dem die Zukunft deutlich war, wie die Gegenwart, nahm zuletzt das Wort und sprach: "Es ist vergebens, daß ihr sorget, der eine für die Griechen, der andre für die Troer. Noch unzäh¬ lige Rosse und Männer werdet ihr auf beiden Seiten im Kampfe dahinsinken sehen. So sehr euch nun Mancher, der des Einen oder des Andern Freund ist, am Herzen
irgend ein Sterblicher den Göttern, und deßwegen hege ich die Zuverſicht zu dir, daß du unter unſern Feinden mit furchtbarem Gemetzel wüthen werdeſt!“ Mit dieſen Worten hob der König einen Pokal aus gediegenem Golde und trank ihn dem neuen Bundesgenoſſen zu. Memnon betrachtete ſtaunend ringsum den herrlichen Be¬ cher, der ein Werk Vulkans und ein Erbſtück der trojani¬ ſchen Königsfamilie war; dann erwiederte er: „Nicht bei'm Schmauſe ziemt es ſich zu prahlen und zuverſicht¬ liche Verheiſſungen zu thun; ich antworte dir daher nicht, o König, ſondern freue mich jetzt in Ruhe des Mahles, und will im Geiſte das Nöthige vorbereiten. In der Schlacht muß es ſich zeigen, ob ein Mann ein Held ſey. Nun aber laß uns bald zur Ruhe gehen; denn dem, der die Entſcheidung des Kampfes erwartet, ſchadet ein über¬ mäßiger Genuß des Weines und eine durchſchwärmte Nacht!“
Damit erhob ſich der beſonnene Memnon vom Mahle und Priamus hütete ſich, ſeinen Gaſt zu längerem Bleiben zu nöthigen. Auch die übrigen Gäſte gingen zur Ruhe, und Alles überließ ſich dem wohlthuenden Schlafe. Wäh¬ rend nun die Sterblichen auf der Erde ſchlummerten, ſaßen die Götter im olympiſchen Pallaſte Jupiters noch beim Schmauſe und beſprachen ſich über den Kampf um Troja. Jupiter, der Sohn des Kronos, dem die Zukunft deutlich war, wie die Gegenwart, nahm zuletzt das Wort und ſprach: „Es iſt vergebens, daß ihr ſorget, der eine für die Griechen, der andre für die Troer. Noch unzäh¬ lige Roſſe und Männer werdet ihr auf beiden Seiten im Kampfe dahinſinken ſehen. So ſehr euch nun Mancher, der des Einen oder des Andern Freund iſt, am Herzen
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irgend ein Sterblicher den Göttern, und deßwegen hege
ich die Zuverſicht zu dir, daß du unter unſern Feinden
mit furchtbarem Gemetzel wüthen werdeſt!“ Mit dieſen
Worten hob der König einen Pokal aus gediegenem
Golde und trank ihn dem neuen Bundesgenoſſen zu.
Memnon betrachtete ſtaunend ringsum den herrlichen Be¬
cher, der ein Werk Vulkans und ein Erbſtück der trojani¬
ſchen Königsfamilie war; dann erwiederte er: „Nicht
bei'm Schmauſe ziemt es ſich zu prahlen und zuverſicht¬
liche Verheiſſungen zu thun; ich antworte dir daher nicht,
o König, ſondern freue mich jetzt in Ruhe des Mahles,
und will im Geiſte das Nöthige vorbereiten. In der
Schlacht muß es ſich zeigen, ob ein Mann ein Held ſey.
Nun aber laß uns bald zur Ruhe gehen; denn dem, der
die Entſcheidung des Kampfes erwartet, ſchadet ein über¬
mäßiger Genuß des Weines und eine durchſchwärmte
Nacht!“
Damit erhob ſich der beſonnene Memnon vom Mahle
und Priamus hütete ſich, ſeinen Gaſt zu längerem Bleiben
zu nöthigen. Auch die übrigen Gäſte gingen zur Ruhe,
und Alles überließ ſich dem wohlthuenden Schlafe. Wäh¬
rend nun die Sterblichen auf der Erde ſchlummerten,
ſaßen die Götter im olympiſchen Pallaſte Jupiters noch
beim Schmauſe und beſprachen ſich über den Kampf um
Troja. Jupiter, der Sohn des Kronos, dem die Zukunft
deutlich war, wie die Gegenwart, nahm zuletzt das Wort
und ſprach: „Es iſt vergebens, daß ihr ſorget, der eine
für die Griechen, der andre für die Troer. Noch unzäh¬
lige Roſſe und Männer werdet ihr auf beiden Seiten im
Kampfe dahinſinken ſehen. So ſehr euch nun Mancher,
der des Einen oder des Andern Freund iſt, am Herzen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/357>, abgerufen am 25.11.2024.
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